Saadet Sönmez - Heimat ist ein Ort, an dem rassistische Morde wie in Hanau nicht geschehen

In seiner 107 Plenarsitzung am 2. Juni 2022 diskutierte der Hessische Landtag auf Antrag der CDU über den Begriff der "Heimat". Dazu die Rede unserer integrationspolitischen Sprecherin Saadet Sönmez.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, wenn Herr Müller hier ausführt, der Begriff Heimat sei nichts Politisches. Da muss man sich doch fragen: Warum gibt es auf Bundesebene ein von CDU und CSU eingerichtetes Heimatministerium, wenn dies kein politischer Begriff sein soll, wenn dieser Begriff nicht politisiert werden soll?

(Beifall DIE LINKE)

Das aber nur am Rande. Lassen Sie mich von den ideologischen und ethnologischen Abhandlungen wegkommen, in denen der Begriff Heimat ein Kampfbegriff ist zwischen links und rechts, liberal und traditionell oder, oder, oder. Lassen Sie mich einmal darstellen, lassen Sie uns einmal gemeinsam schauen, was Menschen brauchen, damit sie sich zu Hause, daheim, also in der Heimat fühlen.

Heimat ist der Ort, wo die Miete bezahlbar ist und Konzerne uns nicht aus unseren Stadtteilen und Dörfern verdrängen,

(Beifall DIE LINKE – Zuruf AfD: Nordkorea!) wo die Menschen von ihrer Arbeit auch wirklich leben können und konsequent gegen Lohndumping vorgegangen wird,

(Beifall DIE LINKE) wo alle Kinder genug zu essen haben und ihr Bildungserfolg nicht vom Einkommen oder der Herkunft der Eltern abhängt.

(Beifall DIE LINKE)

Heimat ist, wo die Existenzangst der Einzelnen von der Solidarität der vielen besiegt wird.

(Beifall DIE LINKE)

Heimat ist, wo Reiche angemessen besteuert werden, oder besser noch, wo es weder Arm noch Reich gibt.

(Beifall DIE LINKE)

Heimat ist, wo niemand bangen muss, nachts geweckt und abgeschoben zu werden, wo die Menschenwürde nicht am Aufenthaltstitel hängt.

(Beifall DIE LINKE)

Zu Hause und heimisch kann man sich nur fühlen, wenn man keine Angst vor der Polizei haben muss, z. B. weil man vermeintlich anders aussieht, und wo die Polizei private Meldeadressen ihrer Bürgerinnen und Bürger für sich behält.

(Beifall DIE LINKE)

Heimat ist, wo Antifaschismus eine Selbstverständlichkeit ist. Heimat ist, wo Wälder nicht Autobahnen weichen müssen und der Bus regelmäßig ins Dorf kommt.

(Beifall DIE LINKE)

Heimat ist – Herr Müller, da Sie schon von Sicherheit reden –, wo rechte Netzwerke ernsthaft bekämpft werden und nicht stattdessen seitenweise Akten geschreddert werden und die Verantwortlichen dafür auch noch in höhere Ämter erhoben werden.

(Beifall DIE LINKE)

Heimat sollte ein Ort sein, an dem Menschen leben, die ihren Reichtum und ihren Wohlstand eben nicht auf Kosten der Menschen des globalen Südens vermehren, sodass diese gezwungen werden, ihre Heimat wiederum zu verlassen. Heimat ist ein Ort, an dem nicht mehr Waffen gesegnet werden, sondern der Krieg geächtet wird.

(Beifall DIE LINKE)

Egal wie sehr Sie das Gegenteil heraufbeschwören wollen: Hessen ist leider noch sehr weit davon entfernt, eine solche Heimat zu werden. Hessen hat da leider noch einen sehr langen Weg vor sich. Wir laden Sie aber ganz herzlich dazu ein, gemeinsam mit uns dafür zu streiten, dass Hessen Heimat wird, dass Hessen eine Heimat wird, wo nicht jedes vierte Kind in Armut aufwächst, wo Menschen nicht zwei Jobs auf einmal nachgehen müssen, um ein einigermaßen menschenwürdiges Leben zu führen und über die Runden zu kommen, wo Wohnungslose nicht nur ein Dach über dem Kopf haben, sondern wirklich ein Zuhause haben, wo es keine Zweiklassenmedizin gibt, wo jeder Mensch uneingeschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung hat, wo dem Einbürgerungswunsch von Menschen tatsächlich entsprochen wird, wo keinem Menschen die politische und gesellschaftliche Teilhabe verwehrt wird. Das ist eine Heimat.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, Heimat ist der Ort, wenn wir von Sicherheit reden und eine Heimat haben möchten, in der wir auch sicher und frei leben können. Heimat ist der Ort, an dem rassistische Morde wie in Hanau ein Ding der Unmöglichkeit sind.

(Beifall DIE LINKE)

Solange wir nicht genau auf diese Gesellschaft hinarbeiten, wird uns jegliches Jonglieren mit dem Begriff der Heimat auch nicht wirklich viel weiterbringen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)