Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Hermann Schaus - Es braucht schnelle finanzielle Hilfen für Opfer von rechter Gewalt

Hermann SchausAntifaschismusInnenpolitik

In seiner 81. Plenarsitzung am 8. Juli 2021 diskutierte der hessische Landtag über die Einführung eines Hilfsfonds für die Opfer und Hinterbliebenen von rechter Gewalt. Dazu die Rede unseres innenpolitischen Sprechers Hermann Schaus.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute bringt der Landtag einen Opferfonds auf den Weg, und das ist ein gutes Zeichen. Er soll, wie es in der Antragsbegründung heißt, als Zeichen des Landes Hessen „in Anerkennung seiner eigenen Verantwortung und als Akt der Unterstützung, des Mitgefühls und der Nächstenliebe den Opfern schwerer Gewalttaten und von Terroranschlägen oder ihren Angehörigen zur Bewältigung der durch die Tat entstandenen Lebenssituation materielle Hilfe leisten“.

Ich erinnere mich noch gut an das erste Treffen auf Einladung der Opferfamilien in Hanau, wo die Vertreterinnen und Vertreter mehrerer Fraktionen des Hessischen Landtages am 4. Dezember letzten Jahres über einen entsprechenden Fonds intensiv diskutierten. Dort wurde auch der Opferhilfefonds für die Opfer, deren Angehörige und die Geschädigten der Taten des NSU, der nach den NSU-Morden am 19. September 2017 im Landtag von Thüringen beschlossen wurde, vorgestellt. Er stand in gewisser Weise Pate für den jetzigen Opferhilfefonds.

Zur Ausstattung eines solchen Fonds wurden seinerzeit 3 Millionen € diskutiert. Ich bin bei der Höhe des Opferhilfefonds auch ganz beim Oberbürgermeister der Stadt Hanau, Herrn Kaminsky, der sich vor Ort sehr um die Opferfamilien bemüht und der in einem Brief an die Landtagsfraktionen von CDU, GRÜNEN, SPD und FDP bereits im Februar dieses Jahres schrieb, der Fonds werde „der besonderen Verantwortung im Kontext rassistischer Gewalt nicht gerecht“. Denn, so seine Aussage, um die Dutzenden Betroffenen in Hanau materiell abzusichern, reiche die vorgesehene Summe nicht aus.

Bei dem ersten Treffen, wie gesagt, am 4. Dezember 2020 in Hanau stellten auch einige der Betroffenen ihre persönliche Situation dar. Dabei wurde deutlich, wie vielfältig und tiefgreifend die Folgen der Hanauer Morde für die Familien sind. Der Alltag der Betroffenen habe sich komplett verändert. Viele Angehörige sind seit dem 19. Februar nicht mehr arbeitsfähig und haben große Einkommensverluste. Schulden sind dadurch entstanden. Weil es die Angehörigen verständlicherweise nicht mehr ertragen können, weiterhin in der Nähe des Tatortes zu wohnen oder womöglich im Supermarkt dem Vater des Mörders zu begegnen, müssen sie umziehen. Die Mieten der neuen Wohnungen sind aber erheblich höher.

Warum kann ich nicht mehr arbeiten? Warum fühle ich mich nach zehn Monaten schlechter als am 20. Februar? – Das sind Fragen, die sich die Hinterbliebenen immer wieder stellen. Gesetzliche Unterstützungsmöglichkeiten greifen oft nicht, und die bürokratischen Hürden sind von vielen gerade in so einer Situation kaum zu bewältigen. Diese Schilderungen waren eindrücklich und machten die Not der Betroffenen sehr deutlich.

Wir sind froh, dass nunmehr, nach den ersten Irritationen über den betroffenen Personenkreis und den Charakter des Opferhilfefonds, Änderungen vorgenommen wurden und jetzt mehr Klarheit besteht. Wir gehen auch davon aus, dass in diesen Fonds auch die Familie Yozgat mit einbezogen wird. Auch wenn wir uns bei der Höhe und der Struktur mehr gewünscht hätten, werden wir dem Antrag heute zustimmen. Auch wir wollen, dass eine schnelle und unbürokratische Unterstützung von Opfern extremistischer oder terroristischer Anschläge und von deren Hinterbliebenen in Hessen alsbald erfolgt.

(Beifall DIE LINKE und Jürgen Lenders (Freie Demokraten))