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Rede

Hermann Schaus - Polizeigewalt, NSU 2.0 und die falschen Signale eines unfähigen Innenministers II

Hermann Schaus
Hermann SchausAntifaschismusInnenpolitik

In seiner 52. Plenarsitzung am 3. September 2020 diskutierte der Hessische Landtag auf unseren Antrag hin über die rechten Netze in der Polizei. Dazu die zweite Rede unseres innenpolitischen Sprechers Hermann Schaus.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich habe aus der Diskussion zur Kenntnis genommen, dass man dann, wenn man hier differenziert argumentiert, die anderen Fraktionen irritiert. Aber letztendlich bleiben sie bei ihrem vorgefertigten, festen, eingestampften Bild und kritisieren das dann auch noch. Kollegen Müller und Kollegin Goldbach habe ich so wahrgenommen. Ich weiß: Egal, wie wir es machen, wir machen es Ihnen nicht recht.

Dass der Innenminister das alles anders bewertet, was ich gesagt habe, überrascht mich jetzt nicht. Denn Sie stehen unter Druck, Herr Innenminister. Mit Ihnen und mit Ihrer Person ist die Aufklärung von NSU 2.0 so was von verbunden, da kommen Sie nie mehr raus.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Deshalb ist das, was Kollege Rudolph gerade aufgeworfen hat, die konkrete Frage. Herr Minister, Sie haben von drei Abfragen aus Polizeisystemen gesprochen. Sind es mittlerweile nicht etwa vier? Frau Basay-Yildiz ist in der Zwischenzeit umgezogen ist und hat noch nicht einmal ihren Nachbarn ihre neue Adresse mitgeteilt. Aber in einem Drohschreiben von NSU 2.0, das identisch ist – die Beschreibung der „taz“ stimmt – mit den Absendern der über 80 Drohschreiben, die unsere Kollegin, Frau Baydar und Frau Basay-Yildiz immer noch erhalten – es gibt auch neue Drohschreiben gegen diesen Personenkreis –, steht die neue Adresse von Frau Basay-Yildiz, die niemandem bekannt ist und die offensichtlich im System gesperrt sein muss, drin. Dann haben Sie das zu erklären und aufzuklären, warum das so sein konnte und wo das herkommt.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Darauf hätte ich gern eine Antwort. Denn in der Tat ist mein Eindruck, dass die Ermittlungsarbeit nach wie vor eher im Laissez-faire-Stil stattfindet als in einem konkreten Aufklärungsstil.

Wie kann es denn sein, dass Zeugen über Monate nicht verhört werden, weil sie Polizeibeamte sind? Wie kann es sein, dass im einen Fall im Polizeirevier 1 eine Polizeibeamtin als Beschuldigte geführt wird, in den anderen Fällen aber nur als Zeugin? – Das sind doch Fragen, die auch beantwortet werden müssen. Herr Müller, das müssen auch Sie zur Kenntnis nehmen. Insofern erwarten wir Antworten.

Ich erwarte im Übrigen noch eine weitere Antwort von Ihnen, Herr Minister. Mitte Juli sei den Behörden dieses neue Drohschreiben mit der neuen Adresse von Frau Basay-Yildiz bekannt geworden. Herr Rudolph hat darauf hingewiesen. Am 21.07. hatten wir eine Sondersitzung des Innenausschusses. Jetzt überlegen wir einmal, was Mitte Juli bedeutet. Für mich bedeutet Mitte Juli um den 15. herum.

(Günter Rudolph (SPD): 15./16.!)

In dieser Sondersitzung des Innenausschusses haben Sie dazu keine Stellung genommen. War Ihnen das zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt? Wann ist Ihnen bekannt geworden, dass es entsprechende Drohschreiben mit der neuen Adresse gibt? Und wann werden wir informiert? Wir haben wieder die Situation wie in allen anderen Fällen, die wir angesprochen haben – nicht nur bei NSU 2.0 –: Wir erfahren es aus der Zeitung, und vom Minister erfahren wir nichts. Wir hätten gern jetzt und hier und heute eine Antwort von Ihnen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)