Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske: Bezahlbaren Wohnraum schaffen - marktliberale ‚Bau-Booster‘ helfen nicht weiter!

Jan SchalauskeWohnen

In seiner 132. Plenarsitzung am 23. März 2023 diskutierte der Hessische Landtag zum FDP-Setzpunkt "Bezahlbares Bauen und Wohnen: Entfesselungsoffensive für den privaten Wohnungsbau in Hessen". Dazu die Rede unseres Vorsitzenden und wohnungspolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Heute reden wir auf Antrag der FDP-Fraktion über das Thema Bauen und Wohnen, und das ist aus zwei Gründen auch dringend notwendig.

Erstens kennen seit Jahren die Mietpreise für die Menschen in Hessen nur eine Richtung, nämlich nach oben. Im Rhein-Main-Gebiet werden Menschen aus ihren angestammten Quartieren verdrängt. Die Listen der Haushalte, die eine geförderte Wohnung suchen, sind viel länger als die Zahl der Wohnungen, die zu vergeben sind. Während die einen Menschen verzweifelt eine bezahlbare Bleibe suchen, spekulieren andere mit sündhaft teuren Luxuswohnungen. Allein ein Gang durch das Frankfurter Bahnhofs-, Gallus- und Europaviertel gibt einen Eindruck von diesen dramatischen Gegensätzen.

Deswegen ist für uns als LINKE klar: Wohnen ist mehr als ein Dach über dem Kopf. Es ist ein Menschenrecht, und die Misere auf dem Wohnungsmarkt muss endlich ein Ende haben.

(Beifall DIE LINKE)

Zweitens. Die programmatischen Vorstellungen der FDP, die hier gerade mit so viel Verve vorgetragen und im Antrag dokumentiert worden sind, tragen nichts, aber auch gar nichts zur Lösung der Wohnungsmisere bei.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Sie wollen noch mehr Regulierung?)

Im Gegenteil, kämen die Vorstellungen der FDP tatsächlich zum Tragen – ich sage, wir mögen davor behütet werden –, dann würde die Lage auf dem Wohnungsmarkt deutlich verschärft werden. Auch das muss mit aller Kraft verhindert werden.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf René Rock (Freie Demokraten))

Der Antrag der FDP hat aber durchaus sein Gutes. Er gibt uns die Gelegenheit, mit zwei sehr populären, aber grundsätzlich marktliberalen Irrtümern zum Thema Bauen und Wohnen aufzuräumen. Marktliberaler Irrtum Nummer eins: Es müsse einfach mehr gebaut werden, vor allem von privaten Investoren, und dann entspanne sich der Wohnungsmarkt. So ist sinngemäß der Antrag und auch die Rede von Herrn Dr. Naas.

Die Wirklichkeit ist aber: In Hessen ist in den vergangenen Jahren gebaut worden. Schwarz-Grün nimmt den Zuwachs um 77.000 Wohnungen in den Jahren von 2018 bis 2021 als Beleg für ihre vermeintliche wohnungspolitische Erfolgsgeschichte. Das Entscheidende aber ist: Es kommt doch nicht nur darauf an, dass Wohnungen gebaut werden, sondern es kommt auch darauf an, was für Wohnungen für welche Bevölkerungsgruppen errichtet werden.

Schauen wir uns die hessischen Zahlen einmal genau an. Von den 77.000 neu gebauten Wohnungen wurden gerade einmal 4.627 sozial gefördert. Das sind sage und schreibe 6 %. Bei den aktuellen Angebotspreisen im frei finanzierten Wohnungsbau bedeutet das doch: Die übrigen 72.373 Wohnungen, d. h. 94 %, sind für Haushalte mit geringem oder mittlerem Einkommen weitgehend unerschwinglich. Diese Zahlen zeigen doch, dass die marktliberale Logik der FDP wirklich in die Irre geht.

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt ein weiteres Problem. Sie wollen ausweisen, ausweisen, ausweisen. Der Boden ist eine endliche und begrenzte Ressource. Die öffentliche Hand hat auf Betreiben der FDP bedauerlicherweise viel Grund und Boden verkauft. Das ging auch an die hier so hofierten privaten Investoren und an Spekulanten. Ich nenne nur, weil wir hier im Hessischen Landtag sind, das ehemalige Frankfurter Polizeipräsidium. Das rächt sich jetzt. DIE LINKE lehnt deswegen den Verkauf von Grund und Boden der öffentlichen Hand ab, und zwar ohne Wenn und Aber. Es war ein Fehler, ihn aus der Hand zu geben.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn wir über die Folgen des Klimawandels reden, dann dürfen wir auch nicht immer weiter nur versiegeln, versiegeln, versiegeln. Vielmehr müssen wir auch an den Umbau und die Umnutzung etwa der Büroflächen denken. Die Leerstände in Frankfurt sind immens. Dazu findet sich natürlich nichts im Antrag der FDP-Fraktion.

Wir sehen also: Wer den Mangel an bezahlbarem Wohnraum und wer die viel zu hohen Mieten wirksam bekämpfen will, der muss dafür sorgen, dass nicht irgendwelche Wohnungen, sondern dass bezahlbare Wohnungen geschaffen werden.

(Beifall DIE LINKE)

Da sieht es in Hessen ziemlich düster aus. In den neun Jahren Schwarz-Grün ist die Zahl der sozial geförderten Wohnungen um ein Viertel gesunken. Einst waren es 109.000. Jetzt sind es nur noch etwas über 82.000 Wohnungen. In den letzten Jahren haben sich die Zahlen zwar auf niedrigem Niveau etwas stabilisiert. Aber eine Erfolgsgeschichte von Schwarz-Grün sähe doch wirklich anders aus. Angesichts dieser Zahlen ist die Wahrheit doch die, dass der hier viel beschworene Tanker sozialer Wohnungsbau in Hessen auf Grund läuft. Das Nachsehen haben die Mieterinnen und Mieter. Das muss sich ändern.

(Beifall DIE LINKE)

Wir fordern deswegen seit vielen Jahren ein Sofortprogramm zur Schaffung von 10.000 Sozialwohnungen pro Jahr. Sonst singen Sie immer das Lied der Privaten. Selbst die Wohnungswirtschaft sagt, man bräuchte 7.000 geförderte Sozialwohnungen pro Jahr. Das ist also nicht nur eine Idee der LINKEN. Wir wollen vor allem, dass sie durch die öffentliche Hand und durch gemeinwohlorientierte Unternehmen mit dauerhafter sozialer Bindung errichtet werden. Einmal sozial gebaut, soll auch dauerhaft gebunden sein.

(Beifall DIE LINKE)

Ich komme jetzt auf den marktliberalen Irrtum Nummer zwei zu sprechen. Er wurde hier mit sehr viel Verve vorgetragen: Die Deregulierung des Mietermarktes würde den Wohnungsbau stimulieren.

Auch diese Behauptung lässt sich empirisch überhaupt nicht belegen. Die Entwicklung der Bauleistung in den letzten Jahrzehnten zeigt, dass es in Deutschland gerade unter den Bedingungen einer weitgehenden Liberalisierung und Deregulierung des Bau- und Mietrechts eine stagnierende oder teilweise rückläufige Entwicklung gab. Allein zwischen 1995 und 2010, also weit vor der Entwicklung des Mietendeckels und weit vor der Einführung der Mietpreisbremse, ist die Zahl der pro Jahr errichteten Wohnungen von einstmals über 600.000 auf unter 160.000 Wohnungen zurückgegangen. Wir sehen also: Auch die Deregulierung des Mieterschutzes schafft keine einzige bezahlbare Wohnung.

(Beifall DIE LINKE)

Das will ich hier in aller Deutlichkeit sagen: Es ist richtig, dass es die Instrumente der Mietpreisbremse, der Kappungsgrenze und auch des Umwandlungsverbots bisher nicht geschafft haben, den Mietpreiswahnsinn wirksam zu begrenzen. Trotzdem dürfen sie doch nicht abgeschafft werden. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Sie müssen verschärft werden, um die Mieterinnen und Mieter zu schützen.

Die Wahrheit ist, dass Schwarz-Grün die Instrumente gar nicht in dem Maß nutzt, wie es möglich wäre. Wir setzen uns deswegen dafür ein, dass mehr Orte als angespannte Wohnungsmärkte klassifiziert werden, damit die Mieterinnen und Mieter dann wirksam geschützt sind.

Der Genehmigungsvorbehalt sollte bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Hessen auch bei unter sechs Wohnungen in einem Haus angewendet werden. So, wie es die GRÜNEN geregelt haben, werden nämlich jetzt viele Altbauwohnungen in Frankfurt aus der Regelung herausfallen. Wir wollen auch diese Mieter schützen. Deswegen muss das Umwandlungsverbot schon ab drei Wohnungen gelten.

Wenn der grüne Minister sagt: „Na ja, von der Regelung werden zwei Drittel der Wohnungen erfasst“, dann gehört eben im Umkehrschluss zur Wahrheit auch dazu, dass ein Drittel davon nicht erfasst wird. Das darf nicht sein. Deswegen kämpft DIE LINKE weiterhin dafür, die Mieterinnen und Mieter zu schützen. Das Wirksamste wäre ein bundesweiter Mietendeckel. Dafür werden wir uns weiter einsetzen.

Was man aber wirklich nicht braucht, ist der Deregulierungswahn der Mitglieder der FDP. Wir brauchen nicht, dass man an den Sozialstaat die Axt legt. Wir brauchen beim Mieterschutz keinen Kahlschlag. Das Gegenteil ist der Fall. Wir brauchen die Ausweitung des Mieterschutzes.

(Beifall DIE LINKE)

Darüber kann man diskutieren. Die Mitglieder der FDP sehen in der Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und im Abbau der Vorschriften bei der Bauordnung ein großartiges Allheilmittel. Wir sehen darin kein wirkliches Allheilmittel. Wer die Verfahren beschleunigen will, der sollte sich, statt einfach Blankoschecks für die Investoren zu fordern, einmal für mehr Personal in den Genehmigungsbehörden einsetzen. Aber dazu hört man viel zu wenig von der FDP. Wer „verzichtbare Vorschriften“ abbauen will, der sollte dann auch einmal sagen, welche dies sein sollen, anstatt einfach nur mit dem Finger auf die Landesregierung zu zeigen.

Zum Schluss meiner Rede ist mir noch etwas anderes sehr wichtig. In dem Antrag fordert die FDP die Ausweisung neuen Baulands durch die Kommunen. Zum Thema Flächenversiegelung und dazu, dass wir das nicht endlos weitermachen können, habe ich schon etwas gesagt.

Wenn Sie wirklich Bauland ausweisen können, warum lehnen Sie dann die Grundsteuer C ab? Sie ist ein Mittel gegen die Spekulation. Sie ist ein Mittel, um die Bebauung zu fördern. Mit der Grundsteuer C können Städte und Gemeinden unbebaute, aber baureife Grundstücke durch einen gesonderten Hebesatz höher als die üblich bebauten Grundstücke belasten. Das ist ein wirksames Mittel. Aber genau das wollte die FDP eben nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Ich komme zum Fazit dieses Ritts durch marktliberale Irrtümer. Durch die Forderungen des Antrags der FDP würde nicht eine einzige bezahlbare Wohnung entstehen. Sie hat einen Antrag vorgelegt, der von marktliberalen Irrtümern nur so strotzt. Der Antrag ist sehr platt. Er könnte einem Lehrbuch für verzweifelte junge Liberale an der MiltonFriedman-Gedächtnis-Schule entsprungen sein.

(Beifall DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um die Misere auf dem Wohnungsmarkt zu lösen, brauchen wir keinen marktliberalen Baubooster. Wir brauchen eine Mietpreisbremse. Wir brauchen einen Booster für bezahlbares Wohnen. Wir brauchen eine Wohnungs-Wumms für bezahlbare Mieten. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)