Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske - Für einen Heißen Herbst der Solidarität und sozialen Teilhabe!

Jan SchalauskeBundespolitikRegierung und Hessischer LandtagSoziales

In seiner 114. Plenarsitzung am 22. September 2022 diskutierte der Hessische Landtag auf Antrag der LINKEN eine Aktuelle Stunde mit dem Titel „Heißer Herbst gegen soziale Kälte auch in Hessen nötig – Bund und Land versagen im Kampf gegen Preissteigerungen und wachsende Armut!“. Dazu die Rede von unserem Vorsitzenden Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In diesen Tagen gehen in Deutschland und in Hessen viele Menschen auf die Straße oder, wie man auf hessisch sagt: „auf die Gass“, weil sie die große Sorge haben, es sich zukünftig nicht mehr leisten zu können, den Kühlschrank zu füllen oder die Heizung aufzudrehen. Ich will gleich vorwegsagen: Das ist keine Gefahr für die Demokratie; sondern dass Menschen für Solidarität, Gerechtigkeit und ihre sozialen Interessen auf die Straße gehen, ist ein wichtiger Beitrag zur Demokratie.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist auch völlig nachvollziehbar. Im Supermarkt kostet 1 l Milch mittlerweile 1,50 €, Butter 3 €. Die Bundesregierung rechnet mit einer Heizkostenerhöhung für eine durchschnittliche Familie von bis zu 2.000 € alleine in diesem Jahr. Eine Tankfüllung unter 100 € ist an kaum einer Zapfsäule zu haben, und Busse und Bahnen sind für viele Menschen nach dem Auslaufen des 9-€-Tickets wieder kaum bezahlbar.

Die Inflation lag alleine im August bei 7,9 %. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Lebensmittel um sage und schreibe 16,6 % und die Energie sogar um 35,6 % verteuert. Wegen der gewaltigen Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Energie bangen viele Menschen mit geringem und mit durchschnittlichem Einkommen um ihre Existenz.

Aber, was wir dabei nicht vergessen dürfen: Trotz der jüngsten Preissteigerungen – natürlich infolge des schrecklichen Krieges und der darauf folgenden Wirtschaftssanktionen – gab es in Hessen natürlich auch vorher schon immer mehr Armutsbetroffene. In den vergangenen zehn Jahren rutschten immer mehr Menschen unter die EU-Armutsgrenze. Lag Hessen 2015 da noch auf Platz 3 aller Bundesländer, ist es nach Berechnungen des Paritätischen jetzt sogar auf Platz 11 zurückgefallen. Heute werden es wahrscheinlich sogar mehr als die 18,3 % der Menschen in Hessen sein, die armutsbetroffen sind. Jedes fünfte Kind, jede zweite Alleinerziehende in Hessen sind von Armut betroffen. Armut in einem so reichen Land wie Deutschland, in einem so reichen Land wie Hessen ist und bleibt eine Schande, mit der wir uns niemals abfinden dürfen.

(Beifall DIE LINKE)

Um diese Armut zu bekämpfen, gibt es seit Langem zahlreiche Konzepte von Sozialverbänden, von Gewerkschaften und auch von den LINKEN. Auch wir haben der Aktuellen Stunde heute wieder einen umfangreichen Antrag beigefügt dazu, was man alles gegen Armut in diesem reichen Land tun könnte. Ich will auch mit Blick auf die gestrige Debatte noch einmal ganz klar sagen: Nein, es ist nicht DIE LINKE, die das Land spaltet, sondern es sind die Regierenden in Bund und Land, die es nicht schaffen, diese sozialen Probleme zu bewältigen.

(Beifall DIE LINKE)

Den Menschen, die nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen, helfen weder Verweise aufs Wetter noch YouTube-Kanäle mit Energiespartipps – egal, wie viele Klickzahlen sie auch haben.

Die Bundesregierung – das ist, glaube ich, deutlich geworden – versagt bei wichtigen Maßnahmen. Statt einer dauerhaften Unterstützung gibt es nur Einmalzahlungen. Statt Preise für Gas und Strom zu deckeln, werden die Kosten der Krise über die Gasumlage auf breite Teile der Bevölkerung abgewälzt. Statt endlich eine existenzsichernde Grundsicherung einzuführen, wird Hartz IV einfach in „Bürgergeld“ umbenannt, und die Erhöhung wird sogleich von der Inflation aufgefressen. Statt mit einer Übergewinnsteuer und mit einer gerechten Vermögensbesteuerung die Krisengewinner und Superreichen zur Kasse zu bitten, kommen bei den Steuerreformen und Entlastungspaketen 70 % der Entlastungen den 30 % mit den höchsten Einkommen zugute. Statt das 9-€-Ticket einfach zu verlängern, wird über 49-€- oder 69-€-Tickets debattiert. Nein, meine Damen und Herren, man muss es so sagen: Die Bundesregierung versagt dabei, die soziale Krise zu bewältigen.

Aber sie ist dabei auch nicht alleine; denn Schwarz-Grün in Hessen – das hat auch die gestrige Debatte gezeigt – scheint sich mehr mit der Frage zu beschäftigen, wie hoch der Anteil der Finanzierung an den Bundespaketen ist, statt eigene Aktivitäten zu entwickeln. Ein Gasgipfel ohne konkrete Ergebnisse, die Ankündigung eines runden Tisches mit Sozialverbänden und Energiesparpläne bei öffentlichen Einrichtungen: Mehr ist bisher bei Schwarz-Grün in Hessen nicht herumgekommen.

(Zuruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir haben kein Verbot von Energiesperren, keinen Härtefallfonds, kein Verbot von Zwangsräumungen. Das zeigt noch einmal deutlich: Diese Regierung ist ein Totalausfall im Kampf gegen die wachsende soziale Kluft im Land.

(Beifall DIE LINKE)

Kein Mensch darf in einer solch schwierigen Situation ohne Strom, ohne warmes Wasser und ohne Heizung leben; und kein Mensch darf seine Wohnung verlieren. Andere Länder sind da übrigens weiter. In Bremen wird ein landesweiter Gaspreisdeckel diskutiert. Berlin plant einen Energiekostenzuschuss und einen Stromrabatt für Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen. Und in Hessen: Fehlanzeige.

(Zuruf Felix Martin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich komme zum Schluss. Für uns bleibt es auch nicht entscheidend, an welchem Wochentag die Menschen auf die Straße gehen. Entscheidend ist, dass sie auf die Straße gehen und Druck auf die Politik für Solidarität, für Gerechtigkeit und für soziale Sicherheit ausüben. Eines ist für uns klar: Dabei kann es keine gemeinsame Sache mit den braunen Hetzern von rechts geben;

(Holger Bellino (CDU): Mit der AfD machen Sie das! Genau!)

denn deren Geschäft ist die Spaltung. Unser Geschäft ist die Solidarität. In Frankfurt sagen die Leute: Ebbe langts. Genug ist genug.

(Holger Bellino (CDU): AfD – LINKE: Es wächst zusammen, was zusammengehört!)

Auf unsere Solidarität können sie dabei zählen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)