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Rede

Jan Schalauske - Hilfe für die Menschen in der Erdbebenregion: Solidarität ist das Gebot der Stunde

Jan SchalauskeInternationales

In seiner 127. Plenarsitzung am 14. Februar 2023 gedenkte der Hessische Landtag den Opfern des Erdbebens in der Türkei und Syrien. Dazu die Rede unseres Vorsitzenden Jan Schalauske.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Generalkonsul!

In der Nacht zum 6. Februar bebte im Süden der Türkei und im Norden Syriens mehrmals die Erde. Mit einem Höchstwert von 7,8 auf der Erdbebenskala handelt es sich um die schwerste Erdbebenkatastrophe in der Türkei seit einem Erdbeben im Jahr 1268 in derselben Region. Die Folgen – sie sind hier vielfach angesprochen worden – sind verheerend.

Nach offiziellen Angaben sind mehr als 35.000 Todesopfer in der Türkei und mehr als 6.000 Todesopfer in Syrien zu beklagen. Die Zahl der Verletzten liegt in der Türkei bei mindestens über 80.000 und in Syrien bei mehr als 5.500 Menschen. Vertreter der Opposition in der Türkei fürchten sogar über 200.000 Tote. Auch geschätzt 50.000 Gebäude, vor allem Wohngebäude, sind zerstört – darunter öffentliche Einrichtungen wie Krankenhäuser. Nach Einschätzung der WHO sollen mittlerweile über 26 Millionen Menschen von dem Erdbeben mittelbar oder unmittelbar betroffen sein.

Diese Zahlen können nur einen Eindruck von dem unvorstellbaren Ausmaß von Tod und Zerstörung geben. Das menschliche Leid, der Schmerz von Millionen Menschen bleiben aber unfassbar. Deswegen sind unsere Gedanken bei den Angehörigen, bei den Freunden und Bekannten der Toten, bei den Zehntausenden Verletzten. Ihnen gelten unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Freie Demokraten)

Wo Not und Verzweiflung herrschen, wachsen aber auch Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft und Solidarität. Ohnehin sind seit vielen Jahren Hilfsorganisationen in der Region aktiv. Zehntausende Rettungs- und Hilfskräfte aus der Region, aber auch aus vielen Teilen der Welt sind im Einsatz und konnten noch Tage nach dem Erdbeben Menschen aus den Trümmern retten, auch Hilfskräfte des THW aus Deutschland und Hessen waren dort im Einsatz; und für ihre Arbeit sind wir zu großem Dank verpflichtet.

Die Anteilnahme in Hessen und Deutschland insgesamt ist auch überwältigend. Die Spendenbereitschaft ist so groß wie nie. Es gibt einen sehr großen Zuspruch der Aktion Deutschland Hilft; und auch aus der Zivilgesellschaft werden vielfältige eigenständige Spendenkampagnen gestartet. Die Solidarität der Menschen, die sogar Hilfstransporte organisieren oder sich als Helferinnen und Helfer in die betroffenen Regionen aufgemacht haben, sowie die Spenden können nicht genug gewürdigt werden. Diese Solidarität kann man nicht genug würdigen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Aber noch immer ist die Lage dramatisch. In manchen Städten gibt es kein Wasser; anderswo ist die Stromversorgung zusammengebrochen. Es fehlt an den Tankstellen an Benzin, es gibt wenig Brot. Gerade jetzt im Winter, wenn Schnee, eiskalter Regen und Sturm die Situation erschweren, ist schnelle Unterstützung gefragt. Doch wie wir Berichten entnehmen müssen, kommt die benötigte humanitäre Hilfe, die medizinische Versorgung nur sehr schwer voran; und es erreichen uns Berichte – darüber muss in dieser Situation auch gesprochen werden, das ist vom Kollegen Wagner angedeutet worden – über kritikwürdige Zustände.

Angehörige und Betroffene bitten verzweifelt um Hilfe, aber es kommen keine Rettungskräfte zur Bergung. Es gibt Berichte darüber, dass Hilfslieferungen in den mehrheitlich kurdisch bewohnten Regionen durch Sicherheitskräfte blockiert werden. Es gibt auch Hinweise darauf, dass die Ausrufung des Notstands für unverhältnismäßige Repressionen der Sicherheitskräfte genutzt wird und dass Beobachterinnen und Beobachter befürchten, dass durch den Ausnahmezustand die Pressefreiheit eingeschränkt wird. Es gibt auch Berichte, die uns fassungslos zurücklassen, dass der türkische Präsident nach dem Erdbeben die kurdische Selbstverwaltung in Nordsyrien bombardieren ließ. Deswegen muss ich an dieser Stelle wirklich sagen: Meine Damen und Herren, dieses Vorgehen ist völlig inakzeptabel. Diese Angriffe müssen sofort beendet werden, wie auch der gesamte Krieg beendet werden muss.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Region Nordsyrien darf insgesamt nicht vergessen werden. In Idlib leben Millionen von Menschen seit Jahren in einem von islamistischen Rebellengruppen kontrollierten Gebiet unter menschenunwürdigen Bedingungen, ohne Perspektive und auf Hilfe angewiesen. In Rojava erschütterte das Erdbeben eine Region, die durch die zahlreichen Luftangriffe auf zivile Infrastruktur ohnehin gebeutelt und zum Teil zerstört worden ist. Deswegen lassen Sie uns nicht vergessen, meine Damen und Herren: Erdbeben kennen keine nationalen Grenzen. Solidarität und Hilfe dürfen keine Grenzen kennen. Deswegen müssen alle Grenzübergänge geöffnet werden. Es muss grenzüberschreitende Hilfe ermöglicht werden, aber auch innerhalb der Länder muss alles dafür getan werden, dass die so dringend benötigte humanitäre und medizinische Hilfe ihr Ziel erreicht.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)