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Rede

Jan Schalauske: Keine Hochrüstung ins Grundgesetz, keine 100 Milliarden Euro für neue Waffen

Jan SchalauskeFriedenHaushalt und Finanzen

In seiner 104. Plenarsitzung am 12. Mai 2022 debattierte der Hessische Landtg zu unserer Aktuellen Stunde mit dem Titel ‚Nein zur Aufrüstung – Hessen soll im Bundesrat das Bundeswehr-Sondervermögen ablehnen‘. Dazu die Rede von Jan Schalauske, Vorsitzender und friedenspolitischer Sprecher.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands gegen die Ukraine ist ein Verbrechen, das ungeheures Leid über die Menschen in der Region bringt. Die Auflage eines 100 Milliarden € schweren Sondervermögens für das deutsche Militär ist allerdings die falsche Antwort auf diesen schrecklichen Krieg.

(Beifall DIE LINKE)

Eine massive Hochrüstung der Bundeswehr hätte keinen Einfluss auf den Krieg in der Ukraine, sie hilft den Menschen dort auch nicht. Schon jetzt geben die NATO-Staaten fast 20-mal mehr für Rüstung aus als Russland. Auch das konnte den russischen Angriffskrieg nicht verhindern.

Wie kommt man eigentlich darauf, dass noch mehr Geld für das deutsche Militär daran irgendetwas ändern sollte? Wie viel soll denn aufgerüstet werden, um einer Atommacht die Stirn zu bieten? Wer glaubt, dass Wettrüsten hier zur Entspannung der Lage beiträgt, der ist einfach im Irrtum.

(Beifall DIE LINKE)

Was die Aufrüstung aber macht: Sie ist ein großes Konjunkturprogramm für die Rüstungsindustrie. Bei den Konzernen knallen die Sektkorken, die Aktienkurse gehen durch die Decke. Allein bei Rheinmetall haben sich die Aktienkurse und die Umsatzerwartungen mehr als verdoppelt. Da sage ich klar: Das machen wir nicht mit, das wollen wir nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Bereits heute, das wird in der Debatte oft verschwiegen, gibt Deutschland 50 Milliarden € für die Rüstung aus – eine Steigerung der Mittel für das Militär von über 40 % seit 2014. Bei den Rüstungsausgaben liegen wir mittlerweile auf einer Ebene mit Frankreich und England. Die Behauptung, die Bundeswehr wäre in den vergangenen Jahren kaputtgespart worden, trägt nicht. Sie ist nichts anderes als ein Mythos.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf)

Das Bild, das manchmal gezeichnet wird – ja, da geht es um warme Wäsche für die Truppe, da geht es um die einfachste Ausrüstung für die Soldatinnen und Soldaten –, ist doch auch nicht ganz richtig. Es geht um bewaffnete Drohnen, es geht um Kampfflugzeuge, es geht um atomwaffenfähige Tarnkappenbomber. All das droht eine neue Spirale der Aufrüstung in Gang zu setzen.

Die offenkundigen Probleme bei der Aufrüstung der Bundeswehr liegen doch nicht am fehlenden Geld. In den letzten Jahren ist so viel Geld in die Taschen von dubiosen Beraterfirmen geflossen. Wer die Ausrüstung der Bundeswehr verbessern will, der könnte doch einmal auf die Idee kommen, am Beschaffungswesen etwas zu ändern, statt einfach immer nur mit Geld zu werfen.

Die pauschale Bereitstellung von 100 Milliarden € wird doch nicht zu einem effizienteren Mitteleinsatz führen. Es liegt doch klar auf der Hand, dass die Rüstungsindustrie die Gunst der Stunde nutzen wird, um hohe Preise zum Nachteil für die öffentliche Hand aufzurufen. Meine Damen und Herren, das hat mit einem soliden Umgang mit Finanzen überhaupt nichts zu tun.

(Beifall DIE LINKE)

Da auch eingefordert wurde, zu berücksichtigen, dass wir im Hessischen Landtag sind: Dann lassen Sie uns doch über die Schwenks von Parteien bei dem Thema Sondervermögen reden. Nehmen wir einmal die CDU im Bund. Während man beim Klimaschutz und der Transformation noch ohne Weiteres bereit war, gegen Sonderhaushalte zu klagen, verhandelt man jetzt bei der Bundeswehr mit der Ampelregierung sogar über eine gemeinsame Grundgesetzänderung.

Ich erinnere mich noch ganz gut an die letzten Jahre im Hessischen Landtag, wo SPD und FDP das Corona-Sondervermögen erbittert abgelehnt haben, auch wegen des Jährlichkeitsprinzips des Haushalts. Jetzt unterstützen Sie ein Sondervermögen im Bund von 100 Milliarden €, das auch noch im Grundgesetz verankert werden soll. Das ist nichts anderes als ein Widerspruch zum Demokratieprinzip bei der Haushaltsführung. Meine Damen und Herren, das müssen Sie wirklich einmal erklären.

(Beifall DIE LINKE)

Am Ende steht doch eine ganz entscheidende Frage. Statt die nächsten Jahre zu einem Jahrzehnt von überteuerter Hochrüstung werden zu lassen, sollte die Bundesrepublik sich besser für humanitäre Hilfe für die Ukraine, für Wideraufbau und für einen sofortigen Schuldenschnitt für das Land einsetzen. Was könnten wir auch hierzulande alles mit den 100 Milliarden € machen: Die Mittel würden reichen, um Schulen zu sanieren, um in Krankenhäuser zu investieren und marode Brücken wieder instand zu setzen. Man könnte ein Sondervermögen für die Energiewende anlegen. Das wäre gut für das Klima und würde uns helfen, wirklich unabhängig von Autokraten zu werden, egal welcher Couleur. Auch das ist dringend notwendig, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Am Ende gibt es sicher mehr als 100 Ideen, was wir besseres mit 100 Milliarden € anfangen könnten. Ja, wir brauchen eine Zeitenwende, aber keine Zeitenwende für Aufrüstung, sondern eine für soziale Gerechtigkeit und Solidarität. Deswegen sollte das Land Hessen die Verankerung dieses Sondervermögens im Grundgesetz im Bundesrat ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)