Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske – Ländliche Räume: Konsequente Politik statt Worthülsen zu Wahlkampfzwecken

Jan SchalauskeKommunalesLandwirtschaft und TierschutzSoziales

In seiner 141. Plenarsitzung am 20. Juli 2023 diskutierte der Hessische Landtag über einen Antrag der SPD zur Durchführung einer Aktuellen Stunde mit dem Titel „Förderprogramme für den ländlichen Raum reichen nicht aus – Landesregierung muss in Hessen gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen!“. Dazu die Rede unseres Fraktionsvorsitzenden Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Mit Blick auf die hier soeben gehaltene Rede und die Äußerungen will ich als jemand, der mitunter auch im ländlichen Raum unterwegs ist, ganz klar sagen: Statt eines von Hass und

Ressentiments getränkten Zerrbilds der Wirklichkeit

(Zurufe AfD: Oh, oh, oh!) bin ich froh und dankbar, dass ich im ländlichen Raum viele Menschen antreffe und erlebe, die sich tagtäglich für die Rechte von Geflüchteten einsetzen, die sich für den Ausbau von erneuerbaren Energien einsetzen und die sich auch im ländlichen Raum für ein gutes und friedliches Zusammenleben aller Menschen einsetzen – unabhängig davon, wie lange sie an einem der Orte leben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich komme zum Thema der Aktuellen Stunde zurück. Es geht um gleichwertige Lebensverhältnisse im ländlichen Raum. Das ist das Ziel der Landesentwicklungsplanung, des Landesentwicklungsplans. Das Problem ist: Es wird viel darüber gesprochen, einiges geschrieben, aber viel zu wenig getan. Schwarz-Grün ist regelmäßig dabei, Rekordfördersummen zu versprechen, neue Förderprogramme zu starten, ohne aber vorher einmal zu prüfen, ob die bisherigen Förderprogramme überhaupt funktioniert haben. Nordhessen wurde vom Ministerpräsidenten zur Chefsache erklärt. Eine Schieflage im Kabinett, was die regionale Verteilung angeht, wird aber weitergeführt.

Sie sprechen davon, es gebe einen vermehrten Zuzug aufs Land, und das sei der Erfolg der hessischen Landespolitik, obwohl wahrscheinlich eine der großen Ursachen dafür die Mieten und die Wohnungskrise in den Großstädten sind, gegen die die Landesregierung kaum etwas unternimmt.

Ministerpräsident Rhein talkt in den Gasthäusern, in den Wahlprogrammen von CDU und GRÜNEN wird der ländliche Raum als Handlungsfeld beschworen – gerade so, als würde die CDU nicht seit bald 25 Jahren in Regierungsverantwortung sein, davon seit fast zehn Jahren als schwarz-grüne Koalition. Worthülsen zu Wahlkampfzwecken, Selbstbeweihräucherung – das sind wir von der schwarz-grünen Landesregierung gewohnt.

(Manfred Pentz (CDU): Weil ihr euch im Büro versteckt!)

Aber was tun Sie denn wirklich für den ländlichen Raum und für gleichwertige Lebensverhältnisse?

(Zuruf CDU: Vieles!)

Wir erinnern an die Gesundheitspolitik. Sie unterstützen eine Gesundheitspolitik, bei der in den letzten Jahren und Jahrzehnten reihenweise Geburtenstationen und Kliniken im ländlichen Raum dichtmachen mussten. Dabei wird die wohnortnahe Gesundheitsversorgung immer weiter durch Sie abgebaut. In einer alternden Gesellschaft müsste gerade jetzt Gesundheit für alle erreichbar sein, z. B. durch flächendeckende Gesundheitszentren und durch Pflegeeinrichtungen in öffentlicher oder genossenschaftlicher Hand. Meine Damen und Herren, das wäre eine wirkliche Förderung für den ländlichen Raum.

(Beifall DIE LINKE)

Oder nehmen wir das Thema Wohnen. Ich war vor einigen Wochen beim runden Tisch „Bezahlbarer Wohnraum im Vogelsberg“; Sie haben richtig gehört: bezahlbarer Wohnraum im Vogelsberg. In Alsfeld, in Lauterbach, aber auch in kleineren Städten und in ländlichen Kreisen werden mittlerweile dringend bezahlbare Mietwohnungen gesucht. Was hat aber die schwarz-grüne Landesregierung getan? Sie hat jahrelang Tausende Wohnungen und insbesondere über 5.000 öffentlich geförderte Wohnungen der Nassauischen Heimstätte vor allem im ländlichen Raum verkauft. Das war keine Förderung des ländlichen Raums. Auch da brauchen wir bezahlbare Mietwohnungen.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Oder nehmen wir das Thema Verkehr. Man kann über Bürgerbusse und über Mobility-on-Demand als nette Ergänzungen reden; aber es braucht doch wirklich eine garantierte Mobilität für alle Menschen, auch für diejenigen, die kein Auto haben. Statt sich wirklich um einen flächendeckend ausgebauten, gut getakteten, bezahlbaren und klimaschonenden ÖPNV zu kümmern, machen Sie was? Sie haben noch nicht einmal eine einzige Bahnstrecke im ländlichen Raum reaktiviert. Stattdessen bauen Sie im 21. Jahrhundert weiter munter Autobahnen durch die Landschaft wie die A 49 in Mittelhessen;

(Holger Bellino (CDU): Ja, so ist das!) das ist doch keine Förderung des ländlichen Raums.

(Beifall DIE LINKE – Holger Bellino (CDU): Doch, selbstverständlich!)

Ein letztes Beispiel: Wenn Sie wirklich etwas für den ländlichen Raum und gegen ungleiche Lebensverhältnisse tun wollen, dann schaffen Sie zuallererst endlich die unsozialen, die ungerechten und die aus der Zeit gefallenen Straßenbeiträge ab, meine Damen und Herren von den die Regierung tragenden Fraktionen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oh! – Zuruf Alexander Bauer (CDU) – Weitere Zurufe)

Das würde den Menschen vor Ort im ländlichen Raum direkt helfen, und zwar deutlich mehr als der nächste Aktionsplan mit Hochglanzbroschüre.

(Fortgesetzte Zurufe – Glockenzeichen)

Wir als LINKE wollen ein solidarisches Hessen, in dem jeder und jede da wohnen und leben kann, wo er oder sie leben und wohnen möchte. Wir wollen gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land mit sozialer Infrastruktur und Gesundheitsversorgung.

Dafür brauchen wir eine soziale, eine ökologische und eine gerechte Politik in der Stadt und auf dem Land. Machen wir Hessen gerecht.

(Beifall DIE LINKE)