Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske: Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel abschaffen – keine Steuergeschenke für Reiche

Jan SchalauskeHaushalt und Finanzen

In seiner 117. Plenarsitzung am 13. Oktober 2022 diskutierte der Hessische Landtag zum sogenannten Inflationsausgleichgesetz. Dazu die Rede unseres Vorsitzenden und finanzpolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Lassen Sie uns einmal darüber reden, warum denn eigentlich diese Aktuelle Stunde der FDP heute stattfindet. Die FDP hat nämlich ein Problem. Sie regiert im Bund mit zwei Parteien, die von den FDP-Wählern als viel zu links wahrgenommen werden. Jetzt geht in der FDP die große Sorge um, die Wähler könnten auch die FDP als viel zu links wahrnehmen.

(Zurufe Freie Demokraten – Robert Lambrou (AfD): Die kommen zu uns!)

Also muss die FDP versuchen, wieder ihr Profil zurückzugewinnen. Und das versucht sie, indem sie am besten ganz offensichtlich durchschaubar das macht, was sie am besten kann: nämlich glasklare marktradikale Politik aus der extremen Mitte, um die Stammklientel bei Laune zu halten.

(Demonstrativer Beifall Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten))

Deshalb werben Sie heute im Landtag für ein Bundesgesetz Ihres Finanzministers, mit dem angeblich die kalte Progression bekämpft werden soll und angeblich die Menschen in der Krise entlastet werden sollen.

Jetzt hat niemand etwas dagegen, die Menschen in der Krise zu entlasten, nämlich die, die dringend darauf angewiesen sind. Das fordern wir von den Regierenden im Bund und im Land seit Wochen; das ist Ihnen nur leider nicht aufgefallen.

Im Übrigen kritisieren wir die schwarz-grüne Landesregierung dafür, dass sie in ihrem Verantwortungsbereich überhaupt nichts liefert. Die besten Entlastungen wären auch dauerhafte Unterstützungen, statt Einmalzahlungen, die verpuffen. Eine wichtige Entlastung wäre ein richtiger Gaspreisdeckel, der ab sofort gilt und nicht erst, wenn Herbst und Winter vorbei sind, mit Grundkontingent und sozial ausgewogen. Die beste Entlastung wäre endlich eine Anschlusslösung für das 9-€-Ticket, das Mobilität für so viele Menschen sichergestellt hat.

(Beifall DIE LINKE)

Leider geht es der FDP überhaupt nicht darum, wenn es um Entlastung geht. Das, was Ihnen mit Ihrem Bundesfinanzminister Lindner in Berlin beim Thema Entlastung einfällt, sind Steuersenkungen für Reiche. Ich will Ihnen auch erklären, warum.

Die FDP schreibt zwar, es würden 48 Millionen Menschen in Deutschland profitieren. Was bedeutet das aber im Umkehrschluss? Das bedeutet, dass 35 Millionen Menschen von dieser Entlastung rein gar nichts haben. Das sind ausgerechnet die Menschen mit geringem Einkommen. So viel zum Thema gerechte und soziale Ausgestaltung, Herr Kollege Rudolph.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten))

Knapp 70 % der rund 10 Milliarden €, die Lindners Vorschlag kosten würde, werden den 30 % der Menschen mit dem höchsten Einkommen zugutekommen. Das reichste Drittel profitiert am meisten von diesem Steuergeschenk, durchgesetzt von der FDP. Die 40 % der Menschen mit dem geringsten Einkommen werden dagegen wenig bis gar nichts von diesem Inflationsausgleich haben.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Die extreme Mitte!)

Das ist ein Vorschlag der extremen Mitte, der Marktradikalen aus der extremen Mitte.

(Lachen Freie Demokraten)

Der Vorschlag ist auch keine Entlastung für breite Teile der Bevölkerung, sondern es ist eine Steuersenkung zugunsten von Besserverdienenden. Klar, dass die FDP so etwas will;

(Zuruf Wiebke Knell (Freie Demokraten))

bedauerlich, dass SPD und GRÜNE das mitmachen. DIE LINKE lehnt solche Vorschläge auf jeden Fall deutlich ab.

(Beifall DIE LINKE)

Das reicht Ihnen noch nicht. Sie wollen zukünftig die Einkommensteuer regelmäßig an die Inflation anpassen. Die Inflationsrate frisst gerade die Löhne auf, die Energiepreise explodieren, und Sie stellen so eine absurde Forderung auf. Sie wollen, dass die Steuern für die Reichen sinken, weil der Gaspreis sich vervielfacht. Das muss man sich einmal vorstellen.

Natürlich könnte man auch darüber reden, wie man die Steuern für kleine und mittlere Einkommen senkt, allerdings nicht mit einer Steuersenkung, die vor allem bei hohen Einkommen ankommt. Gerade in der Krise könnte der Staat auch mehr tun, um inflationsbedingte Steuermehreinnahmen vor allem Menschen mit geringem Einkommen zurückzugeben.

Man könnte darüber reden, vielleicht die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel auf null zu senken. Das würde Menschen mit kleinem und geringem Einkommen direkt helfen. Deren Problem ist nicht der Spitzensteuersatz, sondern dass die Butter um 49 %, Speiseöl um 81 % und Mehl um 34 % teurer geworden sind.

(Zuruf AfD)

Den Menschen, denen Butter und Brot zu teuer werden, will jetzt die FDP die Steuern für die Reichen senken. Ich sage es noch einmal: Das ist der marktradikale Extremismus der selbst ernannten Mitte;

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Der extremen Mitte!)

der findet unseren Widerstand.

(Beifall DIE LINKE)

Das muss zum Wohle der Menschen verhindert werden. Es gibt Alternativen zur Steuerpolitik dieser hektisch gelb blinkenden Ampel in Berlin. Das sind gezielte Entlastungen für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, für die Mehrheit der Bevölkerung. Die aber haben die Marktradikalen nicht im Blick, und für deren Entlastung werden wir hier weiter kämpfen. Deswegen lehnen wir diesen Antrag eindeutig ab.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf J. Michael Müller (Lahn-Dill) (CDU) – Stefan Müller (Heidenrod)

(Freie Demokraten): Wenn das der Verfassungsschutz gehört hat!)