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Rede

Jan Schalauske - Öffentliche Investitionsmittel zementieren die Privatisierung: UKGM gehört zurück in die öffentliche Hand

Jan SchalauskeGesundheitHaushalt und FinanzenWirtschaft und Arbeit

In seiner 95. Plenarsitzung am 03. Februar 2022 debattierte der Hessische Landtag zum Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM). Dazu die Rede unseres Vorsitzenden und Marburger Abgeordneten Jan Schalauske.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Bereitstellung von öffentlichen Investitionsmitteln durch das Land Hessen ist nicht weniger als das Eingeständnis, dass die Privatisierung unseres Universitätsklinikums GießenMarburg vor 16 Jahren – fast genau auf den Tag – durch eine CDU-geführte Landesregierung krachend gescheitert ist.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

In einem europaweit einmaligen Vorgang verscherbelte CDU-Ministerpräsident Roland Koch ein ganzes Universitätsklinikum für den Bruchteil seines eigentlichen Wertes und gegen den breiten Protest einer ganzen Region. Der Schnäppchenpreis von damals 112 Millionen € wurde damit gerechtfertigt – Frau Kollegin Dr. Sommer hat darauf hingewiesen –, dass der private Betreiber, die Rhön Aktiengesellschaft, auf öffentliche Investitionsmittel verzichtete. Der Konzern brüstete sich in aller Deutlichkeit damit, er könne das Klinikum besser betreiben als das Land.

Was müssen wir heute feststellen? Dieses Geschäftsmodell, die massive Ausweitung von Fallzahlen, die kreditfinanzierten Investitionen in den Gebäudebestand und die kräftigen Renditen für die Aktionäre auf dem Rücken von Beschäftigten und Patienten zu erwirtschaften, ist nicht aufgegangen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wenn ein milliardenschwerer Konzern, der Millionengewinne macht, jetzt nicht einmal in der Lage ist, medizinisch notwendiges Gerät zu kaufen, dann ist das doch das absolute Eingeständnis des Scheiterns. Wie das bei Privatisierungen so oft ist: Wenn es im Sinne der Investoren nicht so richtig rundläuft, dann wird eben nach öffentlichen Geldern gerufen. Dabei sind bis heute – das ist noch gar nicht gesagt worden – noch nicht einmal alle bereits bestehenden Investitionsverpflichtungen durch den Konzern eingelöst worden.

Es ist zumindest fraglich, ob der Konzern hierauf überhaupt ein Recht hätte. Das geben Sie von CDU und GRÜNEN in Ihrem Antrag, den Sie vorgelegt haben, auch zu. Nur, eine Auseinandersetzung über die Frage, ob dieses Anrecht überhaupt besteht, haben Sie sich nicht zugetraut, so wie Sie es in Ihrem Entschließungsantrag offenherzig bekunden. Ein Streit mit Asklepios – so schreiben Sie – würde zu „Verunsicherung und zu Belastungen“ führen. Nein, meine Damen und Herren, nicht ein etwaiger Streit mit Asklepios würde zu Belastungen und Verunsicherung führen, sondern die Privatisierung und die daraus resultierenden Zustände führen zur Verunsicherung und Belastungen von Beschäftigten, Patienten und der Bevölkerung in der Region.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Man muss sich das einmal vorstellen: Unter einer grünen Wissenschaftsministerin, die nach eigenen Angaben immer gegen die Privatisierung gewesen ist, wird die Privatisierung nicht nur nicht rückgängig gemacht, sondern sie wird auf weitere zehn Jahre zementiert. Eine grüne Wissenschaftsministerin macht über 450 Millionen €, das 4,4-Fache des Kaufpreises, für Deutschlands größten Klinikkonzern locker und bekommt dafür nicht einmal eine 1-prozentige Erhöhung der Anteile des Landes. Die Anteile werden nicht erhöht, der öffentliche Einfluss nicht systematisch ausgebaut. Das Klinikum bleibt in der Hand einer Aktiengesellschaft und Spielball auf den Finanzmärkten. Bei solch einem Deal fragt selbst die wirtschaftsnahe „FAZ“ die grüne Wissenschaftsministerin: „Wieso soll der Minderheitseigner mehr investieren als der Haupteigentümer?“

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Meine Damen und Herren, am UKGM – alle, die mit den Kolleginnen und Kollegen sprechen, wissen das – geben Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte, Kolleginnen und Kollegen in der Reinigung, in der Küche oder in der Verwaltung, Medizinstudierende sowie Tätige in Forschung und Lehre tagtäglich unter ganz schwierigen Bedingungen ihr Bestes für unsere Gesundheitsversorgung. Sie haben es verdient, dass sich die Landesregierung endlich ihrer Belange annimmt und es nicht dabei bewenden lässt, wie es SchwarzGrün macht, zu sagen: Das machen wir doch. Es sind mit diesem Deal Sicherheiten für die Beschäftigten erreicht worden. – Die Wahrheit ist: Sie haben die bereits bestehenden Verpflichtungen verlängert, die Verpflichtungen aus der Vereinbarung aus dem Jahr 2017. Das haben Sie sich sehr teuer erkauft. Eine Ausweitung der Maßnahmen gegen den Pflegenotstand, die Stärkung und Weiterentwicklung von Tarifverträgen oder die Rückholung bereits ausgegliederter Bereiche, all das ist nicht erfolgt. Es gibt keine Verbesserungen für die Beschäftigten, lediglich ein Festschreiben des Status quo; und das ist viel zu wenig.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Sie können sich auch nicht mit der Wiederaufnahme der Change-of-Control-Klausel herausreden, weil diese jetzt eineinhalb Jahre zu spät kommt. Sie wollen doch das Klinikum gar nicht zurückkaufen. Weshalb schreiben Sie eine Change-of-Control-Klausel hinein, wenn Sie gar nichts dafür tun, das Klinikum wieder in öffentliches Eigentum zurückzuführen? Wir haben eine Petition, die von 18.000 Menschen unterschrieben wurde. Wir haben ein Gutachten, das besagt, wie auf der Basis des Grundgesetzes und der Hessischen Verfassung eine Rückführung möglich ist; und dafür werden wir uns als LINKE weiter einsetzen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)