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Rede

Jan Schalauske - Privatisierung des UKGM war, ist und bleibt ein Fehler

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In seiner 122. Plenarsitzung am 07. Dezember 2022 diskutierte der Hessische Landtag zu unserem Antrag "Gezerre um die Zukunft des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM) belegt: Die Privatisierung war, ist und bleibt ein Fehler, der rückgängig gemacht gehört". Dazu die Rede unseres Fraktionsvorsitzenden Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Wer in den letzten Wochen am Uniklinikum Gießen und Marburg, am UKGM, unterwegs gewesen ist, mit Beschäftigten und Patienten ins Gespräch gekommen ist, der konnte einen Eindruck davon gewinnen, wie schwierig die Bedingungen am privatisierten Krankenhaus sind.

Bei einer Warnstreikaktion der Gewerkschaften in Marburg berichteten zwei Pflegerinnen, die auf der Intensivstation arbeiten, dass es aufgrund von Überbelegung immer wieder zu Situationen komme, die die Patienten gefährden. Zwei Auszubildende aus der Pflege berichteten über katastrophale Zustände. Eine Kollegin sagte, ihre Arbeit sei mehr Ausbeutung als Ausbildung. Ein anderer schilderte, wie er als Auszubildender im ersten Lehrjahr sich alleine um einen intensivpflichtigen Patienten kümmern musste.

Meine Damen und Herren, ich würde mir wünschen, dass diese Stimmen auch im Hessischen Landtag mehr Gehör finden würden.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Bei diesen Kundgebungen war die Sorge spürbar, sie war greifbar, dass weitere Bereiche im Krankenhaus zukünftig ausgegliedert werden könnten, etwa im Transport, in der Küche oder in der Verwaltung. Aber die Botschaft der versammelten Kolleginnen und Kollegen war eindeutig: Krankenhaus ist Teamarbeit. Zum Funktionieren eines Krankenhauses gehören alle Berufsgruppen. Deswegen darf es zukünftig kein weiteres Outsourcing am UKGM geben. (Beifall DIE LINKE)

Es war am Klinikum mit den Händen zu greifen, wie das Gezerre um die Vereinbarung zwischen Land und Konzern die Menschen in der Region erheblich verunsichert hat. Klar, das Agieren des Konzerns, trotz erheblicher Zugeständnisse des Landes in Form von öffentlichen Investitionsmitteln in Höhe von einer halben Milliarde Euro durch die Kündigung der bestehenden Vereinbarung die Landesregierung immer weiter in die Ecke zu treiben, war völlig inakzeptabel. Wir fanden es richtig, dass die Landesregierung hier klar geblieben ist und dem Konzern nicht noch weiter entgegengekommen ist.

Meine Damen und Herren, zur Wahrheit gehört doch auch: Das Land hat sich selbst erst erpressbar gemacht. Warum? Weil vor über 16 Jahren unser Uniklinikum Gießen und Marburg an eine börsennotierte Aktiengesellschaft verkauft worden ist.

(Stephan Grüger (SPD): Verscherbelt worden ist!)

Deswegen sagen wir: Diese europaweit einmalige Privatisierung durch eine CDU-geführte Landesregierung war, ist und bleibt ein gravierender Fehler, der endlich rückgängig gemacht gehört.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Verehrter Herr Kollege May von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, eine Fraktion, die in der Opposition Unterschriften gegen diese Privatisierung gesammelt hat und die dann, nachdem sie in die Regierung eingetreten ist, sagt, man kann daran überhaupt nichts mehr ändern, die soll hier niemandem etwas von Kurshalten und von Beständigkeit erklären.

(Lebhafter Beifall DIE LINKE und SPD)

So viel zu den GRÜNEN. – Dann kommen wir zur Hessen-CDU. Sie wollen die Rückführung nicht. Das ist ja klar. Sie haben uns das Ganze eingebrockt. Die CDU in der Region sieht das durchaus anders. Das muss der Kollege Bamberger dann mit sich selbst ausmachen.

(Dirk Bamberger (CDU): Das macht er!)

Er hat sich mehrfach für die Rückführung in öffentliche Hand ausgesprochen. Es gibt zahlreiche parteiübergreifende Beschlüsse von kommunalen Gremien aus Mittelhessen, getragen von Fraktionen von LINKEN, SPD, GRÜNEN und teilweise bis zur CDU.

Was ich aber auch nicht verstehe: Die Rhön AG, diese börsennotierte Aktiengesellschaft, gibt ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag, wonach dem privatisierten Uniklinikum öffentliche Investitionsmittel zustünden, und setzt das Land damit massiv und öffentlich unter Druck. Im Übrigen hat die Landesregierung das 2006 ganz anders erzählt. Damals hat sie gesagt, der private Betreiber bräuchte keine öffentlichen Investitionsmittel. Er würde zukünftig keine mehr bekommen. Das war auch die Begründung für den minimalen Kaufpreis von nur 112 Millionen €, für die man ein ganzes Uniklinikum verkauft hat.

Aber was macht das Land? Es wird so von dem Konzern erpresst, und es unternimmt nichts Vergleichbares. Im Gegenteil, mit der fortwährenden Beteuerung, man könne die Privatisierung nicht rückgängig machen – der Kollege May hat es für die GRÜNEN schon wieder gesagt –, haben Sie sich grundlos und sinnlos in eine schwache Verhandlungsposition manövriert. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall DIE LINKE und SPD – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gott sei Dank waren Sie bei den Verhandlungen nicht dabei!)

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Herr Schalauske, kommen Sie bitte zum Schluss?

Jan Schalauske (DIE LINKE):

Ja, ich muss zum Schluss kommen. – Die Streiks und Aktionen der letzten Wochen zeigen, dass der Druck aus der Gesellschaft gewirkt hat. Ich kann nur hoffen, dass die Vereinbarung mit dem Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen und der Übernahme von Auszubildenden auch eingehalten wird, dass das auch so kommt. Ich mache mir große Sorgen um die Hintertür, die bei der Ausgliederung offen gelassen wird.

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Herr Schalauske, bitte letzter Satz.

Jan Schalauske (DIE LINKE):

Letzter Satz. – Ich kann nicht verstehen, warum man einem Konzern 500 Millionen € in Aussicht stellt, ohne den Einfluss des Landes auch nur um 1 % zu erhöhen. Das ist ein Fehler.

(Beifall DIE LINKE)