Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske - Sozialökologischer Politik- statt Personalwechsel

Jan SchalauskeRegierung und Hessischer Landtag

Am 7. Juni 2022 gab der neue Ministerpräsident Boris Rhein in einer Sondersitzung des Hessischen Landtag seine erste Regierungserklärung ab. Unser Vorsitzender Jan Schalauske antwortete darauf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In der Tat blicken in diesen Tagen viele Menschen mit großen Sorgen und Ängsten in die Zukunft. Fast ein Drittel der Bevölkerung bangt nach aktuellen Umfragen um seine Lebensbedingungen.

Viele Dinge des täglichen Bedarfs haben sich massiv verteuert. Butter kostet inzwischen über 2,50 €, Sonnenblumenöl 5 €, Milch im Discounter über 1 €. Die nicht nur in Hessen beliebten Erdbeeren und Spargel werden für viele zum Luxusgut.

Viele Menschen fragen sich mit Blick auf die weiter steigenden Spritpreise, wie sie ihre Tankrechnung noch bezahlen sollen. Viele fürchten sich vor dem Herbst und vor dem Winter, weil sich dann die Frage stellt, ob sie sich noch leisten können, ihre Wohnung zu heizen.

Ich habe in den letzten Tagen mit vielen Menschen sprechen können, die sich Sorgen machen. Einige haben sich ein 9-€-Ticket besorgt und haben gesagt: Das ist eine gute Sache in der Stadt. Aber was nützt mir das Ticket, wenn ich auf dem Land lebe? Was nutzt mir das Ticket, wenn der Bus nicht kommt?

Auf Twitter erleben wir, wie viele Menschen unter dem Hashtag „#IchBinArmutsbetroffen“ mutig und offen schildern, wie Armut in diesem reichen Land eigentlich aussieht. Sie berichten von Scham, von Ausgrenzung, von dem Gefühl, den eigenen Kindern nichts mehr bieten zu können, und von Ohnmacht und Wut über diese Zustände.

Deswegen sage ich: Meine Damen und Herren, nehmen Sie diese Probleme, nehmen Sie diese Menschen endlich ernst.

(Beifall DIE LINKE)

Seit Jahren erleben wir eine gravierende soziale Schieflage, aber aktuell steuern wir in eine soziale Katastrophe unbekannten Ausmaßes.

Wenn Sie, Herr Rhein, als neuer Hessischer Ministerpräsident bei Ihrer ersten Regierungserklärung die sozialen Probleme erst ganz zum Schluss benennen, dann ist das nicht nur eine falsche politische Prioritätensetzung, sondern auch ein politisches Armutszeugnis für diese schwarzgrüne Landesregierung;

(Beifall DIE LINKE) denn wir brauchen jetzt entschlossene Maßnahmen, um Menschen vor dem sozialen Abstieg und auch vor Armut zu schützen.

Das wird aber eben nicht gemacht. Im Gegenteil, die Inflation liegt bei 8 % – und sogar darüber –, aber die Hartz-IVRegelsätze wurden in diesem Jahr um ganze 0,7 % erhöht. In Hessen sind die Tafeln mittlerweile völlig überlastet, weil die Nachfrage rapide steigt und die Zahl der Lebensmittelspenden abnimmt.

Obwohl die Altersarmut seit Jahren ein großes Problem ist, gehen 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner beim Energiegeld leer aus, und der Tankrabatt füllt vor allem die Taschen der Mineralölkonzerne – auf Kosten der Steuerzahler.

In dieser Situation ist es eben ein Problem, dass wir nicht nur in Berlin eine Regierung haben, die eher kein Zukunftsprojekt ist und schon bei der Bewältigung der Probleme der Gegenwart versagt, sondern dass wir auch in Hessen eine Landesregierung mit einem Hessischen Ministerpräsidenten haben, bei dem das Thema soziale Sicherheit erst – wenn überhaupt – an allerletzter Stelle kommt. Das ist von der schwarz-grünen Landesregierung viel zu wenig.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Ministerpräsident, wenn Sie sagen, auch Sie wollen nicht, dass sich in dieser Krise einige wenige bereichern, wenn Sie wollen, dass notwendige staatliche Entlastungsmaßnahmen finanziert werden können: Dieses Thema steht in dieser Woche im Bundesrat auf der Tagesordnung. Stimmen Sie unserem heute gestellten Antrag zu, unterstützen Sie die Initiative der Bundesländer Bremen und Thüringen, gehen Sie voran, setzen Sie ein Zeichen für die Einführung einer Übergewinnsteuer, damit sich die Mineralölkonzerne in der Krise nicht bereichern. Da könnte jetzt auch Hessen mitgehen. Da könnten Sie ein Zeichen setzen. Legen Sie los.

(Beifall DIE LINKE)

In einer Situation, die von so vielen sozialen Ängsten und Sorgen geprägt ist, hilft es den Leuten, offen gesagt, wenig, wenn ein neuer Ministerpräsident gewählt wird, der nun sagt: Ab und an werde ich an den Haustüren der Leute klingeln. – Das erwarten wahrscheinlich wenige von einem Ministerpräsidenten, sondern sie erwarten, dass es eine Landesregierung gibt, die den Ungerechtigkeiten und den Unsicherheiten in diesem Land den Kampf ansagt. Da reicht es eben nicht, lediglich die Person an der Spitze auszutauschen, sondern man muss eine andere Politik machen.

Es ist in dieser Debatte zu Recht drauf hingewiesen worden: Der neue Ministerpräsident ist politisch kein Unbekannter. Herr Rhein, Sie sind seit 1999 Teil der von der CDU geführten Landesregierungen in diesem Land. Wenn man so will, sind Sie Fleisch vom Fleische der hessischen CDU. Das, was Sie heute hier vorgelegt haben, ist auch nichts anderes als alter Wein in neuen Schläuchen. Das ist ein schwarz-grünes „Weiter so“, und das reicht eben nicht aus.

(Beifall DIE LINKE)

Nach über achteinhalb Jahren ist es zu wenig, dies anzukündigen und das anzukündigen, so, wie Sie es in Ihrer Regierungserklärung gemacht haben: Klimaschutzgesetz, Landesaufnahmeprogramm usw. usf. Das alles hätte längst auf den Weg gebracht werden sollen. Nach mehr als acht Jahren Schwarz-Grün braucht es keine weiteren Ankündigungen. Die Menschen erwarten vielmehr Taten von dieser Landesregierung.

(Beifall DIE LINKE)

Dann kommen wir zum zentralen Versagen. Soziale Gerechtigkeit, Armutsbekämpfung – alles Leerstellen bei dieser Landesregierung. Die Zahlen sprechen da eine deutliche Sprache, und man muss sie auch für Hessen klar benennen. Die Zahl der Einkommensteuermillionäre wächst seit Jahren kontinuierlich. Gleichzeitig müssen jedes vierte Kind und jeder vierte Jugendliche in Armut leben, jede zweite Alleinerziehende in Hessen ist arm, und Hessen steht bei der Armutsquote an der Spitze der Flächenländer. Der Niedriglohnsektor breitet sich immer weiter aus.

Diese Entwicklungen haben wenig mit Corona zu tun. Diese Entwicklungen beobachten wir seit über zehn Jahren – auch in der Zeit der schwarz-grünen Landesregierung. Unsere Fraktion bleibt dabei: Für ein reiches Bundesland wie Hessen ist dieses unerhörte Ausmaß an Armut ein Skandal, mit dem wir uns nicht abfinden dürfen.

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt Maßnahmen, die Sie ergreifen könnten. Wie wäre es denn mit einem Landesvergabegesetz, das die Tariftreue wirklich achtet? Wie wäre es mit einem ambitionierten Maßnahmenpaket gegen die Kinder- und Jugendarmut? All das sind überfällige Maßnahmen, die wir jetzt brauchen. Davon findet sich kein Wort in Ihrer Regierungserklärung.

Eines der drängendsten sozialen Probleme ist die Wohnungsfrage. Die wurde bei Ihnen auch ziemlich zum Schluss angesprochen. Wer in den letzten Jahren versucht hat, im Ballungsraum eine bezahlbare Wohnung zu finden, hat es selbst erlebt: Seit Jahren kennen die Mietpreise in Hessens großen und mittleren Städten nur eine Richtung, und zwar nach oben. Der Mietenwahnsinn führt dazu, dass sich selbst Menschen mit einem durchschnittlichen Gehalt keine bezahlbare Wohnung mehr leisten können. Menschen mit geringen Einkommen müssen im Rhein-MainGebiet mehr als die Hälfte ihres verfügbaren Einkommens für die Miete ausgeben.

Während die einen ganz verzweifelt eine bezahlbare Wohnung suchen, betrachten andere Immobilien noch immer als die profitabelste Renditemöglichkeit. Die Jagd nach Betongold treibt die Preise für Grundstücke in schwindelerregende Höhen – auch für Immobilien –, und da rächt es sich eben, dass die Kommunen, aber auch das Land in der Vergangenheit Flächen und öffentliche Wohnungen verramscht haben. So war das auch in Hessen. Es bleibt ein Trauerspiel, dass die Hälfte der Hessinnen und Hessen Anspruch auf eine Sozialwohnung hat, dass unter einem grünen Wohnungsbauminister die Zahl dieser Sozialwohnungen – das gehört zur Wahrheit dazu – auf einem historischen Tiefstand verharrt und sich die Landesregierung hartnäckig weigert, ein Gesetz gegen Leerstand und Zweckentfremdung auf den Weg zu bringen.

Für uns als Fraktion ist klar: Damit dürfen wir uns nicht abfinden. Wohnen ist ein Menschenrecht. Es darf kein Spekulationsobjekt sein. Die Versorgung mit Wohnraum ist viel zu wichtig, als sie allein dem Markt zu überlassen. Deswegen brauchen wir eine wirkliche Offensive für den sozialen Wohnungsbau und für dauerhaft sozial gebundene Wohnungen.

(Beifall DIE LINKE)

Heute haben Sie, Herr Rhein, als neuer Ministerpräsident erklärt: Jede Hessin und jeder Hesse soll im Notfall innerhalb von 30 Minuten ein Krankenhaus erreichen können. – Aber da möchte ich Sie fragen: Wieso nur im Notfall und auf welchem Wege? Wir sind der Auffassung, jede und jeder muss mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb von 30 Minuten ein stationäres Angebot in der Gesundheitsversorgung erreichen können.

Wie das gehen kann, können Sie in unserem Gesundheitsplan aus dem Jahr 2020 nachlesen. Das haben wir genau hier vorgestellt. Leider gab es von einigen Fraktionskolleginnen und -kollegen nur Gelächter, und leider hat Schwarz-Grün 2020 einen Krankenhausplan verabschiedet, der einen anderen Kurs fährt. Ich weiß es gar nicht: Wie viele Kliniken sind eigentlich in den langen Jahren der CDU-Regierung in Hessen dichtgemacht worden?

(Zurufe CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber es waren viele. Seit 2008 wurde ein Drittel der Geburtsstationen in Hessen geschlossen. Von der Umsetzung der Beschlüsse des runden Tisches zur Hebammenversorgung hört man leider gar nichts mehr. Eine Hebamme für jede Gebärende – davon sind wir in Hessen meilenweit entfernt. Viele Menschen im ländlichen Raum sind genauso weit entfernt von einer passfähigen Gesundheitsversorgung.

Herr Ministerpräsident Rhein, deswegen: Nehmen Sie diese Realität zur Kenntnis, bevor Sie neue, zum Teil gar nicht so große Ankündigungen machen. Ein Krankenhausgipfel ist zwar schön, aber was man wirklich braucht, das sind eine solide Finanzierung und dauerhafte Investitionen in die hessischen Krankenhäuser.

(Beifall DIE LINKE)

Natürlich muss man auch ein paar Worte zur Corona-Politik verlieren. Wir wissen doch, dass im Herbst die nächste Welle kommt. Ihre Landesregierung – daran sind wir gewöhnt – wird dann überrascht sein, allen voran Kultusminister Lorz und Gesundheitsminister Klose. Es wird wieder nicht in allen Schulgebäuden Luftfilter geben, wir werden wieder einen Mangel an PCR-Test-Kapazitäten haben, die Impfkampagne scheint komplett zum Erliegen gekommen zu sein, und Sie suchen nicht einmal nach innovativen Wegen, um mehr Menschen zu erreichen. Wir werden sehen, dass Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen wieder vor massiven finanziellen Belastungen stehen und die Beschäftigten die nächsten Überlastungen erleben müssen.

Herr Ministerpräsident Rhein, vor diesem Hintergrund nützt es nichts, wenn die Landesregierung neue Förderprogramme für neue Pflegekräfte auflegt, wenn Sie im selben Moment nichts unternehmen, um die Arbeitsbedingungen so zu verbessern, dass die im Beruf stehenden Kolleginnen und Kollegen diesen auch ausüben können. Sie können gar nicht so viele neue Pflegekräfte finden, wie durch Überlastung und miese Löhne aus dem Beruf gedrängt werden. Es darf doch nicht sein, dass diejenigen, die sich um unser aller Gesundheit kümmern, durch ihre Arbeit selbst krank werden. Nein, warme Worte und Applaus reichen nicht aus.

(Beifall DIE LINKE)

Mehr Personal in der Pflege ist besser für alle, und hier ist die Landesregierung, allen voran der grüne Gesundheitsminister, gefordert. Aber nein, er liefert zu wenig.

Die schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege sind aber auch das Ergebnis einer Politik, die das Betreiben von Krankenhäusern und von Pflegeheimen vor allem betriebswirtschaftlichem Denken unterworfen hat. Wir finden uns nicht damit ab, dass mit der Gesundheitsversorgung und der Pflege von Menschen vor allem Profite gemacht werden sollen. Krankenhäuser gehören in öffentliche oder in gemeinnützige Hand.

Welch verheerende Folgen Privatisierungen haben können, können wir seit Jahren am privatisierten Uniklinikum Gießen und Marburg beobachten. Herr Ministerpräsident, auch da haben Sie damals die Hand gehoben. Heute, in der Regierungserklärung, haben Sie nichts dazu gesagt.

Während uns von verschiedenen Seiten immer wieder erklärt wird, man sei zwar gegen die Privatisierung, könne aber gar nichts ändern, sage ich: Wir haben ein Rechtsgutachten vorgelegt, das zeigt, wie das privatisierte Uniklinikum Gießen und Marburg wieder in öffentliches Eigentum zurückgeführt werden kann. Das freut auch den Finanzminister; denn dann hat er unter den Beteiligungen des Landes Hessen wieder mehr öffentliche Einrichtungen, die er verwalten kann. Wir sind der Meinung, dieses Klinikum gehört in öffentliches Eigentum zurückgeführt, und in diese Richtung werden wir weiter Druck machen.

(Beifall DIE LINKE)

Bessere Arbeitsbedingungen braucht es nicht nur in der Pflege, sondern auch in den Kitas. Es war beeindruckend, zu sehen, wie viele Tausend Kita-Beschäftigte, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behindertenhilfe und aus anderen sozialen Bereichen in Hessen in den letzten Wochen mit Streiks in den Sozial- und Erziehungsdiensten die klare Botschaft gesendet haben: Uns reicht es. Wir brauchen bessere Arbeitsbedingungen.

Meine Damen und Herren, da hätte man jetzt schon diese 1.000 praxisintegrierten Plätze gebraucht. Sie hatten die Zahl ursprünglich gesenkt, dann wieder auf 600 erhöht, und für 2023/2024 kündigen Sie jetzt 1.000 Plätze an. Aber wir hätten sie schon jetzt gebraucht, ebenso wie wir mehr Mittel für Personal, für eine vollständige Abschaffung der Gebühren – auch das gehört zur Bildungsgerechtigkeit – und mehr Investitionen in die Kindertagesstätten brauchen.

Die Corona-Pandemie hat auch die Missstände in unserem Bildungssystem offengelegt: in den Schulen fehlerhafte und nicht funktionierende Fenster, zum Teil bröckelnde Fassaden, ungenügende digitale Ausstattung, ein eklatanter Lehrermangel, zu wenige Schulpsychologen usw. Die Liste dessen, woran es in der hessischen Bildungspolitik unter Schwarz-Grün fehlt, ließe sich lange fortsetzen.

Die Schulpolitik, die der Kultusminister Lorz zu verantworten hat, der die Verantwortung immer wieder nach unten, auf die Schulen, die Lehrkräfte und die Schüler, abgeschoben hat, zementiert die soziale Spaltung der Gesellschaft, und sie wird den aktuellen Anforderungen an ein ausgleichendes, ein inklusives und ein modernes Schulsystem nicht gerecht. Wie Sie den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026 realisieren wollen, bleibt auch nach der Regierungserklärung Ihr Geheimnis.

(Beifall DIE LINKE)

Was wir aber dringend brauchen, sind mehr Investitionen seitens des Landes in gut ausgestattete, auch digital auf der Höhe der Zeit befindliche Schulen. Wir brauchen echte gebundene, rhythmisierte Ganztagsschulen. Wir wollen, dass alle Lehrkräfte endlich gleich gut bezahlt werden und dass das Grundschullehramt nicht länger ein Lehramt zweiter Klasse ist, und wir bleiben dabei, dass das dreigliedrige Schulsystem wirklich ausgedient hat. Alle Kinder müssen die gleichen Startvoraussetzungen ins Leben haben. Die frühe Aussortierung von vermeintlich schwachen Schülern nach der 4. Klasse ist und bleibt sozial ungerecht und muss ein Ende haben.

(Beifall DIE LINKE)

Früher waren auch die GRÜNEN einmal dafür.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist aber schon länger her!)

– Das ist schon sehr lange her, das stimmt. Aber das macht es nicht falsch, und deswegen ist es auch wichtig, sich weiter dafür einzusetzen.

Zur Bildungsgerechtigkeit gehört aber auch der Schulweg. Da bleibt es in Hessen eine gravierende Ungerechtigkeit, die viele Schülerinnen und Schüler auch spüren, dass die einen mit dem Schülerticket kostenlos durch ganz Hessen fahren können – wenn sie denn unter die Schülerbeförderung fallen –, während andere nicht einmal die Beförderung zur Schule bezahlt bekommen. Wir wollen, dass die Kosten für das Schülerticket endlich für alle übernommen werden. Das wäre auch ein weiterer wichtiger Beitrag zur Verkehrswende. Das beantragen wir jedes Jahr in den Haushaltsdebatten. Leider haben es auch die GRÜNEN immer abgelehnt.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer ist denn für die Schülerbeförderung zuständig? Das gibt es doch gar nicht!)

Aber was nicht ist, das kann noch werden, Herr Frömmrich.

Schwarz-Grün führt, wie Sie auch, häufig die Wörter „Verkehrswende“ und „Klimawandel“ groß im Munde. Dabei steuert Hessen gleichzeitig in eine massive Klimasackgasse. Wenn dann Sie, Herr Rhein, als neu gewählter Hessischer Ministerpräsident als erste öffentlich wahrnehmbare Amtshandlung ausgerechnet ankündigen, die IAA wieder nach Frankfurt holen zu wollen, zeigt das doch, welches Manöver das ist. Ihre Bekenntnisse zum Klimaschutz sind nichts anderes als Lippenbekenntnisse. Das zeigt sich auch mit dieser Ankündigung.

(Beifall DIE LINKE)

Dabei wäre ein wirksamer Klimaschutz so wichtig. Den brauchen wir: schnell wirkende Maßnahmen gegen die Klimakrise. Die Flutkatastrophe im Ahrtal, die Hitzesommer in Südeuropa im letzten Jahr – all das sind keine Vorboten des Klimawandels mehr, sondern wir sind mittendrin.

Was hat da eine Landesregierung unter grüner Beteiligung gemacht? Vor nicht einmal zwei Jahren haben Sie einen gesunden Mischwald zugunsten eines fossilen Autobahnprojekts, eines Planungsdinosauriers aus dem 20. Jahrhundert, roden lassen, gegen den Protest von Bürgerinitiativen, Umweltverbänden und den Menschen im Dannenröder Wald. Statt sich mit aller Kraft gegen diese falschen Projekte zu stemmen, bemühen die GRÜNEN ein ums andere Mal die vermeintliche Sachzwanglogik. So war es nicht nur bei der Rodung des Dannenröder Waldes, sondern auch beim Flughafenausbau in Frankfurt am Main und bei der Werra, ein schöner Schluss

(Heiterkeit)

– ein schöner Fluss –, nur leider sehr versalzen. Es wäre schön, wenn mit der Versalzung Schluss wäre. Leider geht sie mit Ihnen immer weiter.

(Beifall DIE LINKE)

Auch in Langen geht der Kiesabbau trotz der Gesetzesänderung immer weiter.

Dann heißt es immer, man soll mit öffentlichen Geldern ordentlich umgehen. Schauen wir uns das einmal beim verkehrsberuhigten Flughafen in Kassel-Calden an: Der öffentlichen Subventionierung wird kein Riegel vorgeschoben. Da freut sich der grüne Verkehrsminister vielleicht heimlich über fehlenden Fluglärm in Nordhessen, aber ich finde, mit öffentlichen Mitteln sollte man wirklich sorgfältiger umgehen.

(Beifall DIE LINKE)

Dann war heute die Energiewende länger ein Thema. Die Energiewende in Hessen, der hier so viel beschworene Fortschritt ist leider auch in Hessen eine Schnecke. Diese Schnecke des Fortschritts ist ziemlich grün. Im Jahr 2016, vor sechs Jahren, sind mehr Windräder genehmigt worden als in den darauffolgenden fünf Jahren zusammen. Diese Zahlen sind für einen grünen Energieminister wirklich sehr ernüchternd.

(Zuruf DIE LINKE)

Wenn man sich die Landesregierung anschaut, stellt man fest, dass sich die Freude darüber, dass Sie angekündigt haben, nachdem Sie es sechs Jahre lang verweigert haben, ein eigenes Klimaschutzgesetz vorzulegen – im Übrigen auch auf Druck der Opposition –, doch ziemlich in Grenzen hält. (Beifall DIE LINKE)

Aber – auch das darf hier einmal gesagt werden –: Was darf man denn von einer Partei erwarten, die ankündigt, mit aller Kraft aus Öl und Gas aussteigen zu wollen, und deren Bundesminister dann auf Shoppingtour geht, um umweltschädliches Frackinggas aus den USA zu organisieren oder Verträge mit Katar abzuschließen, das die Menschenrechte mit Füßen tritt? – Wahrscheinlich ziemlich wenig.

(Zuruf Stefan Müller (Heidenrod) (Freie Demokraten))

Zu befürchten ist aber – zurück nach Hessen –, dass die neuen Pläne, die Sie hier vorlegen, gar nicht so neu sind, dass sie auch wenig wirkungsvoll ausgelegt sein werden, so, wie es auch der Klimaschutzplan gewesen ist. Aufgrund der vielen vertanen Jahre muss gelten – uns rennt die Zeit davon; mit jedem Jahr, das vergeht, werden die Probleme gravierender –: Guter Klimaschutz ist schneller Klimaschutz, und guter Klimaschutz ist sozialer Klimaschutz. Von beidem findet sich bei Schwarz-Grün in Hessen eben leider wenig.

(Beifall DIE LINKE)

Sozialer Klimaschutz heißt, zu verhindern, dass die Klimakrise den Mieterinnen und Mietern aufgebürdet wird, dass die Menschen mit geringem Einkommen zur Kasse gebeten werden. Energetische Sanierung muss warmmietenneutral erfolgen, gerade auch bei der Nassauischen Heimstätte.

Sozialer Klimaschutz würde heißen, dass wir die Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr senken – und zwar dauerhaft –, dass wir im öffentlichen Nahverkehr Schritte in Richtung Nulltarif gehen. Fahren ohne Fahrschein: Das wäre wirkliche freie Fahrt für freie Bürger. Dagegen kann eigentlich niemand etwas haben – noch nicht einmal die FDP, die eben so gemeckert hat. Das 9-€-Ticket zeigt ja, was möglich wäre, wenn man wollte. Mit einer Befristung auf drei Monate bleibt es leider nicht viel mehr als ein Strohfeuer. Das Ticket ist gut, aber wo ist der Bus? Wir brauchen eine Senkung der Fahrpreise, und wir brauchen Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr.

(Beifall DIE LINKE)

Der ländliche Raum, den der Herr Ministerpräsident ins Feld geführt hat, ist doch in Hessen häufig dort, wo kein Bus mehr fährt, wo ich keinen vernünftigen Mobilfunkempfang habe und wo auch kein Zugang zu verlässlichem Internet ist. So viel im Übrigen zum Thema „gleichwertige Lebensverhältnisse in Hessen“. Auch da kommt von Schwarz-Grün viel zu wenig.

Als LINKE haben wir uns entschlossen, die Hauptforderung der Kampagne für ein Volksbegehren „Verkehrswende in Hessen“ zu unterstützen. Wir wollen ein flächendeckendes Liniennetz für Bus und Bahn, kürzere Fahrzeiten und einen besseren Takt. Aber dafür muss man eben auch die Ressourcen anders zuteilen, als es bisher der Fall war. Da reden wir über Milliarden und nicht über Milliönchen. Das muss uns eine Verkehrswende, das muss uns die Mobilität für alle Menschen wirklich wert sein.

(Beifall DIE LINKE)

Sozialer Klimaschutz ist nicht zuletzt auch der Einsatz für eine Transformation in der Arbeitswelt, in der Industrie. Das ist ein Thema, das der Ministerpräsident angesprochen hat. Aber da reicht es eben nicht, einen Dialog anzukündigen. Das ist nett, ist auch richtig und von den Gewerkschaften schon seit Jahren gefordert. Gut, dass er jetzt kommt. Aber die Landesregierung muss doch auch darlegen, mit welchen Inhalten sie diesen Dialog füllen will. Allein die Antriebsstränge bei den Automobilen auszutauschen, ist keine Perspektive. Wir müssen darüber reden, die Automobilindustrie in Mobilitätskonzerne umzubauen. Die Regierung muss ein Programm auflegen. Wir haben eine Holding vorgeschlagen. Auch die Gewerkschaften fordern eine Holding. Die Belegschaften müssen mitgenommen werden. Wir brauchen einen Ausbau der Mitbestimmung und eine Demokratisierung der Wirtschaft. Doch das alles können wir von Ihnen nicht erwarten. Wir müssen vor allem dafür kämpfen, dass die Kosten für all diese Projekte nicht auf die Beschäftigten und auf die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben abgewälzt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Im Klimaschutz brauchen wir also die Verkehrswende, mehr Geld für den öffentlichen Nahverkehr und für einen sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft. Das alles brauchen wir, um noch auf den 1,5-Grad-Pfad zu gelangen. Doch davon spürt man, allen Ankündigungen zum Trotz, bei dieser Landesregierung wenig.

Wofür wir im Übrigen auch mehr Geld brauchen – das sei auch gesagt –, ist die hessische Justiz. Der neue hessische Justizminister wird sich daran messen lassen müssen, dass er den Stellenaufbau, den er vorher in der Justiz und auch im Vollzug angemahnt hat, nun in seiner neuen Funktion auch realisiert. Denn es ist klar: Wir brauchen mehr Personal in der Justiz und auch im Vollzug.

(Beifall DIE LINKE)

Noch einmal zurück zum Klimaschutz. Ein anderes Problem ist, dass auch die Folgen des Klimawandels weltweit Millionen Menschen in die Flucht treiben. Aber nicht nur aufgrund des Klimawandels, auch aufgrund des Krieges, der Armut und des Elends als Folge einer ungerechten Weltwirtschaftsordnung müssen immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen. Aktuell fliehen infolge des schrecklichen Krieges Russlands gegen die Ukraine Hunderttausende Menschen aus der Ukraine, auch nach Deutschland. Es ist dem beeindruckenden Engagement der Bevölkerung zu verdanken, dass es trotz aller Probleme bisher so reibungslos geklappt hat.

Aber was wir uns doch fragen lassen müssen, ist: Warum werden die Rechte, die den Geflüchteten aus der Ukraine zu Recht gewährt werden, Geflüchteten aus Afghanistan oder aus Syrien, die auch vor Krieg geflohen sind, vorenthalten? Warum wird da mit zweierlei Maß gemessen? Für uns als LINKE ist deswegen klar: Es darf keine Geflüchteten erster und zweiter Klasse geben. Wir müssen die Menschen gleichbehandeln, und wir müssen sie aufnehmen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich habe jetzt gehört, dass der Ministerpräsident angekündigt hat, das Landesaufnahmeprogramm solle es noch in diesem Jahr geben. Wir warten nun schon seit der Verkündung des Koalitionsvertrags auf dieses Programm. Wir dürfen gespannt sein, ob Sie da endlich auf die Spur kommen. Aber was wir ebenso brauchen, ist eine Gesundheitskarte für Geflüchtete, damit alle Menschen, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, einen Zugang zur Gesundheitsversorgung in Hessen haben können. Für uns steht fest, dass Solidarität unteilbar ist – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Glaube oder sexueller Orientierung.

Wir müssen dann auch darüber reden, dass wir in Hessen ein großes Problem mit rechter Gewalt haben. Das zeigen nicht nur der schreckliche Mord an Walter Lübcke, der rassistische Terror von Hanau, der Überfall in Schlüchtern oder die Tat in Wächtersbach deutlich. Auch die hessische Polizei hat mit rechten Umtrieben zu kämpfen.

Auf unsere Nachfragen musste Innenminister Beuth einräumen, dass hessische Polizeibeamte in 67 rechten Chatgruppen aktiv gewesen sind. Unklar ist, wie groß das Ausmaß wirklich ist und wie viele tatenlos zugeschaut haben. Unklar ist, welche Rolle die hessische Polizei im „NSU 2.0“-Komplex gespielt hat. Wie ist sie etwa an private Daten von Seda Başay-Yıldız, Idil Baydar und Janine Wissler gekommen? Fast keine Woche vergeht, in der wir keine neuen Skandale rund um rechte Strukturen in der hessischen Polizei erleben müssen, sie ans Tageslicht kommen. Man muss es so klar sagen: Ein Teil der hessischen Polizei scheint ein echtes Sicherheitsproblem für Hessen zu sein. Der Verantwortliche dafür trägt einen Namen. Der Verantwortliche dafür sitzt im Innenministerium. Die Verantwortung dafür trägt der Innenminister Peter Beuth.

(Beifall DIE LINKE)

Es war der Innenminister, der sich im „NSU 2.0“-Komplex nach der Festnahme des mutmaßlichen Haupttäters schützend vor die hessische Polizei stellte und alle Verantwortung von den Beamten absprach. Es ist Innenminister Beuth, der die Öffentlichkeit immer nur scheibchenweise informiert und immer nur dann, wenn der öffentliche Druck zu groß wird. Es ist der Innenminister, der seit nunmehr über drei Jahren im Kampf gegen rechte Netzwerke in der hessischen Polizei versagt, der mauert, der versucht, unter den Teppich zu kehren, wo es nur geht.

Da stellt sich doch bei vielen Menschen die Frage: Ist dieser Innenminister nicht willens oder nicht in der Lage, rechte Netzwerke in der hessischen Polizei konsequent zu bekämpfen? Ich will mir nicht vorstellen, was schlimmer ist. Fakt ist aber: Investigative Journalisten, antifaschistische Recherchegruppen, die Nebenklage im „NSU 2.0“Prozess: Sie alle haben mehr für die Aufklärung rechter

Bestrebungen in der hessischen Polizei getan als dieser Innenminister.

(Beifall DIE LINKE)

Dann schauen wir uns noch einmal die Kette des Polizeiversagens in der Tatnacht des Anschlags von Hanau an; die wird nämlich immer länger: Versagen des Notrufs, unwürdiger Umgang mit den Überlebenden und Angehörigen der Opfer, und nun zeigt sich, auch der Einsatz am Täterhaus war ein Desaster. Über lange Zeit wurde das Täterhaus nur sehr lückenhaft abgesperrt. Damit nicht genug: Der Überwachungshubschrauber wurde überhaupt nicht über die Adresse des Täterhauses informiert und zuletzt sogar vom Funknetz abgehängt. Kein Wunder, dass sogar ein Polizist der Hubschrauberbesatzung über den Einsatz gesagt hat: „Totaler Müll“.

Ich frage Sie: Was muss eigentlich noch passieren, bis der Innenminister Peter Beuth, der immer wieder von einem „gelungenen Polizeieinsatz“ gesprochen hat, endlich Verantwortung für die lange Kette behördlichen Versagens übernimmt? Klar ist: Mit Peter Beuth an der Spitze des Innenministeriums wird es keine ehrliche Benennung von Versäumnissen und keine Aufklärung geben. Das ist die bittere Realität in Hessen.

(Beifall DIE LINKE)

Da möchte ich Sie, Herr Ministerpräsident Rhein, noch einmal an Ihre wirklich wichtigen Worte vom 2. Februar 2021 erinnern, als Sie den Angehörigen der Opfer des Terroranschlags von Hanau von diesem Pult aus zugerufen haben, dass der Anschlag von Hanau uns alle wachgerüttelt habe. Sie haben gesagt, dass der Anschlag uns die Augen geöffnet habe und dass er eine Zäsur war. Die Angehörigen hätten mit ihrem unermüdlichen Kampf für Erinnerung, für Aufklärung, für Gerechtigkeit und für Konsequenzen die notwendige Auseinandersetzung mit rassistischen Strukturen in unserer Gesellschaft wieder klar auf die Tagesordnung in allen Parlamenten gesetzt. Auch unsere Fraktion hat Ihnen für diese wichtigen Worte großen Beifall gespendet. Aber, Herr Ministerpräsident, wenn Sie dieses Versprechen ernst meinen, dann kann dieser Innenminister nicht länger Teil Ihres Kabinetts sein.

(Beifall DIE LINKE)

Peter Beuth ist eine Fehlbesetzung; und nach den jüngsten Enthüllungen ist er nicht länger tragbar.

Aber beim Kampf gegen rechts kann es nicht nur darum gehen, Köpfe auszutauschen. Wir müssen auch die Strukturen ändern. Denn, wer rechte Gewalt und rechten Terror beenden will, muss rechte Netzwerke erkennen, muss die Szene entwaffnen und muss Rassismus, Antisemitismus und allen anderen Formen der Menschenfeindlichkeit auf allen gesellschaftlichen Ebenen konsequenter entgegentreten.

Für uns ist deswegen klar: Ein Verfassungsschutz, der die extreme Rechte nicht ernst nimmt, der sich durch bezahlte Neonazis informieren lässt, der sie zum Teil selbst bezahlt, ist Teil des Problems und nicht Teil der Lösung. Deswegen darf er keine weiteren Millionen verschlingen; sondern er gehört aufgelöst und durch eine zivile und wissenschaftliche Stelle zur Demokratieförderung ersetzt.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Ministerpräsident, jetzt haben Sie davon gesprochen, dass die schwarz-grüne Landesregierung ein Bollwerk für solide Staatsfinanzen wäre und auf dem Boden der Schuldenbremse stehen würde. Jetzt schauen wir uns einmal die eine Seite der Schuldenbremse an. Das sind marode Straßen und Brücken, bröckelnde Schulgebäude, unterfinanzierte Krankenhäuser und fehlende Investitionen in die Schiene und in die Energiewende. Die Ära Bouffier hinterlässt Hessen einen gewaltigen Investitionsstau. Aber wenn die letzten zwei Jahre eines gezeigt haben, dann doch das, dass man mit dem Argument, es sei kein Geld da, politisch nicht mehr durchkommen wird. Denn, wer über Nacht im Bund oder im Land über die eigenen Überzeugungen hinweg Milliarden Euro an Krediten mobilisieren kann, wird doch der Bevölkerung zukünftig nicht mehr erklären können, dass für diese oder jene notwendige soziale Ausgabe kein Geld mehr da sei.

Während im Bund 100 Milliarden € an Krediten für die Aufrüstung aufgenommen werden, wollen CDU und GRÜNE in Hessen – so steht es zumindest in ihren öffentlichen Verlautbarungen – ab 2024 wieder zur Schuldenbremse zurückkehren. Im Bund und im Land – das ist doch die Kehrseite – werden dann neue Kürzungsrunden drohen. Es gehört auch dazu, dass all die Ankündigungen, die wir heute vom neuen Ministerpräsidenten gehört haben, dann unter Finanzierungsvorbehalt stehen.

Wir bleiben der Auffassung: Die Schuldenbremse war ein Fehler. Das haben die letzten zwei Jahre gezeigt; denn Sie suchen immer wieder Wege, sie zu umgehen. Sie muss fallen. Es ist alles andere als gerecht, kommenden Generationen eine verfallende Infrastruktur zu hinterlassen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich kann Ihnen auch nicht ersparen, darauf hinzuweisen, dass die Behauptung, die CDU-geführte Landesregierung könne besonders gut mit Geld umgehen, einer genaueren Überprüfung der Realität nicht standhält. Erinnern wir uns doch einmal an den Einsatz der Derivate. Diese Zinswetten, über die wir hier schon oft diskutiert haben, haben den hessischen Steuerzahlern einen Schaden von 4,2 Milliarden € eingebrockt. Mit diesem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler können Sie umgehen? Ich würde sagen, wenn Sie damit umgehen können, dann sehr salopp.

Meine Damen und Herren, während der Corona-Pandemie ist das Vermögen der reichsten Deutschen weiter gewachsen. Mit an der Spitze ist die Familie Quandt/Klatten, die jedes Jahr 1 Milliarde € aus BMW-Dividenden erhält, auch in der Krise. Bei einem solchen Einkommen müsste man eigentlich von leistungslosem Einkommen sprechen, das man nur der Gnade der Geburt in der „richtigen“ Familie zu verdanken hat.

Ich finde, so darf es nicht weitergehen. Der Reichtum in dieser Gesellschaft muss endlich gerechter besteuert werden. Aktuell erleben wir, dass sich die Mineralölkonzerne auf Kosten der Steuerzahler bereichern. Man nennt das Ganze auch Tankrabatt.

Das rot-rot-grün regierte Bremen fordert daher im Bundesrat eine Übergewinnsteuer – ich habe eingangs darauf hingewiesen –, damit die Autofahrer nicht weiter abgezockt werden und die, die das tun, nicht auch noch mit Extragewinnen belohnt werden. Die Übergewinnsteuer ist übrigens nichts sonderlich Revolutionäres. Sogar der Internationale Währungsfonds hat das kürzlich ins Gespräch gebracht. Deswegen nehmen Sie bitte unsere Initiative ernst. Stimmen Sie unserem Antrag einfach zu. Setzen Sie sich im Bundesrat gemeinsam mit Bremen, Thüringen und hoffentlich noch vielen weiteren Bundesländern für die Einführung einer Übergewinnsteuer ein.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, seit 2008 ist DIE LINKE mit einer Fraktion im Hessischen Landtag vertreten. In dieser Zeit haben wir gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern, mit Gewerkschaften, mit Initiativen und mit außerparlamentarischen Bewegungen einiges erreicht. Das zeigt, dass auch aus der Opposition heraus von links Druck und Wirkung entfaltet werden können. Ohne DIE LINKE hätte es keine parlamentarische Mehrheit für die Abschaffung der Studiengebühren gegeben. DIE LINKE hat gemeinsam mit dem DGB, dem Mieterbund und mit Mieterinitiativen erreicht, dass die Nassauische Heimstätte nicht privatisiert wurde. Dieses Ansinnen ist vor zehn Jahren noch geäußert worden. Gut, dass das verhindert worden ist.

(Beifall DIE LINKE)

Ohne den Druck der LINKEN wäre der erste NSU-Untersuchungsausschuss nicht eingesetzt worden, der die Rolle hessischer Behörden und Politiker im Zusammenhang mit dem NSU-Komplex beleuchtet hat. Ohne DIE LINKE wäre die NS-Vergangenheit hessischer Landtagsabgeordneter nicht aufgearbeitet worden. Erst durch uns wurde diese Aufarbeitung nach mehr als 60 Jahren in Gang gesetzt.

DIE LINKE hat die Forderungen von Bürgerinitiativen, Gewerkschaften und Verbänden in den Landtag eingebracht und betriebliche Kämpfe im Landtag zum Thema gemacht.

Unsere Vision ist ein Land, in dem kein Kind in Armut leben muss, in dem jede und jeder von ihrer und seiner Arbeit leben kann, niemand im Alter oder bei Krankheit zurückgelassen wird, ein Land, in dem wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen schützen, Maßnahmen gegen die Klimakrise ergreifen und dafür sorgen, dass unsere Kinder und Enkel in Hessen noch gut und gerne auf unserem Planeten leben können, ein Land, in dem jede und jeder gut und sicher leben kann, und zwar unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Glaube oder sexueller Orientierung, ein Land, in dem wir Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und die Versorgung mit Wohnraum nicht Aktiengesellschaften und dem Profitstreben überlassen.

Die heutige Diskussion und die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten haben gezeigt: Diese schwarz-grüne Landesregierung braucht weiter Druck von links. DIE LINKE ist die sozial-ökologische Opposition gegen die schwarz-grüne Landesregierung und im Übrigen der Garant dafür, dass sich nach der nächsten Landtagswahl nicht nur die Person auf dem Sessel des Ministerpräsidenten oder die Farben der Regierung ändern, sondern dass es einen echten Politikwechsel für ein soziales, gerechtes und ökologisches Hessen, für eine Politik für die vielen Menschen in diesem Land gibt. Dafür ist es an der Zeit. Dafür werden wir uns weiter einsetzen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)