Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske – Statt Humanität und christlichen Werten, Stimmenfang am rechten Rand. Was gilt denn eigentlich, Herr Rhein

Jan SchalauskeLandwirtschaft und TierschutzUmwelt- und Klimaschutz

In seiner 141. Plenarsitzung am 20. Juli 2023 diskutierte der Hessische Landtag über einen Antrag der CDU zur Durchführung einer Aktuellen Stunde mit dem Titel „Bundesinnenministerin widerspricht regelmäßig der SPD-Landesvorsitzenden - was gilt, Frau Faeser?“. Dazu die Rede unseres Fraktionsvorsitzenden Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Markige Worte zu der von der CDU-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde, die aus der Feder von CDU-General Pentz von der Propagandaabteilung im Alfred-Dregger-Hauses zu stammen scheint. Wer aber so markige Worte auf die Tagesordnung setzen lässt, der muss sich auch selbst daran messen lassen. Wenn Herr Pentz von Verlässlichkeit spricht, dann muss man Ministerpräsident Rhein fragen: Was gilt, Herr Rhein? – Das will ich an zwei Themen exemplarisch verdeutlichen.

Als Parteivorsitzender und als Spitzenkandidat verantwortet Herr Rhein maßgeblich das CDU-Wahlprogramm. Dort heißt es auf Seite 75:

Wir bekennen uns zu unserer humanitären und christlichen Verpflichtung unseres Grundgesetzes, Menschen in Not zu helfen und Geflüchteten Schutz zu gewähren.

Aber wie hat sich Ministerpräsident Rhein Anfang des Jahres geäußert? Obwohl aktuell 72 % aller Flüchtlinge und Asylsuchenden als schutzbedürftig anerkannt sind, hat er wider besseres Wissen eine Abschiebeoffensive gefordert und vor der Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme gewarnt. Statt Humanität und christlicher Werte, die im Wahlprogramm der CDU beschworen werden, waren die Äußerungen des Ministerpräsidenten nichts anderes als Stimmenfang am rechten Rand. Da frage ich Sie: Was gilt eigentlich, Herr Rhein?

(Beifall DIE LINKE – Zurufe AfD)

Ich will einmal daran erinnern, weil wir hier fast jeden Tag über den Fachkräftemangel diskutieren: Aus dem schwarzgrün regierten Hessen werden, allem Gerede von Fachkräftemangel zum Trotz, sogar Bäckerlehrlinge und Altenpflegehelferinnen abgeschoben. Was hat das mit Humanität und christlicher Nächstenliebe zu tun, Herr Rhein?

(Beifall DIE LINKE – Robert Lambrou (AfD): 80.000 ausreisepflichtige Leute! Bei uns wird kaum jemand abgeschoben!)

Für uns LINKE ist klar: Wir lehnen eine solche Stimmungsmache, eine solche Politik, die auf dem Rücken von Schutzsuchenden ausgetragen wird, entschieden ab.

Nehmen wir ein anderes Thema, die Grunderwerbsteuer. Als Hessischer Ministerpräsident behauptet Herr Rhein, eine verantwortungsbewusste Haushaltsführung sei ein Markenzeichen seiner Regierung. Als CDU-Vorsitzender und Spitzenkandidat tingelt er aber durch das Land und verspricht die Einführung eines „Hessengeldes“, um die Grunderwerbsteuer für Ersterwerber zu kompensieren: 10.000 € pro Käufer, 5.000 € pro Kind. Die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer betrugen im Jahre 2022 allerdings 1,6 Milliarden €. Das Konzept der CDU bedeutet daher Mindereinnahmen im Umfang eines mindestens dreistelligen Millionenbetrags.

(Manfred Pentz (CDU): Was ist Ihr Konzept?)

– Dazu komme ich gleich. – Ihr Vorschlag zur Gegenfinanzierung: Fehlanzeige. In Zeiten stagnierender Steuereinnahmen steht statt einer soliden Haushaltspolitik ein nebulöses und bisher unfinanziertes Wahlkampfversprechen im Raum. Deshalb frage ich Sie: Was gilt eigentlich, Herr Rhein, in dieser Frage?

(Beifall DIE LINKE)

Weil Herr Pentz gefragt hat, was DIE LINKE fordert: Wir haben gesagt, ein Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer für selbst genutztes Wohneigentum ist denkbar und sinnvoll.

(Manfred Pentz (CDU): Enteignung, das ist Ihre Antwort!)

Allerdings – das unterscheidet uns – haben wir dabei auch die Haushaltslage im Blick. Das muss nämlich aufkommensneutral geschehen.

(Lachen CDU)

Wir wollen nämlich Schlupflöcher bei Share Deals, die die Grunderwerbsteuer umgehen, schließen. Die CDU war in der Frage immer an der Seite der Immobilieninvestoren. Wir wollen die Steuerschlupflöcher für Konzerne schließen. Dann kann man Familien mit mittlerem Einkommen bei selbst genutztem Wohneigentum entlasten. Das ist eine seriöse Politik.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich sehen auch wir Widersprüche in den Äußerungen von Nancy Faeser, der Bundesinnenministerin, hessischen SPD-Vorsitzenden und Spitzenkandidatin zur Landtagswahl. Sie spricht beim Thema Flucht einerseits davon, dass es „keine Höchstgrenzen für Menschlichkeit“ geben kann – eine Position, der wir als LINKE nur zustimmen können. Andererseits hat sie wiederholt gefordert, die europäische Migrationspolitik stärker auf eine Begrenzung von Flüchtlingszahlen auszurichten, und dafür nicht nur hohe Zäune und Mauern an den Außengrenzen eingefordert. Ihre Zustimmung zur Reform des europäischen Asylrechts war nichts anderes als ein fundamentaler Frontalangriff auf das Asylrecht. Dem hat sie zugestimmt. Das war faktisch die Abschaffung des Menschenrechts auf Asyl. Das war kein „historischer Erfolg“, wie es Nancy Faeser nennt, sondern ein Anschlag auf die Menschenrechte, dem DIE LINKE immer wieder entschieden widersprechen wird.

(Beifall DIE LINKE)

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Schalauske.

Jan Schalauske (DIE LINKE):

Ich komme zum Schluss. – Als LINKE werden wir den Protest gegen die Entrechtung von Schutzsuchenden unterstützen und uns weiterhin für eine humanitäre Flüchtlingspolitik einsetzen. Darauf können sich die Menschen in Hessen verlassen. Das gilt für DIE LINKE ohne Wenn und Aber.

(Beifall DIE LINKE)