Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske über eine dringend benötigte Finanzwende in Hessen

Jan SchalauskeThemenHaushalt und FinanzenRegierung und Hessischer Landtag

In seiner 143. Plenarwoche am 20.09.2023 diskutiert der Hessische Landtag über die Finanzpolitik in Hessen. In blumigen Worten lobt sich die schwarzgrüne Landesregierung für ihre angeblich solide Finanzpolitik selbst. Dabei sind die Folgen ihrer grundfalschen Sparpolitik bei Investitionen in Bildung, Wohnen, Energie- und Verkehrswende in Hessen unübersehbar. Dazu spricht der Fraktionsvorsitzende Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Wenn 25 Jahre hessische CDU an der Macht eines bewiesen haben, dann das, dass Konservative nicht mit Geld umgehen können.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD – Lebhafte Zurufe – Glockenzeichen)

CDU und GRÜNE sind in Hessen von einer soliden und zukunftsfähigen Finanzpolitik so weit entfernt wie der FDP-Minister Volker Wissing und die Ampel von der Einhaltung der Klimaziele, nämlich ziemlich weit entfernt.

(Beifall DIE LINKE)

Das Gute ist aber, dass dieser CDU-Setzpunkt zur besten Parlamentszeit uns Gelegenheit gibt, mit ein paar Legenden von der CDU-Haushalts- und ‑Finanzpolitik aufzuräumen, und das mache ich sehr gerne.

Legende Nr. 1: Sie behaupten, das Land habe zusätzliche Handlungsspielräume, weil Schwarz-Grün Schulden getilgt habe – eine abenteuerliche Behauptung.

Meine Damen und Herren, lassen wir einmal beiseite, dass auch die angeblich härtesten aller Schuldenbremser es nicht vollbracht haben, den Schuldenstand in diesem Land zu reduzieren. Aber wenn wir uns die Zahlen einmal anschauen: CDU und GRÜNE haben in fünf Jahren seit 2016 Schulden zurückgezahlt, 2016 bis 2019 und 2022 jeweils 200 Millionen €, insgesamt 1 Milliarde €. Wir lassen einmal kurz beiseite, dass Sie 2020 über 2 Milliarden € neue Schulden aufgenommen haben.

Aber wie groß sind die Spielräume, die Sie damit überhaupt erwirtschaftet haben? Die Zinslast, die das Land dadurch nicht tragen muss, liegt, wenn man einen durchschnittlichen Zinssatz für das Jahr 2022 annimmt, in der Größenordnung von rund 19 Millionen €.

Ja, gut, das klingt erst einmal nach viel Geld. Aber wenn man weiß, dass das Land Hessen jährlich mehr als 100 Millionen € an Zinsen ausgibt, weil sich diese Landesregierung mit Derivategeschäften verzockt hat, dann ist das doch eine ziemlich lächerliche Summe.

(Beifall DIE LINKE)

Durch diese Derivategeschäfte ist dem Land Hessen – und damit den Steuerzahlern – nach den Zahlen des Landesrechnungshofs ein Schaden von 4,2 Milliarden € entstanden. Allein diese Derivategeschäfte sind doch der beste Beleg dafür, dass die von der CDU geführte Landesregierung und eine solide Finanzpolitik wirklich verschiedene Welten sind.

(Beifall DIE LINKE)

Schauen wir uns Legende Nr. 2 an. Sie lautet, dass das Land im Jahr 2023 Investitionsmittel in Höhe von 3 Milliarden € zur Verfügung stellen würde. Diese Formulierung ist so spitz, dass vollkommen klar ist, dass diese 3 Milliarden € doch eher heiße Luft sind. In keinem einzigen Jahr hat es die schwarz-grüne Landesregierung geschafft, die Investitionsmittel, die sie im Haushalt vorgesehen hatte, auch nur annähernd auszuschöpfen. Seit zehn Jahren erzählt uns Schwarz-Grün, dass man leider nicht in der Lage sei, das Geld auszugeben. Stattdessen tilgt man lieber Schulden.

Das Resultat dieser Politik ist, dass das Geld hinten und vorne fehlt. Es gibt marode Brücken. Der öffentliche Nahverkehr platzt aus allen Nähten. In den Schulen fehlen nicht nur Lehrkräfte. Der Putz bröckelt. Mitunter kommt der Regen durch die Decke. Von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wissen wir, dass es in Hessen allein an den Schulen einen Investitionsstau in Höhe von mindestens 5 Milliarden € gibt.

Wie wäre es eigentlich gewesen, wenn wir, statt 1 Milliarde € Schulden zu tilgen, dieses Geld in die Schulen investiert hätten? Das wäre wirklich generationengerecht. Davon hätte die junge Generation deutlich mehr als von einer Einsparung an Zinsen in Höhe von 19 Millionen €.

(Beifall DIE LINKE)

Damit komme ich zu Legende Nr. 3. Trotz aller eisernen und mantraartigen Bekenntnisse zur Schuldenbremse musste Schwarz-Grün in der Krise doch ihre eigene heilige Kuh schlachten und die Schuldenbremse aussetzen. Denn sogar die Mitglieder der CDU mussten einsehen, dass mit einem Verbot der Kreditaufnahme in der Krise kein Staat zu machen ist.

Diese Einsicht währte allerdings nur kurz. Es gab dann die Klage der SPD-Fraktion und der FDP-Fraktion gegen das Corona-Sondervermögen. Da sind dann die Mitglieder der CDU-Fraktion und der Fraktion der GRÜNEN trotz aller Krisen dieser Zeit schnell wieder in ihre gewohnten Muster zurückgefallen.

Für die Einhaltung der Schuldenbremse muss sehr viel auf der Strecke bleiben, was wir in den Krisen unserer Zeit dringend brauchen würden. Wir brauchen Investitionen in die Zukunft. Wir brauchen einen klimaneutralen Umbau der Wirtschaft, Investitionen in die Schulen, in die Krankenhäuser und in die kommunale Infrastruktur. Außerdem brauchen wir einen öffentlichen Personennahverkehr, der allen Menschen ein bezahlbares, sauberes und schnelles Mobilitätsangebot macht.

Die Debatte über die Schuldenbremse, die es im Hessischen Landtag gibt, ist deswegen so grotesk, weil man an vielen Orten dieser Republik schon weiter ist, als es die Mitglieder der CDU, aber auch der SPD, der FDP und der GRÜNEN sind. Zu rechts außen will ich an dieser Stelle schweigen.

Selbst das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft ist mittlerweile der Auffassung, dass die Schuldenbremse so nicht mehr zu halten ist und dass wenigstens Investitionen über Kredite finanziert werden sollten. Wenn Sie schon nicht auf DIE LINKE hören, dann hören Sie doch wenigstens auf das Institut der deutschen Wirtschaft. Sorgen Sie für Investitionen auch an der Schuldenbremse vorbei.

(Beifall DIE LINKE)

Wie man das machen kann, das haben wir Ihnen als Mitglieder der LINKEN doch vorgelegt. Wir hatten einen konkreten Gesetzentwurf zum Thema Schulsanierung. Aber obwohl Sie selbst ein Schulsanierungsprogramm in dem schwarz-grünen Koalitionsvertrag vereinbart haben – so viel will ich zum Thema „grüne Versprechen gehalten“ sagen, an der Stelle wurde das Versprechen eher gebrochen –, haben Sie unseren Gesetzentwurf abgelehnt. Sie haben nichts Eigenes vorgelegt. Eine zukunftsfähige Investitionspolitik hinsichtlich der hessischen Schulen sieht wirklich anders aus.

(Beifall DIE LINKE)

Die Zukunftsfähigkeit und die Politik der CDU sind zwei Paar Schuhe. Das haben Sie mit Ihren groß angelegten Privatisierungsorgien gezeigt. Es kam zum Verkauf des Landeseigentums, zu den Leo-Immobiliengeschäften und zu der Privatisierung unseres Universitätsklinikums Gießen und Marburg. Für kurzfristige Effekte zugunsten des Landeshaushalts haben Sie Vermögen der öffentlichen Hand, haben Sie Einrichtungen der Daseinsvorsorge verscherbelt. Die finanziellen Folgeschäden dieser falschen Privatisierungspolitik spüren wir bis heute. Auch das ist ein Ergebnis des Versagens CDU-geführter Finanzpolitik.

(Beifall DIE LINKE und Marius Weiß (SPD))

Schauen wir uns Ihren Entschließungsantrag an. Da schreiben Sie, wie viele zusätzliche Stellen Sie in der Justiz geschaffen haben. Das ist schön, aber irgendwie auch ein bisschen billig. Sie wissen, dass für die Zahlen, die auf dem Papier stehen, gilt, dass Papier sehr geduldig ist. Sie werden diese Stellen in absehbarer Zeit nicht besetzen können. Das gilt für andere Bereiche auch. Darüber reden Sie nicht so gerne. Denken wir an die Stellen, die SchwarzGrün in der Steuerverwaltung geschaffen hat und von denen 60 % nicht besetzt sind. Darüber muss man doch auch reden. Das ist die Wahrheit.

Der größte Witz in Ihrem Entschließungsantrag ist aber die Behauptung, das Land Hessen sei der „Partner der Kommunen“. 25 Jahre CDU-geführte Landesregierung bedeuten 25 Jahre Unterfinanzierung der hessischen Kommunen.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe CDU)

– Wir können die Programme einmal durchgehen. – Die viel gelobte Hessenkasse wurde zu 80 % nicht aus Mitteln des Landes Hessen finanziert. Die Umwidmung der Gewerbesteuerumlage bezeichnete der Frankfurter Kämmerer von der CDU Becker als „Raubzug des Landes“ gegen die Kommunen. Landauf, landab häufen sich die Hilferufe der Kommunen. Denn sie können die vom Bund und vom Land übertragenen Aufgaben nicht mehr finanzieren.

Es geht um die Krankenhausfinanzierung und um die Investitionen in die Kindertagesstätten. Wir erinnern uns noch an die Intervention der Kommunalen Spitzenverbände zum Doppelhaushalt. Herr Kollege Frömmrich, vielleicht haben Sie schon vergessen, was sie gefordert haben.

Die Liste der kommunalen Bedarfe ist sehr lang. Vielleicht bedarf es noch eines weiteren Belegs. Laut einer Studie von Ernst & Young – das ist wirklich kein Thinktank der LINKEN – haben die hessischen Kommunen den zweithöchsten Grundsteuerhebesatz bundesweit. Deswegen muss man festhalten: Die Finanzpolitik gegenüber den Kommunen war nicht partnerschaftlich. Vielmehr war sie ganz klar ein bisschen Zuckerbrot, aber vor allem ganz viel Peitsche. Ein anständiger Umgang mit den hessischen Kommunen sieht wirklich anders aus.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Ich kann das verstehen: Viele wünschen sich ein Ende der schwarz-grünen Null in der hessischen Finanzpolitik. Denn das hat uns sehr viele Hypotheken für die Zukunft hinterlassen.

Aber man braucht nur auf die Arbeit der Ampelkoalition in Berlin zu schauen, um zu erkennen, dass eine Regierung aus FDP, SPD und den GRÜNEN auch keine Lösung sein kann. Es soll kaum Geld für die Kindergrundsicherung geben. Aber es gibt 100 Milliarden € Schulden für die Aufrüstung. Der Kahlschlag der Ampelkoalition ist eine soziale Katastrophe für unser Land.

Deshalb sage ich: Statt des sozialen Kahlschlags durch die Ampelkoalition und statt eines „Weiter so“ von SchwarzGrün brauchen wir eine Investitionsoffensive in die Bildung, in mehr bezahlbaren Wohnraum, in die Krankenhäuser der öffentlichen Hand und in die Verkehrs- und Energiewende. Dafür steht DIE LINKE. Wir stehen auch für das Einsetzen für ein gerechtes Steuersystem.

(Beifall DIE LINKE)