Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske zu Landesverteidigung und Zivilklauseln

Jan SchalauskeFrieden

In seiner 126. Plenarsitzung am 26. Januar 2023 diskutierte der Hessische Landtag zu Landesverteidigung und Zivilklauseln. Dazu die Rede unseres Vorsitzenden und friedenspolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Vielleicht noch einmal grundsätzlich vorweg:

In einer Zeit, in der anlässlich eines schrecklichen und zu verurteilenden Krieges die Logik des Militärischen zunehmend den politischen Diskurs und auch die öffentliche Debatte beherrscht, in der – was vor vielen Jahren noch unvorstellbar war – aus Deutschland schwere Waffen, jetzt auch Kampfpanzer, in ein Kriegsgebiet geliefert werden und in der militärische Lösungen zunehmend enttabuisiert werden,

in einer Zeit, in der an einer Aufrüstungsspirale gedreht wird, Ressourcen für Rüstung verschleudert werden und die Gefahr eines neuen Rüstungswettlaufs immer mehr Gestalt annimmt,

in einer Zeit, in der Politiker tatsächlich davon reden, dass wir uns in einem Krieg befinden, oder aber die Augen davor verschließen, dass wir tiefer in einen Krieg hineingezogen werden könnten,

in einer solchen Zeit, in der kritische Stimmen, die vor Eskalationsspiralen warnen, verunglimpft und außerhalb des demokratischen Spektrums gestellt werden,

in einer solchen Zeit fordere ich und habe ich großen Respekt und Offenheit vor jeder demokratischen Stimme, die sich Militarisierung und der Enttabuisierung von Militärischem entgegenstellt und – so schwierig es auch zu sein scheint – anlässlich des schrecklichen Krieges in der Ukraine an Deeskalation, an Diplomatie, an Entspannung und an zivilen Konfliktlösungen festhält. – Das ist das Gegenteil von dem, was die AfD-Fraktion einfordert.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe AfD)

In diesem Sinne: Respekt und Anerkennung für jede Schule, die sich zu einer bundeswehrfreien Schule erklärt hat und die auch in diesen Zeiten daran festhält. Ein Soldat lernt töten. Das ist kein Beruf wie jeder andere. Deshalb kritisiert DIE LINKE die Kooperationsvereinbarung des Landes Hessen mit der Bundeswehr auch schon seit vielen Jahren.

Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob Besuche der Bundeswehr in Schulen durch Jugendoffiziere einen rein informativen Charakter haben oder nicht. Sie bleiben, solange keine Vertreter der friedenspolitischen Akteure anwesend sind, immer eine Art Werbeveranstaltung für einen Beruf, der keineswegs mit einem anderen Beruf vergleichbar ist. Schulen sind zivile Orte. Die Werbung für die Bundeswehr hat dort nichts zu suchen.

(Beifall DIE LINKE)

Einen wichtigen Beitrag zum Frieden leisten auch Zivilklauseln an hessischen Hochschulen. Forschung und Wissenschaft haben sich an den meisten hessischen Hochschulen einer humanen, einer lebensfördernden Ausrichtung verschrieben. Es wäre noch viel mehr wünschenswert, dass alle Hochschulen freiwillig eine solche Zivilklausel einführen und das hessische Wissenschaftsministerium so, wie wir es als LINKE auch seit Jahren fordern, eine Koordinationsstelle für eine Zivilklausel schafft, die die Hochschulen dabei unterstützt, keine Gelder für militärische Forschung einzuwerben und auch Unterstützung von militärischen Forschungsgegenständen abzulehnen, und die dann auch noch aktiv das Thema Dual Use im Auge hat und dieses auch unterbindet.

Zivilklauseln an hessischen Hochschulen sind nicht das Problem. Im Gegenteil, sie gehören gefördert, und sie gehören verschärft. Das ist und bleibt die Position der LINKEN.

 

(Beifall DIE LINKE)

Es gab einmal eine Zeit, da galt hier in Hessen die HessenCDU aufgrund ihrer nationalkonservativen Ausrichtung als Stahlhelmfraktion. In den letzten Jahren ist zugegebenermaßen der Stahlhelm ein bisschen unter den Tisch gefallen. Aber wenn man sich den heutigen Redebeitrag dieser Fraktion hier rechts außen anhört, dann muss man sagen: Es gibt mit der AfD eine neue, eine völkisch-nationalistische Stahlhelmfraktion,

(Robert Lambrou (AfD): Also Entschuldigung! Sie verwechseln das mit Patriotismus! Wir sind Patrioten!)

die zwar vorgibt, für den Frieden einzustehen, in Wahrheit aber dem Militarismus das Wort redet.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Robert Lambrou (AfD))

Das werde ich Ihnen auch erklären, wie Sie hier dem Militarismus das Wort reden. Sie geben vor, sich um die Landesverteidigung zu sorgen. Aber eigentlich – und das hat der Kamerad Scholz hier auch ganz deutlich gemacht – geht es Ihnen um die Militarisierung der Gesellschaft.

Reden wir doch einmal über das Konzeptpapier „Streitkraft Bundeswehr“ der Bundestagsfraktion der AfD. Was wird denn da gefordert? Es soll „der Wehrwille des deutschen Volkes gestärkt“ werden. – Das ist das Jargon der Dreißigerjahre.

(Robert Lambrou (AfD): Also bitte!)

Der Einsatz der Bundeswehr im Innern soll als Heimatschutz erlaubt und weiter normalisiert werden. Entgegen der Rhetorik, die Sie hier vortragen und in Ihrem Antrag haben, fordert Ihr Konzeptpapier auch die Ausweitung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Es geht Ihnen nämlich gar nicht um Landesverteidigung. Ginge es nach der AfD, würden weiter deutsche Soldaten an noch mehr Orten auf der Welt eingesetzt werden.

(Zurufe AfD)

In diesem Strategiepapier wird auch das Loblied soldatischer Tugenden gesungen. Da geht es – Zitat – um den „unerbittlichen Kampf“ und um das „robuste Vorgehen“. Über die Tugenden von deutschen Soldaten hat Herr Scholz hier auch das Loblied gesungen. Aber was hat er nicht gemacht?

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Herr Schalauske, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Jan Schalauske (DIE LINKE):

Nein. – Er ist mit keinem einzigen Wort auf rechte Tendenzen in der Bundeswehr eingegangen. Allein Ende 2021 gab es 1.452 Verdachtsfälle von rechtsextremen Tendenzen in der Bundeswehr. Dazu hat die AfD kein Wort gesagt, aber das Loblied soldatischer Tugenden gesungen.

(Zuruf AfD: Sie machen gerade die Bundeswehr schlecht!)

Das sagt alles über Ihre Fraktion aus.

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen ist es auch folgerichtig, dass Sie in Ihrem Antrag die Befürchtung zum Ausdruck bringen, junge Menschen wollten durch zu wenig Militärpropaganda während ihrer Schullaufbahn vermindert an der Front eingesetzt werden. Perfide ist dann nur, dass Sie das als mangelnde Verteidigungsbereitschaft tarnen. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Zuruf AfD)

Es ist auch folgerichtig, dass die AfD Zivilklauseln einschränken will, indem sie fordert, dass Hochschulen sich eine Erlaubnis vom Wissenschaftsministerium einholen müssen, wenn sie sich gegen Rüstungsforschung aussprechen. Damit belegen Sie wieder einmal, dass Sie keinen Respekt vor der Hochschulautonomie und der Freiheit von

Wissenschaft und Forschung haben. Aber das sind wir von Ihnen und Ihrer Truppe gewohnt.

(Beifall DIE LINKE – Dr. Frank Grobe (AfD): Na, na, na!)

Die AfD fordert Respekt und Offenheit gegenüber dem Militär. Ich will klipp und klar sagen: Ich fordere Respekt und Offenheit gegenüber Menschen, die humanistische, antimilitaristische und durchaus auch pazifistische Ziele verfolgen.

(Dr. Frank Grobe (AfD): Mit der Antifa zusammen!)

Ihnen, meine Herren der AfD, ist somit kein Respekt geschuldet.

Respekt verdienen aber, um dies in einen schulischen Zusammenhang zu bringen, all jene Lehrerinnen und Lehrer, die so engagiert trotz der schlechten Rahmenbedingungen an unseren Schulen unterrichten und sich trotz der Propaganda von rechts um Inklusion und Integration von Kindern und Jugendlichen bemühen – egal, welchen Geschlechts, welcher Herkunft und ob mit oder ohne Einschränkungen.

Respekt verdienen nicht nur Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich für die Freiheit von militärischer Einflussnahme und Nutzung in zivilen Forschungs- und Lehranstalten einsetzen. Wir stehen an der Seite von mittlerweile bundesweit 200 Studierendenvertretungen, Initiativen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Gewerkschaftsgruppen und Friedensinitiativen, die sich für die Absicherung der zivilen Forschung und Lehre und damit für Zivilklauseln einsetzen.

Deswegen am Ende ganz deutlich: Wir wollen nicht, dass an Schulen dafür geworben wird, dass Kinder und Jugendliche in Betracht ziehen, das Töten und das Sterben und den Krieg als Teil ihrer Berufswahl zu verstehen. Wenn den Herren der AfD das allerdings so wichtig ist, sage ich Ihnen: Die Bundeswehr sucht händeringend nach Verstärkung, bewerben Sie sich.

(Elisabeth Kula (DIE LINKE): Oje!)

Damit tun Sie der Bundeswehr keinen Gefallen; dennoch werde ich Sie nicht aufhalten. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)