Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske zur Grunderwerbssteuer

Jan SchalauskeHaushalt und Finanzen

In seiner 107. Plenarsitzung am 2. Juni 2022 diskutierte der Hessische Landtag zur Grunderwerbssteuer. Dazu die Rede unseres Vorsitzenden und finanzpolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Frau Präsidentin! Ich muss ganz ehrlich sagen: Nach der Einbringungsrede dieser Rechtsfraktion, die wirklich eher eine wirre „Blut und Boden“-Rede war, fällt es mir schwer, sachlich über die Grunderwerbsteuer zu diskutieren. Bei mir ist auch der Eindruck entstanden, Ihnen geht es um Blut und Boden, um das Volk, um deutsche Kinder mit blonden Haaren und blauen Augen. Das hatte mit der Sache eigentlich wenig zu tun; es war dem Thema wirklich nicht angemessen und seiner nicht würdig.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir haben im Kern tatsächlich ein ernstes Problem: Viele Menschen haben Schwierigkeiten, eine bezahlbare Wohnung zu finden, und der Traum vom eigenen Haus oder von einer eigenen Wohnung – darüber haben wir heute Vormittag diskutiert – ist für viele Menschen nicht zu verwirklichen. Die Truppe hier ganz rechts macht jetzt für dieses Problem die Grunderwerbsteuer mit verantwortlich.

(Zurufe AfD)

Sie wollen, dass die Länder das Recht bekommen – jetzt hören Sie doch einmal zu, das fällt Ihnen schwer, und das können Sie auch nicht so gut –, die Grunderwerbsteuer für selbst genutzte Wohngrundstücke und selbst genutzten Wohnraum zu reduzieren oder ganz zu streichen. Jetzt schauen wir uns einmal an, wie die Lage ist. In Hessen beträgt der Steuersatz im Moment 6,5 %. Das Aufkommen aus der Grunderwerbsteuer ist im Haushaltsplan mit rund 1,9 Milliarden € veranschlagt. Wenn Sie jetzt also den Vorschlag machen, dass diese Steuer gesenkt oder gar gestrichen wird, müssen Sie drei Fragen beantworten.

(Zurufe AfD – Unruhe)

Vizepräsidentin Karin Müller:

Jetzt führen wir keine Zwiegespräche, sondern der Abg.

Schalauske hat das Wort.

Jan Schalauske (DIE LINKE):

Sie müssen also drei Fragen beantworten. Das können Sie anscheinend nicht, sonst würden Sie nicht so unsinnig dazwischenreden.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Eine der entscheidenden Fragen ist: Ist die Reduzierung der Grunderwerbsteuer der entscheidende Schritt, damit sich Menschen den Traum von einer eigenen Wohnung oder einem eigenen Haus erfüllen können?

(Zurufe AfD)

Zweitens. Wie hoch werden dann die Steuerausfälle sein, die man kompensieren muss?

Drittens. Werden die Mittel für die Steuersenkung, die Sie hier fordern, nicht an anderer Stelle dringender gebraucht?

Zunächst schauen wir uns an, was DIE LINKE gemacht hat. Wir haben die Erhöhung der Grunderwerbsteuer von 5 auf 6,5 % nicht mitgetragen. Aus unserer Sicht bedarf die Grunderwerbsteuer durchaus einer Reform, die auch eine gewisse soziale Ausgestaltung ermöglicht. Dabei geht es uns aber weniger um die Unterstützung eines wie auch immer gearteten – ziemlich gestrigen – Familienbildes, sondern es geht uns tatsächlich um die soziale Situation, um Menschen mit geringem Einkommen. Über eine soziale Ausgestaltung kann man reden.

Vor allem wollen wir, dass die Grunderwerbsteuer nicht immer mehr zu einer Steuer wird, die vor allem von kleinen Häuslebauern, von Menschen, die sich etwas zur Eigennutzung erwerben, gezahlt wird, während große Immobilienkonzerne – das Stichwort „Share Deals“ ist genannt worden – mit kreativer Steuergestaltung alles tun, um zu vermeiden, dass sie diese Steuer zahlen. Zu dieser Thematik steht in Ihrem Antrag kein Wort.

Die Grunderwerbsteuer ist ein Kostenfaktor für Menschen, die Eigentum erwerben wollen. Wenn Sie diese aber reduzieren wollen, kommen Sie am Ende zu Entlastungen, die nur im einstelligen Prozentbereich liegen. Das wird ganz sicher niemanden dazu bringen, ein Haus zu kaufen oder zu errichten, der es nicht auch ohne diese Steuerentlastung könnte. Sie werden sehen, dass es lediglich zu Mitnahmeeffekten käme.

Wie hoch aber die Kosten der Steuersenkung wären, die Sie fordern, können Sie im Moment gar nicht beziffern. Entsprechend können Sie auch gar nicht sagen, wie Sie die Ausfälle kompensieren wollen. Wenn ich mir aber die Haushaltsanträge anschaue, die Sie hier regelmäßig einbringen, sehe ich ganz genau, worauf das hinausläuft, nämlich auf Kürzungen bei Ausgaben für Familien und bei öffentlichen Leistungen, von denen besonders Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen profitieren.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

So, wie Sie die Senkung der Grunderwerbsteuer gestalten wollen, ist das ein Teil eines Umverteilungsprogramms von unten nach oben. Nach Ihren Vorstellungen wird die Millionärsvilla dann steuerfrei, und der soziale Wohnungsbau wird gestrichen. Das ist das Programm der AfD. Ich hoffe, viele Menschen bekommen das mit.

(Beifall DIE LINKE)

Kommen wir zur nächsten Frage: Was kann man mit 1,9 Milliarden € erreichen? Was kann man damit mehr erreichen als mit einer Senkung der Grunderwerbsteuer?

Aus unserer Sicht ist die Antwort klar: Mit dieser Summe kann man im Ballungsraum den öffentlichen sozialen Wohnungsbau so gestalten, dass er auch bezahlbar wird. Aber man müsste natürlich auch willens sein, das zu tun. Man könnte Maßnahmen ergreifen, die die Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt dämpfen. Wenn Sie nämlich in der Lage sind, ausreichend bezahlbaren Wohnungsraum bereitzustellen, muss man nicht mehr damit rechnen, dass mit Immobilien so wild spekuliert wird. Wenn das Preisniveau näher bei den tatsächlichen Kosten liegt, werden am Ende tatsächlich mehr Leute in der Lage sein, sich eine Eigentumswohnung oder ein eigenes Haus zu finanzieren.

Dass aber Leute, die mit Immobiliengeschäften ihr Geld verdienen, wie Abgeordnete der AfD-Fraktion, daran überhaupt kein Interesse haben, leuchtet uns natürlich ein. Ihnen von der AfD geht es nicht darum, dass sich Leute ein Eigenheim leisten können,

(Robert Lambrou (AfD): Doch!)

sondern Sie wollen nur Steuersenkungen für Besserverdienende durchsetzen, und da machen wir nicht mit.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe AfD)

Sonst würden Sie von der EZB keine Zinserhöhung fordern. Das ist auch absurd: Auf der einen Seite wollen Sie die Grunderwerbsteuer um ein paar Prozent senken, auf der anderen Seite fordern Sie massive Verschlechterungen der Finanzierungsbedingungen gerade für private Immobilien. Das können Sie niemandem so richtig erklären; das ist ein Stück weit absurd.

Mit Ihrer Politik wird die Steuersenkung, die Sie hier anregen, vor allem bei denen ankommen, die auf eine Bankfinanzierung überhaupt nicht angewiesen sind. Wenn sich die AfD mit dieser Forderung durchsetzt, wird die Villa für die Millionäre eben billiger, während der soziale Wohnungsbau geschröpft wird und die Familie, die sich ein Eigenheim finanzieren will, gelackmeiert ist.

Deswegen sage ich: Was hier als Vorschlag zur Entlastung von Familien daherkommt – mit „Blut und Boden“- und „Old school“-Familienbildern der AfD –, ist nichts anderes als die Forderung nach einer Steuersenkung für Reiche. Das lehnen wir ab. Die Grunderwerbsteuer ist sicher für viele ein Problem, aber die AfD kann und will dieses Problem nicht lösen.

(Beifall DIE LINKE)