Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Janine Wissler - Power-to-liquid-Technologie ist kein Beitrag zum Erreichen der Klimaziele

Janine Wissler
Janine WisslerEnergieUmwelt- und Klimaschutz

In seiner 66. Plenarsitzung am 4. Februar 2021 diskutierte der Hessische Landtag über die Power-to-liquid-Technologien. Dazu die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden und energiepolitischen Sprecherin Janine Wissler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Wir haben jetzt viel darüber gehört, welche Chancen und Möglichkeiten die Power-to-Liquid-Technologie eröffnet. Ja, das ist eine spannende Technologie, die grundsätzlich dabei helfen könnte, von fossilen Treibstoffen auf erneuerbare Energien umzusteigen. Die spannende Frage aber ist: Kann sie das rechtzeitig?

Zur Erinnerung: Wir haben uns völkerrechtlich auf das 1,5Grad-Ziel verpflichtet. Um das möglicherweise überhaupt noch irgendwie zu erreichen, müssen die Treibhausgasemissionen jetzt und jedes Jahr bis 2030 um 7,6 % sinken. Der Klimawandel ist nicht irgendein fernes Horrorszenario; er ist längst Realität. Und das merken wir an den zunehmenden Bränden auf der Welt, an den Dürren und daran, dass es immer heißer wird im Vergleich zu vorherigen Wetteraufzeichnungen.

Dabei ist jetzt schon absehbar, dass die Umstellung allein des heutigen Strombedarfs auf 100 % erneuerbare Energien bis dahin nicht gelingt, wenn das in diesem Schneckentempo so weitergeht.

Wenn zu diesem heutigen Strombedarf auch noch der Autoverkehr per Batterieauto und der Flugverkehr hinzukommen sollen, dann ist leider absehbar, dass das nicht funktionieren wird, vor allem dass es nicht mit erneuerbaren Energien funktionieren wird. Aber ohne erneuerbare Energien ist diese Strategie keine Klimastrategie, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Aber darauf kommt es doch an, wenn die synthetischen Kraftstoffe einen Nutzen fürs Klima haben sollen: Dafür muss das CO2 für die synthetischen Kohlenwasserstoffketten entweder aus der Luft oder aus Biomasse entnommen werden, und vor allem muss der Strom für die Elektrolyse aus erneuerbaren Quellen kommen. Wenn hier fossile Quellen im Spiel sind, dann hilft das dem Klima nichts.

Der hessische Bundestagsabgeordnete der LINKEN Jörg Cezanne hat kürzlich die Bundesregierung zu diesem Thema befragt, und da kamen interessante Zahlen heraus: Um die in Deutschland im vergangenen Jahr getankten 10,2 Millionen t an fossilem Kerosin komplett durch synthetische Alternativen zu ersetzen, sind – nach Berechnung der Bundesregierung – 270 TWh Strom notwendig. Das entspricht fast der Hälfte des gesamten jährlichen Stromverbrauchs pro Jahr.

Das ist kurzfristig keine Alternative. Solange es jetzt schon nicht genug Ökostrom im Netz gibt, um den heutigen Strombedarf zu decken, kommt doch jede Kilowattstunde, die darüber hinaus generiert wird, zu 100 % aus fossilen Energien.

In einer fernen Zukunft, in der wir irgendwann einmal möglicherweise sauberen Strom im absoluten Überfluss haben sollten, kann man auch überlegen, ihn im ganz großen Stil zu speichern. Dann ist auch nicht mehr so entscheidend, welche Verluste es dabei gibt, z. B. in der Power-to-Liquid- oder der Power-to-Gas-Technologie oder was auch immer.

Aber dafür haben wir nicht die Zeit. Weder synthetische Kraftstoffe für Verbrenner noch die Brennstoffzelle oder Batterieautos werden uns retten. Entscheidend für das Erreichen der Klimaziele ist, dass wir jetzt schnell und entschlossen umsteuern. Das wird nicht ohne grundlegende wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen gehen. (Beifall DIE LINKE)

Das wird nicht gehen, ohne Energie zu sparen, ohne den Verkehr zu reduzieren, nicht ohne Verkehrswende und Energiewende. Notwendig ist ein konsequenter Ausbau des ÖPNV. Man muss den ÖPNV attraktiv und bezahlbar machen und darf den ländlichen Raum nicht abhängen. Das ist notwendig, wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen. Notwendig ist es, Busse und Bahnen statt Autobahnen auszubauen. Meine Damen und Herren, es ist notwendig, den Lkw-Verkehr zu reduzieren, und natürlich ist es notwendig, den Flugverkehr zu reduzieren.

Sie haben die Frage der Kurzstreckenflüge angesprochen: Man muss nicht von Frankfurt nach Stuttgart fliegen; man kann es aber. Als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, war das noch siebenmal am Tag möglich. Solche Flugverbindungen müssen ersetzt werden. Wir brauchen eine klimafreundliche Art der Fortbewegung. Dazu brauchen wir den Ausbau der Bahn und des Schienensystems in

Deutschland. Das ist notwendig, und das ist viel sinnvoller, als eine Ablenkungsdebatte darüber zu führen, wie man die Antriebstechnik austauschen kann; denn das wird in diesem Fall kurzfristig überhaupt nicht möglich sein, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Ja, es kann sein, dass die Power-to-liquid-Technologie in der mittelfristigen Zukunft ein Baustein für die Treibstoffgewinnung ist. Deshalb ist es gut, weiter auf diesem Gebiet zu forschen. Aber es darf nicht als Feigenblatt dienen, um den Flugverkehr grünzuwaschen und ansonsten ein bisschen so weiterzumachen wie bisher und zu sagen: Wir arbeiten ja an technologischen Lösungen.

Wenn wir die Klimaziele noch erreichen wollen, dann brauchen wir den zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, ohne gegen jedes Windrad zu kämpfen. Das geht an die Adresse der FDP, aber auch an Teile der CDU. Wir brauchen Strategien zur Verkehrsvermeidung und zur umweltfreundlichen Verkehrswende.

Das will die CDU nicht, und die GRÜNEN scheuen den Konflikt mit den Klimasündern, mit der Industrie, und vor allem scheuen sie auch den Konflikt mit ihrem Koalitionspartner. Deswegen ist die Debatte, die wir heute führen, nicht völlig unwichtig, aber sie wird uns beim Erreichen der Klimaziele nicht helfen. Dazu bräuchten wir andere Maßnahmen in Hessen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)