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Rede

Janine Wissler zum Haushalt 2021 - Bereich Wissenschaft und Kunst

Janine Wissler
Janine WisslerHaushalt und FinanzenKulturWissenschaft

In der 61. Plenarsitzung am 9. Dezember 2020 diskutierte der Hessische Landtag über den Haushalt des Landes Hessen für das Jahr 2021. Für den Bereich Wissenschaft und Kunst sprach unsere Fraktionsvorsitzende Janine Wissler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Der Einzelplan 15 ist eine Gelegenheit, über die schwierige Situation Studierender in der Corona-Pandemie zu sprechen. Die Situation ist in der Tat schwer und wird noch dadurch verschärft, dass viele ihre Nebenjobs, z. B. in der Gastronomie, verloren haben. Die Seminare finden fast nur noch digital statt. Das ist gerade für Studierende im ersten Semester sehr schwierig, die sich an der Hochschule erst einmal orientieren müssen. Ein Teil der Praktika kann nicht absolviert werden.

Man muss auch sehen, dass viele Studierende nicht einfach ihre Eltern um Geld fragen können, weil diese ebenfalls von der Pandemie betroffen sind und ebenfalls Einkommensverluste erlitten haben.

Über ein Viertel der Studierenden musste sich Corona-bedingt zusätzlich verschulden. Laut Angaben der KfW haben Studierende zwischen März und Oktober rund 1 Milliarde € an Schulden aufgenommen. Das war ein viermal höherer Betrag, als im entsprechenden Zeitraum des Vorjahres aufgenommen worden war. Das heißt, die Studierenden sind in einer äußerst schwierigen Situation.

Ich muss an der Stelle sagen: Von der Bundesregierung und insbesondere von der zuständigen Ministerin, Frau Karliczek, kommt da sehr wenig. Erst kam überhaupt nichts. Dann hat man gesagt: BAföG wird ein Semester länger bezahlt. – Ein großer Teil der Anträge auf Gewährung von Überbrückungshilfen wird abgelehnt, weil die Studierenden entweder nicht nachweisen können, dass sie notleidend genug sind, oder nicht nachweisen können, dass ihre Notsituation ohne Zweifel durch Corona verschuldet ist. Auch die Studienkredite sind problematisch, weil sie irgendwann zurückgezahlt werden müssen.

Von daher gesehen, muss ich sagen: Das ist eine absolute

Fehlleistung der Bundesregierung. Die Studierenden gehen vollkommen unter. Wir brauchen dringend eine Reform des BAföG, und wir brauchen Hilfen des Bundes für die Studierenden.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will an der Stelle noch sagen: Vom Land gab es zwar ein paar Hilfen, aber auch die waren nicht ausreichend. In der Tat sehe ich an der Stelle aber hauptsächlich den Bund in der Pflicht.

Aufgabe des Landes ist die Schaffung der sozialen Infrastruktur, die die Studierenden benötigen. Das ist eine Aufgabe des Landes, und deshalb müssen wir über die Situation der Wohnheime reden, die hoch problematisch ist. Das zeigt sich in der Corona-Pandemie selbstverständlich noch stärker, aber es geht um Probleme, die nicht pandemiebedingt sind.

Wir haben die Situation, dass die Zahl der Studierenden seit 2007 um 47 % gestiegen ist, die Zahl der für Studierende zur Verfügung stehenden Wohnheimplätze aber nur um 8 % gestiegen ist. Das heißt, wir haben hier ein echtes Problem. Eine Stadt wie Frankfurt mit Zehntausenden von Studierenden hat nicht einmal 3.000 Wohnheimplätze. Die Kosten für studentisches Wohnen sind selbst in den Wohnheimen häufig zu hoch für die BAföG-Pauschale, und wenn man als Studierender versucht, auf dem freien Wohnungsmarkt eine Wohnung zu bekommen, dann reicht das Geld sowieso nicht. Ich finde, da muss die Landesregierung unbedingt mehr tun; denn Hessen steht bezüglich der Wohnraumquote für Studierende im Ländervergleich auf dem drittletzten Platz. Hier muss daher dringend etwas passieren, da die Zahl der Studierenden viel schneller steigt als die Zahl der Wohnheimplätze.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Wir müssen auch über die Finanzierung der Studentenwerke reden. Auch da haben wir ein Problem, weil der prozentuale Anteil des Landes immer weiter sinkt. Auf die Studentenwerke sind gerade die Studierenden angewiesen, die keine reichen Eltern haben und die es sowieso schon schwer hatten, den Weg an die Hochschule zu finden. Der Landesanteil liegt mittlerweile bei unter 10 %. Auch hier, finde ich, brauchen wir dringend eine Stärkung der sozialen Infrastruktur für die Studierenden.

(Beifall DIE LINKE)

Ich kann jetzt nicht lange auf die grundsätzliche Unterfinanzierung der Hochschulen eingehen – Fragen, die wir im Rahmen des Hochschulpaktes diskutiert haben –, auf das schlechte Betreuungsverhältnis an den Hochschulen und auf die viel zu hohe Zahl befristeter Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen. Fakt ist aber, dass wir dringend mehr Mittel für die Studierenden, für die Hochschulen und für die dort Beschäftigten brauchen.

Ich will zum Bereich Kunst und Kultur kommen; denn in der Tat ist das Ministerium für Wissenschaft und Kunst hier nicht untätig gewesen. Man hat einiges gemacht. Ich denke z. B. an die Stipendienprogramme oder an das Kulturpaket, jetzt auch an das Rettungspaket „Neustart“. Da wurde durchaus etwas gemacht.

Die Situation der Kulturschaffenden in der Corona-Situation ist dramatisch. Es besteht aber auch der Eindruck, dass die Bearbeitung von Anträgen auf Finanzhilfe teilweise immer noch zu lange dauert und dass es da bürokratische Hürden gibt. Das ist eine zusätzliche Belastung für die Betroffenen.

Einen Punkt finde ich an der Stelle wichtig: dass wir die Kultureinrichtungen darauf vorbereiten, schon jetzt darauf zu schauen, unter welchen Bedingungen sie – wann auch immer – wieder öffnen können. Wir wissen nicht, ob die Theater, die Museen und die Kinos ab dem 1. März oder ab dem 1. Februar wieder öffnen können. Ich finde es aber wichtig, jetzt schon darüber zu diskutieren, unter welchen Bedingungen dies geschehen kann. Gelten dann 5 m² pro Person, 3 m² pro Person? Müssen Luftfilter eingebaut sein? Wenn man ihnen erst kurzfristig sagt, unter welchen Bedingungen sie wieder öffnen dürfen, dann ist das alles noch schwieriger.

Wir haben in Hessen eine sehr reiche Kulturszene, sowohl in Bezug auf die Staatstheater und die Landesmuseen als auch bezüglich der freien Kulturszene. Wir müssen die Kulturszene insgesamt unbedingt erhalten; denn Kultur ist systemrelevant. Auch nach der Krise muss es eine kulturelle Vielfalt in Hessen geben.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Ich komme zum Schluss. Wir haben die Frage der Länge meiner Redezeit zwar noch nicht abschließend geklärt, Herr Präsident, aber ich löse das Problem jetzt pragmatisch und komme zum Schluss.

Ich will ein Letztes sagen. Herr Grobe hat eine furchtbare Rede gehalten. Das ist man von der AfD gewohnt. Ich will nicht zu allem, was er gesagt hat, etwas erwidern. Ich will nur eines sagen: Sie haben George Orwell zitiert. George Orwell war Sozialist. Er hat im spanischen Bürgerkrieg mit den Internationalen Brigaden und mit der POUM – das M steht übrigens für Marxismus, den Sie so verachten – gegen den Faschismus gekämpft. Orwell hat gegen den Faschismus gekämpft, er hat gegen die Rechten gekämpft, er hat gegen solche Ideologien gekämpft. Würde George Orwell heute noch leben, dann würde er die AfD und ihre Politik verachten. Hören Sie deshalb bitte auf, Leute wie George Orwell für Ihre Politik heranzuziehen.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)