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Rede

Janine Wissler zur Änderung des Mobilitätsfördergesetzes

Janine Wissler
Janine WisslerVerkehr

In seiner 54. Plenarsitzung am 30. September 2020 diskutierte der Hessische Landtag über eine Änderung des Mobilitätsfördergesetz. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden und verkehrspolitischen Sprecherin Janine Wissler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Die Anhörung hat aus unserer Sicht bestätigt, was eigentlich schon vorher absehbar war, nämlich dass es natürlich sinnvoll ist, dass eine Kommune gefördert wird, wenn sie notwendigerweise ihren Fahrzeugpark erneuert. Wenn Elektrobusse und sogar Elektro-Pkw nach bisherigem Wortlaut gefördert werden können, dann ist, ehrlich gesagt, nur schwer vermittelbar, warum Elektrobusse auf Schienen, also Straßenbahnen, nicht gefördert werden sollen.

(Beifall DIE LINKE)

Wer Straßenbahnnetze ausbauen will, der braucht mehr Fahrzeuge. Dann können elektrisch betriebene Fahrzeuge Dieselbusse ersetzen. Auch das ist sinnvoll und wünschenswert.

Das Mobilitätsfördergesetz im gleichen Zug um 20 Millionen €, also um 20 % der bisherigen Summe, aufzustocken, wie es der SPD-Gesetzentwurf vorsieht, ist, wie ich finde, eigentlich fast noch der wichtigere Teil des Gesetzentwurfs, weil es auch ein Schritt davon weg wäre, bei der bisherigen Festschreibung zu bleiben, dass 50 % der Mittel in den Straßenbau fließen sollen; denn diese 20 Millionen € sollen natürlich dem ÖPNV-Teil zugeschlagen werden. Wir halten es explizit für richtig, dass es eine Priorisierung der Mobilitätsfördermittel gerade für den ÖPNV gibt. Darin waren sich auch die angehörten Kommunen einig. Ich habe mich übrigens gefreut, dass auch ein Vertreter der Stadt Wiesbaden dabei war, obwohl es dort noch gar keine Straßenbahn gibt. Wir hoffen sehr, dass sich das bald ändert.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

In der Landeshauptstadt Wiesbaden steht in wenigen Wochen, am 1. November, ein Bürgerentscheid über das Projekt Citybahn an. Wer Wiesbaden kennt und den ÖPNV hier nutzt, der weiß, das Busnetz ist an seiner absoluten Belastungsgrenze. An Stationen wie dem Hauptbahnhof oder der Innenstadt kommen die Gelenkbusse teils im Minutentakt – hier geht überhaupt nichts mehr. Deshalb ist es sinnvoll, Busse durch Straßenbahnen zu ersetzen. Das bietet mehr Kapazitäten, und Bahnlinien sind in der Regel auch beliebter als Buslinien: Durch größeren Fahrkomfort, mehr Platz und die eindeutige Linienführung haben Bahnlinien eine höhere Akzeptanz bei Fahrgästen als Busse. Deshalb freuen sich auch viele Wiesbadenerinnen und Wiesbadener über diese hohe Investition in die Infrastruktur der Stadt Wiesbaden und darüber, dass Wiesbaden klimafreundlicher wird und die Verkehrswende hinbekommt.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Deshalb ist es schon ein bisschen ärgerlich, dass in Wiesbaden ein – ich nenne es einmal so – etwas schmutziger Wahlkampf geführt wird, mit Lügen über angeblich für die Citybahn zu fällende Alleen auf Plakaten. Ich hoffe, dass die Wiesbadenerinnen und Wiesbadener sich davon nicht beeindrucken lassen. Die Bürgerinitiative Pro Citybahn widerlegt diese Behauptung auch sehr überzeugend auf ihrer Website.

Ich habe gelesen, dass sich die IHK Wiesbaden gestern per Abstimmung hinter die Citybahn gestellt hat. Da merkt man schon, dass es jetzt sehr einsam um die Wiesbadener FDP wird. Und selbst bei der FDP im Landtag hat man offensichtlich ein paar Sympathien für Straßenbahnen.

(Zuruf René Rock (Freie Demokraten))

Von daher kann man nur hoffen, dass diese Straßenbahn die Chance eröffnet, den Straßenraum neu zu verteilen, die Stadt lebenswerter zu machen, die Mobilität zu verbessern – alles gute Gründe, um dem Bürgerentscheid einen guten Ausgang zu wünschen und den Wiesbadenern zu wünschen, dass sie ihre neue Straßenbahn bald einweihen können.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Zurück zum Mobilitätsfördergesetz. Auch die 20 Millionen € mehr, die die SPD jetzt beantragt hat, lösen leider einen Geburtsfehler nicht. Die Fördersumme ist bereits überzeichnet. Für alles, was sie leisten soll, reicht die Summe kaum. Wir reden hier über Fördermittel für Verkehrsinvestitionen in Höhe von bisher 100 Millionen € im Jahr, die infolge der Föderalismusreform mittlerweile aus den Umsatzsteuereinnahmen vom Bund fließen und vom Land weiterverteilt werden.

Diese 100 Millionen € als Ganzes wären für die Verkehrswende dringend notwendig, und dafür sind sie schon knapp genug. Um eine Relation herzustellen, muss man einmal auf die laufende Verlängerung der U 5 ins Frankfurter Europaviertel hinweisen, die nach aktuellem Stand etwa 400 Millionen € kosten würde. Nur, um einmal eine Relation herzustellen, wie wenig diese 100 Millionen € eigentlich sind: Von diesen 100 Millionen € fließen dann eben auch noch 50 % in die Investitionen für den Straßenverkehr; so hat es die schwarz-grüne Mehrheit damals beschlossen.

Es wäre aber wirklich ein mutiger Schritt gewesen, wenn man beim Mobilitätsfördergesetz gesagt hätte, wir geben dem ÖPNV – –

(Unruhe)

– Es wird bei der FDP noch die Straßenbahn diskutiert?

(Zurufe René Rock und Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten))

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Lassen Sie bitte Frau Wissler ausreden.

Janine Wissler (DIE LINKE):

Es wäre ein mutiger Schritt gewesen, der Mittelvergabe da klaren Vorrang einzuräumen. Notwendig ist eine echte Verkehrswende.

(René Rock (Freie Demokraten): Nicht alles ist Offenbach, Herr Minister! – Weitere Zurufe Freie Demokraten und Minister Tarek Al-Wazir)

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Augenblick, Frau Wissler. – Ich bitte um ein bisschen Ruhe im Saal

(René Rock (Freie Demokraten): Entschuldigung!)

und um absolute Ruhe auf der Regierungsbank, Herr AlWazir.

(Zuruf: Offenbach!)

Janine Wissler (DIE LINKE):

Er ist allein auf der Regierungsbank, er redet mit sich selbst.

(Heiterkeit – Beifall DIE LINKE, SPD und Freie Demokraten – René Rock (Freie Demokraten): Wo ist die Regierung? – Weitere Zurufe)

Notwendig ist eine echte Verkehrswende. In den letzten 20 bis 30 Jahren stagnierte die Verkehrsinfrastruktur weitgehend. Deshalb ist besonders wichtig, den Ausbau und den Bau kommunaler Bahninfrastruktur zu fördern, die sonst nicht ohne Weiteres zu stemmen wäre.

Gemeinden müssen in ihre ÖPNV-Infrastruktur investieren können – gerade auf dem Land. Deshalb: Mehr Geld in die Straßenbahnnetze zu stecken, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich finde, dass die Anhörung diese Ansicht klar bestätigt hat.

Deshalb werden wir dem SPD-Gesetzentwurf natürlich zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD und Jürgen Lenders

(Freie Demokraten))