Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Janine Wissler zur Stärkung der Wahlbeteiligung an hessischen Hochschulen

Janine Wissler
Janine WisslerWissenschaft

In seiner 57. Plenarsitzung am 10. November 2020 diskutierte der Hessische Landtag über die Frage, wie die Wahlbeteiligung an den Hochschulen verbessert werden kann. Dazu die Rede unserer hochschulpolitischen Sprecherin und Fraktionsvorsitzenden Janine Wissler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Wir sprechen angesichts des Gesetzentwurfs der FDP über zwei ein bisschen unterschiedlich gelagerte Themenfelder. Die eine Frage betrifft die Zulässigkeit von elektronischen Wahlen, in dem Fall zur verfassten Studierendenschaft. Aber das ist eine Diskussion, die wir generell führen: wie wir unter Pandemiebedingungen – wo wir gerade Schwierigkeiten haben, Listen aufzustellen – Wahlversammlungen durchführen. An der Stelle haben die CDU und DIE LINKE eine Gemeinsamkeit: dass wir schon das ganze Jahr versuchen, Vorsitzende zu wählen.

(Zuruf Nancy Faeser (SPD))

Sie schaffen es nicht, und wir schaffen es nicht, weil man unter Pandemiegesichtspunkten gerade schwierig Parteitage stattfinden lassen kann und elektronische Wahlen nicht möglich sind.

(Zuruf)

– Sie brauchen vielleicht ein bisschen mehr Zeit, das kann sein. – Ich glaube, wir hätten es schon machen können, aber es ging aus anderen Gründen nicht. Daher diskutieren wir gerade darüber, ob wir Regeln so verändern, dass in der Pandemie von den bisherigen Wahlverfahren abgewichen werden kann, um z. B. elektronische Abstimmungen zu ermöglichen.

Ich finde, man muss das sehr gut überlegen und sehr gut darüber diskutieren, weil es eine ganze Menge Gründe gibt, die dagegen sprechen, weil bei elektronischen Wahlverfahren die Nachvollziehbarkeit einfach nicht mehr da ist und weil sie manipulierbar sind. Daher sage ich gar nicht, dass ich dagegen bin. Ich finde, dafür ist eine Anhörung gut: um über so etwas diskutieren zu können, um das Pro und Kontra abwägen zu können. Aber, ich finde, man muss die Bedenken dagegen sehr ernst nehmen, damit man nicht in der Pandemie Tatsachen schafft. Letztlich stellt sich die Frage, ob man viele andere Wahlverfahren nicht auch elektronisch durchführen könnte. Ich meine, da hat das Bundesverfassungsgericht bisher etwas dagegen. Ich finde, das muss man an der Stelle einfach zu Ende denken. Deswegen haben wir da ein Stück weit eine gewisse Skepsis.

Die andere Frage, über die wir reden müssen: Was sind eigentlich die Gründe dafür, dass die Wahlbeteiligung an den Wahlen zum Studierendenparlament oder zur verfassten Studierendenschaft so gering ist? Ich würde sagen, das liegt nicht nur daran, dass das Wahlprozedere irgendwie kompliziert wäre. Die Studierenden bekommen die Unterlagen geschickt, und es gibt tagelang Zeit, seine Stimme abzugeben. Ich meine, wir müssen auch überlegen, ob es etwas damit zu tun hat, dass die Entscheidungskompetenzen in der verfassten Studierendenschaft nicht gerade ausgeprägt sind – um es vorsichtig zu sagen –, also ob es mit dem ganzen Autonomieprozess zu tun hat, den es gab. Es sind Kompetenzen vom Ministerium an die Hochschulen verlagert worden, aber dort vor allem an die Präsidien und an die Hochschulräte.

Ich finde, man muss vielleicht auch über so etwas wie das allgemeinpolitische Mandat reden, über die Forderungen der verfassten Studierendenschaft. Wie kann man die verfasste Studierendenschaft so aufwerten, dass man, wenn man sie wählt, sagen kann, man hat da auch etwas zu entscheiden? Ich finde, das müssen wir auch mit diskutieren, das wäre sehr spannend. Sie haben für die HHG-Novelle angekündigt, bei den Rechten der Studierenden noch etwas zu machen. Darauf sind wir sehr gespannt. Darin würde ich auch einen Schlüssel sehen.

Insgesamt sehen wir aber, dass das politische Engagement teilweise sowieso an vielen Stellen zurückgegangen ist, also nicht nur bei der Wahlbeteiligung, sondern auch bei den Leuten, die bereit sind, sich wählen zu lassen. Da müssen wir überlegen, ob das etwas mit der Verdichtung von Studiengängen zu tun hat, mit der Verkürzung von Studiengängen oder mit der wachsenden Zahl von Studierenden, die nebenher arbeiten müssen, also damit, ob überhaupt noch die Zeit da ist, sich in solchen Gremien einzubringen.

Ich selbst habe zwei Jahre lang im Studierendenparlament in Frankfurt gesessen und habe hoffentlich dazu beigetragen – Herr Grobe –, den „links-grün versifften“ Mainstream und das Klima an der Frankfurter Uni mit zu stärken.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Weil Sie gerade sehr angefasst auf die Bemerkung der Kollegin Dr. Sommer reagiert haben, will ich nur sagen: Es gibt Bilder von Ihnen – die habe ich gesehen –, auf denen zu sehen ist, dass Sie sehr wohl in der Lage sind, eine Maske zu tragen, nämlich eine Maske, auf der steht: „MerkelBurka“. Es scheint möglich zu sein; aus propagandistischen Gründen konnten Sie offensichtlich doch eine Maske tragen, wenn es politisch gerade passt. Aber ich finde, wer mit Aufschriften wie „Merkel-Burka“ durch die Gegend rennt und derartig austeilt, sollte vielleicht aufpassen, nicht bei jedem Kommentar, der hier gemacht wird, als Sensibelchen – –

(Zuruf Robert Lambrou (AfD))

– Herr Lambrou, ich sage es einmal mit den Worten der AfD: Das wird man doch noch sagen dürfen.

(Anhaltender Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, SPD, Freie Demokraten und vereinzelt CDU)

Wer permanent so austeilt wie Sie, muss sich nicht wundern, wenn dann auch etwas zurückkommt.

(Zurufe Robert Lambrou (AfD))

In diesem Sinne: Lassen Sie uns über den Gesetzentwurf diskutieren. Ich finde, es ist ein absolut legitimes Anliegen, das die FDP hat. Die Diskussion sollten wir führen, die sollten wir im Ausschuss führen. Lassen Sie uns bei der HHG-Novelle darüber reden, wie wir die Rechte der verfassten Studierendenschaft ausweiten können, damit wir die Demokratisierung an den Hochschulen voranbringen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)