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Rede

Kein Logistikzentrum in Neu-Eichenberg – Beton kann man nicht essen

Marjana Schott
Marjana SchottLandwirtschaft und TierschutzUmwelt- und Klimaschutz

Rede Marjana Schott am 11. September 2018 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –

Dr. 19/6777

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste,

Die 80 Hektar Ackerböden bei Neu-Eichenberg, die das Land Hessen verkaufen will, haben zwischen 70 und 85 Bodenpunkte. Sie zählen damit zu dem besten Viertel an Ackerböden, das es in Deutschland gibt und der Hessische Landtag macht den Weg dafür frei, diese Flächen zu zubetonieren.

Das ist ein Skandal!

Wir brauchen in Hessen auch Logistikzentren. Auf fruchtbaren Äckern jedoch gehört das verboten. Wir fordern von der Hessischen Landesregierung ein Moratorium, das den Verkauf guter Ackerflächen an landwirtschaftsferne Investoren sofort stoppt. In Nordhessen, wie in der Wetterau!
Dieser Sommer sollte doch allen gezeigt haben, dass wir in Zukunft auf jeden Hektar guten Bodens angewiesen sein werden, um in Zeiten des Klimawandels die Menschen in unserem Land ernähren zu können. Beste Ackerböden zu versiegeln, verstößt gegen die Nachhaltigkeitsstrategie von Land und Bund, konterkariert das Projekt Ökomodellregion Nordhessen, verstößt in eklatanter Weise gegen die Pflicht der Daseinsvorsorge des Landes, ist klimaschädlich und in hohem Maße verantwortungslos.

Erschütternd ist die Ignoranz und die Geschwindigkeit mit der CDU, Grüne, SPD und FDP versuchen, diesen Verkauf durch den Landtag zu peitschen. Unser Antrag im Haushaltsausschuss, die Entscheidung zu verschieben, um die Änderung des Bebauungsplans, die gestartete Petition, die Frage der Kostenübernahme durch die Gemeinde und die Antworten auf unsere Anfrage abzuwarten, wurde - unter Ausschluss der Öffentlichkeit - abgelehnt.
Beim Verscherbeln öffentlichen Eigentums ist bei dieser Landesregierung offensichtlich größere Eile geboten, als bei der Beantwortung von parlamentarischen Anfragen. Seit 2002 wird an dem Logistikprojekt gearbeitet. Was treibt sie jetzt so zur Eile?

Die Legende besagt, weil vorherige Landesregierungen dem Verkauf zugestimmt hätten, könne man nicht mehr zurück. Die Vermarktung der Äcker wird federführend von der Hessische Landgesellschaft (HLG) vorangetrieben.

Seit fast fünf Jahren stellen die Grünen die entscheidenden Minister und sind im Aufsichtsrat der HLG mit Staatssekretär Mathias Samson und Staatssekretärin Dr. Beatrix Tappeser aus dem Umweltministerium vertreten. Die Staatsaufsicht über die HLG hat der Hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir. 2015 hat die Umweltministerin die „Ökolandbau-Modellregion Nordhessen“ eingerichtet, dazu gehört auch Neu-Eichenberg. Und da wollen die Grünen nicht gemerkt haben, dass die HLG einen neuen Anlauf zur Vermarktung der Ackerböden gestartet hat?
Nachdem das Projekt 2009 floppte, hätten die Grünen doch vielfältige Möglichkeiten gehabt, der Gemeinde eine nachhaltige, umweltverträgliche Entwicklung, alternativ zum Logistikzentrum zu ermöglichen, auch um aus der Zusage vorheriger Regierungen auszusteigen ohne vertragsbrüchig zu werden. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie, im Rahmen der Ökomodellregion. Warum ist das nicht passiert?

2017 haben die Gemeindevertreter von SPD und CDU - unter den Augen der Grünen Aufsichtsratsmitglieder und Minister - mit der HLG einen sogenannten Bodenbevorratungsvertrag abgeschlossen. Warum sind sie nicht eingeschritten? Das sind nicht nur verpasste Chancen, das sind Versäumnisse in der Aufsicht. Und da berichtet uns die Umweltministerin vor zwei Wochen im Umweltausschuss, dass das alles vor Ihrer Zeit gewesen sei und sie nichts hätte ändern können. Das ist doch Heuchelei!

Aber die Ministerin sei dagegen und bedauere die Entscheidung genauso wie Kollege Kaufmann im Haushaltsausschuss.

Bedauern, dagegen sein und dann dem Verkauf zustimmen. Für wie dumm wollen Sie eigentlich die Menschen vor Ort verkaufen?

Immerhin erklärten die Grünen, dass das Ziel ihrer Regierung sei, die Versieglung auf 2,5 Hektar pro Tag zu reduzieren und bis 2030 zu einer Netto-Null-Versieglung zu kommen. Um den Koalitionsfrieden zu erhalten, kümmert es sie aber gar nicht mehr, dass beste Böden betoniert werden. Ihnen ist die Harmonie in der Koalition bis zum letzten Tag wichtiger.
Lieber mit Beton Regieren als unsere Ernährungsgrundlagen und das Klima schützen. Dahin führt Grüner Opportunismus in Hessen!

Kommen wir jetzt nochmal zur Rolle der Hessischen Landgesellschaft. Dass die HLG einer Gemeinde wie Neu-Eichenberg, mit einem Jahreshaushalt von ca. 3 Millionen Euro, Entwicklungskosten zwischen 900.000 und 1,2 Millionen Euro anhängt, falls das Logistikzentrum nicht zustande kommt, ist nicht akzeptabel. Es ist nicht die Aufgabe einer Gesellschaft, die zu 61 % dem Land gehört, Kommunen in desaströse Geschäfte ohne Ausstiegsoption zu verwickeln. Unter einer „Staatlichen Treuhandstelle für ländliche Bodenordnung“ stellen wir uns etwas anderes vor. Es wäre die Aufgabe der HLG, guten Ackerboden zu bewahren und nicht zu verscherbeln. Minister Al-Wazir muss einschreiten, wenn die HLG mit Kommunen Geschäfte anbahnt, die sie in den Ruin stürzen können.

Es stellt sich die Frage, wer überhaupt von diesem Geschäft profitiert? Ob das Logistikzentrum Neu-Eichenberg mehr Geld, mehr Arbeitsplätze und mehr Wohlstand bringt, ist fraglich.
Sicher ist, dass es mehr Lärm, mehr Luftverschmutzung und weniger Landwirtschaft geben wird.
Wer finanziell profitiert, ist die HLG, die für 2017 einen Rekordgewinn von knapp 7 Millionen Euro vermeldete. Das Land Hessen ist also Gewinner und - wenn der Deal platzt - Haupt-Gläubiger der Gemeinde. Darüber sollten wir nochmals sprechen.

Der Hauptgewinner ist aber der Käufer, die Dietz Ag. Der Bebauungsplan wird, zum Nachteil der Menschen vor Ort, auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Wenn der Bebauungsplan nicht nach ihren Vorstelllungen geändert wird, ermöglicht der bescheidene Vertrag mit der HLG der Dietz Ag eine einseitige Kündigung. Die Kosten landen dann bei der Gemeinde. Ein Geschäft ohne Risiko für die Dietz Ag, in deren Aufsichtsrat der ehemalige Hessische Wirtschaftsminister Lothar Klemm von der SPD sitzt. Angeleiert wurde das Logistikprojekt von dem ehemaligen SPD-Bürgermeister Wolfgang Fischer und einer der Hauptunterstützer des Projektes ist der SPD-Landrat Stefan Reuß. Das offenbart ein ganz eigenes Verständnis der SPD von Entwicklung. Gemeinwohlorientiert ist das sicher nicht.

Wir fordern die Landesregierung auf den Fall zu prüfen und der Gemeinde den Ausstieg aus dem Vertrag zu ermöglichen. Der Landtag muss die Entscheidung über den Verkauf aussetzen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.