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Rede

Landesregierung lässt sich vom Rhön-Konzern am Nasenring durch die Manege ziehen – Privatisierung des UKGM war, ist und bleibt ein Fehler, der korrigiert werden muss!

Jan Schalauske
Jan SchalauskeGesundheitWissenschaft

Rede von Jan Schalauske im Hessischen Landtag am 1. Juni 2017 zur aktuellen Stunde der CDU-Fraktion „Das Zukunftskonzept für das Universitätsklinikum Gießen und Marburg ist ein großer Erfolg und ein wichtiges Signal an die Patienten, die Beschäftigten, ihre Familien und für die Gesundheitsregion Mittelhessen“

– Es gilt das gesprochene Wort –

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

die Vereinbarung zwischen dem Rhön-Konzern und der Landesregierung, die Sie hier als ein „Zukunftskonzept“ bejubeln, ist kein Grund zum Feiern. Weder für Sie und erst Recht nicht für die Patienten und Beschäftigten!

Noch im Dezember hat Wissenschaftsminister Boris Rhein die Forderungen des Rhön-Konzerns nach höheren Finanzzuweisungen durch das Land scharf zurückgewiesen. Der Minister erklärte, das Land Hessen würde Forschung und Lehre am Universitätsklinikum Gießen und Marburg auskömmlich finanzieren.

Und was machen Sie heute? Heute stellen Sie Ihre Vereinbarung mit der Rhön-AG als großen Erfolg dar. Ein großer Erfolg ist diese Vereinbarung vor allem für einen: Für den Rhön-Konzern und seine Aktionäre. Die Landesregierung hat sich mal wieder von der börsennotierten Aktiengesellschaft am Nasenring durch die Manege ziehen lassen. Sie sind den Forderungen von Rhön nach einer Erhöhung der finanziellen Mittel brav nachgekommen und erhöhen die Landeszahlungen um jährlich 15 Mio. Euro.  

Natürlich begrüßen wir es als LINKE, wenn zusätzliche Mittel in Forschung und Lehre investiert werden. Aber wie garantieren Sie, dass die Mittel, die eigentlich für Forschung und Lehre gedacht sind, nicht für die Renditeerwartungen der Aktionäre zweckentfremdet werden? Warum sind Sie bereit dem privaten Betreiber 13 Millionen Euro Investitionskostenzuschuss zu geben, ohne den Einfluss des Landes mit Hilfe einer Erhöhung der Anteile am UKGM zu erhöhen?

Und Sie müssen sich die Frage gefallen lassen, wieso bekommt das UKGM eine Erhöhung und etwa das Universitätsklinikum Frankfurt keine?

Und was haben eigentlich die Kolleginnen und Kollegen am Klinikum, die tagtäglich unter schwierigen Bedingungen ihr Bestes geben, um eine gute Patientenversorgung zu gewährleisten, von diesem konzernfreundlichen Deal? Es sind doch die Beschäftigten und Patienten, die die Zustände am privatisierten UKGM, die Sie verantworten, tagtäglich ausbaden müssen.

Und wenn sich die Landesregierung dafür selbst beweihräuchert, dass in den nächsten fünf Jahren betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden und Auszubildende nach Leistung übernommen werden sollen, dann muss sie doch endlich zur Kenntnis nehmen, dass die Arbeitsbelastung für die Kolleginnen und Kollegen enorm gestiegen ist!

Im letzten Jahr wurden im Klinikum 40 Prozent mehr Patienten behandelt als 2005. Der Personalaufbau lag in dieser Zeit lediglich bei 14,6 Prozent. Der Betriebsrat beklagt Jahr für Jahr hunderte Überlastungsanzeigen, allein im vergangenen Jahr  677, eine stetig wachsende Zahl von Überstunden. Was ist mit dem stillen Stellenabbau in vielen Bereichen, der seit Jahren beklagt wird?
Die Gewerkschaft ver.di fordert einen Tarifvertrag „Gesundheitsschutz und Entlastung“. Und die Landesregierung? Die schweigt mal wieder!

Ohnehin: Die Landesregierung ignoriert seit Jahren die Probleme der Beschäftigten. Selbst 55.000 Unterschriften aus der Region gegen Stellenabbau, für mehr Personal, für Personalmindeststandards und eine gute Gesundheitsversorgung ließen Sie eiskalt.

Wenn diese Einigung zwischen Rhön-Konzern und der Landesregierung eines zeigt, meine Damen und Herren: Die Privatisierung eines Universitätsklinikums war und ist und bleibt ein großer Fehler und dieser Fehler gehört endlich korrigiert!

Und möglicherweise haben Sie bald Gelegenheit dazu. Wer  die Entwicklungen beim Rhön-Konzern
verfolgt, kann größere Änderungen bei den Eigentümerstrukturen ausmachen. Sollte der Rhön-Konzern das UKGM verkaufen, dann hat das Land ein Rückkaufsrecht. Wir fordern die Landesregierung auf, bereiten Sie sich für den Fall der Fälle vor, nutzen Sie die Change-of-Control-Klausel und holen Sie uns unser Klinikum zurück!

Wenn die Landesregierung die europaweit einzigartige Privatisierung eines Universitätsklinikums noch immer als Erfolgsgeschichte feiert, dann sei ihr gesagt: Den einzigen Erfolg, den der Verkauf unserer mittelhessischen Universitätskliniken gebracht hat, dann dass, dass aufgrund des abschreckenden Beispiels UKGM, niemand in Deutschland mehr auf die aberwitzige Idee kommt, ein Universitätsklinikum zu verkaufen. Dass, meine Damen und Herren, das ist ihr einziger Erfolg. Zugegeben ein verdammt Bitterer!

Unser größter Respekt und Anerkennung gilt den Kolleginnen und Kollegen am UKGM, die tagtäglich trotz schwieriger Bedingungen großartige Arbeit leisten. Wir werden ihre Aktivitäten für mehr Personal und Entlastung weiterhin tatkräftig unterstützen!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!