Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Mit Taschenspielertricks unter die Milliarden-Grenze

Willi van Ooyen
Willi van Ooyen

- unkorrigiertes Redemanuskript , es gilt das gesprochene Wort -

Meine Damen und Herren, Herr Präsident,

Zur dritten Lesung dieses Nachtragshaushaltes macht schwarz-grün nun das Schauspiel komplett und will verkünden, dass es gelungen sei, die Netto-Neuverschuldung unter die geradezu magische Grenze von einer Milliarde im Plan zu senken. Dazu gratuliere ich ihnen sicher nicht, denn sie wissen genau wie ich, dass dies nur gelingt, weil sie sich reichlich Taschenspielertricks bedienen und weil sie darauf verzichten in diesem Jahr notwendige Schritte in die richtige Richtung zu gehen.

Die Tricks fangen damit an, dass sie sich mit den unerwartet hohen Steuereinnahmen des Jahres 2013 die Rücklagen füllen, und in diesem Jahr damit die unerwartet niedrigen Steuereinnahmen ausgleichen. Das ist aus meiner Sicht vielleicht etwas unschön, weil sie damit vom Prinzip der Jährlichkeit abweichen, in der Sache aber durchaus nachvollziehbar.

Ganz tief in die Trickkiste greifen sie dann aber bei der Weimar-Rücklage. Hier werden dann 108 Millionen Euro aus dem Haushalt gestrichen, verbunden mit der Ankündigung, dass man sie sehr wohl zahlen will. So schönen sie vielleicht den aufgestellten Landeshaushalt um über 100 Millionen. Tatsächliche Verbesserungen bringt das aber gar keine – allein das Ziel der Nettoneuverschuldung unter einer Milliarde wird etwas leichter erreicht.

Die Verunsicherung, die sie damit bei den Beamten des Landes geschürt haben, ist in dieser Rechnung aber noch nicht eingepreist. Und es spricht schon Bände, wie sie diesen Vorgang in der Landesverwaltung kommuniziert haben, wenn der Beamtenbund öffentlich die Sorge äußert, dass die Landesregierung in die Versorgungsrücklage greifen würde. Sie haben ihn nämlich offensichtlich gar nicht mit den Beamtinnen und Beamten besprochen!  Vielleicht stellen sie, Herr Dr. Schäfer aber hier noch einmal öffentlich klar, dass die Pensionsrücklagen nicht angegriffen werden.

Substanzielle Verbesserungen fehlen

Und diese Art Taschenspielertricks ist dann auch die Handschrift, mit der Schwarzgrün diesen Nachtragshaushalt schreibt. Denn weder bei der angekündigten Haushaltskonsolidierung noch bei den notwendigen Mehrausgaben tut die neue Landesregierung irgendetwas Substantielles.

Angefangen bei der Frage der Flüchtlingsunterbringung, wo die Kommunen uns sehr deutlich im Ausschuss erklärt haben, dass das, was die Landesregierung hier vorgibt, zusätzlich zu tun, noch nicht einmal ausreicht um die gegenwärtigen Kosten der Kommunen zu decken.

Vielleicht kommen sie da ja mal ins Nachdenken, wenn die Opposition geschlossen, den gleichen Betrag mehr fordert, um die Kosten der Kommunen bei der Flüchtlingsunterbringung zu decken. Wohl gemerkt: LINKE, SPD und sogar FDP sind sich hier einig, dass die Kommunen in diesem Jahr allein etwa 60 Millionen Euro mehr Geld brauchen, um Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen zu können. Wir können uns sicher noch trefflich darüber streiten, ob die Pauschalen wie sie in Hessen üblich sind, das richtige Mittel sind, oder ob die von uns vorgeschlagene Vollkostendeckung nicht doch besser ist.

Aber wenn sich die Opposition schon einig ist, wie viel die Unterbringung von Flüchtlingen in diesem Jahr mehr kosten wird, dann sollte man als Regierung noch einmal über den eigenen Haushalt nachdenken.  Dergleichen sehe ich aber gar nicht bei dieser Regierung. Ihnen sind die Kommunen egal. Ihnen ist auch egal wie es die Kommunalpolitiker schaffen, diesen Schlamassel auszubaden und wie sie die Menschen, die nach Hessen fliehen menschenwürdig unterzubringen.  Wenn dieser Umgang mit Flüchtlingen und Kommunen der neue Stil von schwarz-grün ist, dann müssen sich die Menschen in Hessen noch auf einiges gefasst machen.

Denn es wird zwar viel darüber gesprochen, was man alles noch gutes vor hat, passiert ist davon aber bisher nichts. Namentlich haben sie zwar viel geworben mit dem Sozialbudget – dass aber kann warten.

Kein Geld für Flüchtlingsunterbringung, aber für Kassel-Calden

Nicht warten kann dagegen in diesem Nachtragshaushalt der Verlustausgleich für den verkehrsberuhigten Flughafen Kassel-Calden. Ich bin schon ziemlich verwundert, dass die Grünen es zwar nicht schaffen, genügend Geld für die Unterbringung von Flüchtlingen bereit zu stellen, auf der anderen Seite aber ohne Skrupel 10 Millionen für eine Flughafen bereit stellen, den niemand braucht und den auch so gut wie niemand in Anspruch nimmt.

Herr Kaufmann von den Grünen hat immer wieder in der Vergangenheit betont, dass er es für falsch hält, vielem verschwendetem Geld immer weitere Mittel hinterher zu werden. Jetzt in der Regierung tun sie aber genau das. Dabei würde man das Geld in Nordhessen sicher gut für andere, weitaus sinnvollere Maßnahmen gebrauchen können. Aber mit dem Abbau des Defizits des Flughafen Caldens will man sich noch Zeit lassen – hier kann man mit dem Sparen noch warten.

Nicht warten kann hingegen die Anhebung der Grunderwerbsteuer, die erst für 2015 angekündigt hatten. Das Ziel die Nettoneuverschuldung zu senken steht über allem, nun wenn man nach Calden blickt, jedenfalls fast. Aber hier haben die Grünen dann offensichtlich lieber klein beigegeben. Was die Grunderwerbsteuer angeht, die sie nun schon im laufenden Jahr anheben, da können sicher viele Menschen nur die Augen reiben, hat der Hessische Finanzminister noch zu Beginn des Jahres angekündigt, dass die Anhebung erst 2015 kommt.

Nun – das Unterschreiten der Milliardengrenze bei der Neuverschuldung war dann offenbar doch zu reizvoll. Auch wenn das substantiell nichts bedeutet, weil im Wesentlichen Rücklagen aus dem Vorjahr dazu gebraucht werden. Man spürt deutlich, dass für Schwarzgrün offensichtlich gilt: sozial kann warten, die Schuldenbremse nicht. Und so gilt für diesen Nachtragshaushalt das was Erich Fried in seinem Gedicht „Vom Sparen“ schrieb: „Wenn die Rechnung oben nicht stimmt - heißt es unten Sparen“

Grüne haben Landtag als Spardose entdeckt

Zu einem Punkt will ich dann noch etwas sagen, der sehr ungewöhnlich ist. Wir werden, anders als dies eigentlich üblich ist, dem Haushalt des Landtages nicht zustimmen.Das ist die Folge des neuen Stils, den hier einige eingeführt haben. Konkret geht es offenbar darum, dass die Grünen, sobald sie an den Regierungströgen beteiligt sind, den Landtag als Spardose entdecken. Sie können das ja jetzt auch ganz locker sehen, denn jetzt wo sie in den Ministerien einige ihrer Schäfchen ins Trockene bringen konnten, können sie auch Zusagen wieder aufkündigen, die man bereits vor Monaten geschafft hat. Sie haben offensichtlich kein Interesse mehr daran dieses Parlament dauerhaft so auszustatten, dass es wirksam die Regierung kontrollieren kann.

Damit verlassen sie aber den Grundkonsens dieses Hauses, der bisher immer darin bestand, dass auch die kleinen Fraktionen arbeitsfähig sein müssen. Ihnen war es am Ende dann aber doch zu peinlich, den Fraktionen dieses Hauses keine zusätzlichen Mittel für die Aufklärung der Morde des NSU in Hessen zur Verfügung zu stellen. Deshalb haben sie jetzt auch noch auf den letzten Metern einen Haushaltsantrag dazu gestellt, in dem allerdings die bereits bekannten Kosten nicht vollständig veranschlagt sind.

Treu nach dem Motto: was wir schon bei ihrer Kampagne für die Schuldenbremse gesagt haben: „Schuldenbremse heißt Demokratie-Abbau“.
Diesen neuen Stil, meine Damen und Herren, von CDU und Grünen, sollten sie noch einmal überdenken, wenn ihnen wenigstens an einer gemeinsamen Geschäftsgrundlage dieses Hauses gelegen ist. Denn genau diese kündigen sie mit ihrem Vorgehen auf.