Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Torsten Felstehausen - Mobilfunkkonzerne kommen ihren Verpflichtungen nicht nach – und werden dafür mit Steuergeld belohnt

Torsten FelstehausenDaten- und VerbraucherschutzDigitalisierung

In seiner 125. Plenarsitzung am 25. Januar 2023 diskutierte der Hessische Landtag zum Mobilfunkausbau in Hessen. Dazu die Rede unseres Parlamentarischen Geschäftsführers und digitalpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Der Ausbau einer hessenweiten verlässlichen Mobilfunkversorgung und der Gigabitausbau gehen schleppend voran. Wir können aber feststellen: Nicht überall ist das so. Dort, wo es sich lohnt, wo Profite locken, da drängeln sich die Anbieter. Die Handys zeigen vollen Ausschlag, aber wehe, wenn die Ballungsräume verlassen werden. Dann stellen wir fest: Kein Netz, Verbindungsabbrüche sind an der Tagesordnung. Damit lassen Sie den ländlichen Bereich im Stich und verfestigen die strukturelle Ungleichheit zwischen Stadt und Land in Hessen.

(Beifall DIE LINKE)

In dieser Diskussion geht es nicht nur um die Frage, wo welcher Ausbau stattfinden wird und welche Barrieren dazu abzubauen sind. Als LINKE stellen wir auch die Frage, wer denn von Ihren Programmen profitieren soll und ob es den Menschen am Ende hilft.

Die Teilhabe an digitaler Kommunikation, egal über Breitband oder mobil, ist heute unverzichtbar. Ob es Behördengänge sind, Homeoffice oder Homeschooling, die Kommunikation mit Freunden oder die Unterhaltung: Wer heute diese Form von Kommunikation nicht nutzen kann, der wird zum digitalen Robinson Crusoe. Kommunikation ist unverzichtbarer Bestandteil der Daseinsvorsorge.

Deshalb ist es für uns als LINKE so wichtig, dass alle Menschen unabhängig von ihrem sozialen Status oder ihrem Wohnort an der Kommunikation teilhaben können. Bereits 2013 hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe in Sachen Internetanschluss ein richtungsweisendes Urteil gefällt. Demnach gehört der Anschluss an das weltweite Netz zur Lebensgrundlage und ist nicht mehr als Luxusgut anzusehen. Herr Honka, es geht eben um mehr als nur um Luft und Liebe. An dieser Stelle geht es um ein Grundrecht der Bürgerinnen und Bürger in Hessen.

(Beifall DIE LINKE)

Wir erleben doch, was passiert, wenn Grundrechte der Versorgung dem Markt überlassen werden. Schnelle Tarife gibt es eben nur zu satten Preisen. Ein Handyvertrag ohne positive Schufa-Auskunft geht eben nur in den teuersten Tarifen.

Die digitale Kommunikation ist für viele ein unentbehrlicher Bestandteil ihres Lebens geworden. Aber im Warenkorb von Menschen, die Bürgergeld empfangen, sind nur 32 € dafür vorgesehen. Dafür lässt sich kein Tarif mit Daten und Kommunikation abschließen.

Meine Damen und Herren, die Profitlogik des Marktes lässt keine Versorgung der Menschen zu diesen Preisen mit Telekommunikation und Daten zu. Wer arm ist, wird bereits über das Geld von der Kommunikation abgeschnitten. Das ist es, was DIE LINKE ändern will.

(Beifall DIE LINKE)

Aber auch für die Menschen abseits der Ballungsräume kommen Sie mit Ihrer Digitalpolitik dem Verfassungsauftrag, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, nicht nach. Die Versorgung mit Breitbandanschlüssen und Mobilfunk ist aber entscheidend, wenn es um Standortfragen geht. Wenn weder Homeoffice noch Homeschooling möglich ist, scheidet der gewünschte Wohnort oft von vornherein aus. Gleiches gilt für Gewerbestandorte. Mein Vorredner hat darauf hingewiesen. Die Rechnung ist relativ einfach: kein Internet – keine Ansiedlung. So einfach ist die Gleichung.

Der ländliche Bereich erlebt, wie sich Glasfaser im Schneckentempo verbreitet. Natürlich kann man bei der Veränderung von „gar nicht“ zu „sehr langsam“ von einer Beschleunigung sprechen. Die Menschen erwarten aber etwas anderes von Ihnen. Vor allem erwarten sie mehr Ehrlichkeit. In wohl keinem anderen Politikbereich weichen die Bilder aus Hochglanzbroschüren und Sonntagsoder Landtagsreden weiter von den Alltagserfahrungen der Menschen ab. Da hilft es eben nicht, dass Sie die Zahlen gerade so drehen und darstellen, wie es Ihnen passt.

Tatsache ist, Ihre Zahlen beim Mobilfunk stimmen nur dann, wenn man zufällig ein Handy mit drei SIM-Karten aller drei Anbieter hat und man sich nicht weiter als ein paar Meter vom bebauten Gebiet aufhält. Meine Damen und Herren, sind wir doch einmal ehrlich: Ist es das, was Sie wirklich wollen? Das gab es früher schon. Das hieß Festnetztelefon und Telefonzelle.

(Beifall DIE LINKE)

Sie haben an dieser Stelle den Weg in die Digitalisierung verlassen. Da sind Sie falsch abgebogen.

(Beifall DIE LINKE)

Was die Abdeckung angeht, sind Sie in vielen ländlichen Räumen kaum weitergekommen. Wenn man beim Fahrradfahren abseits von Siedlungen stürzt, wenn es zu Unfällen im Forst kommt oder wenn man im Zug auf Nebenstrecken durch Hessen reist, ist man auf eine gute Netzabdeckung angewiesen. Aber wie so oft stellen wir fest: Fehlanzeige bei Schwarz-Grün.

(Jan Schalauske (DIE LINKE): Die Main-WeserBahn ist aber keine Nebenstrecke!)

Wenn man oft mit der Bahn unterwegs ist, erlebt man, dass man von einem Funkloch ins nächste fährt.

(Beifall Jan Schalauske (DIE LINKE))

Aber es hilft nicht, einfach nur zu schimpfen. Lassen Sie uns fragen, warum das so ist, warum der Ausbau nach Jahrzehnten dem Stand der Technik immer noch nicht entspricht und warum wir Hessen nicht nur im europäischen Vergleich so weit abgeschlagen sind.

Gesetzlich sind die Telekommunikationsanbieter schon lange verpflichtet, die Versorgung der Bevölkerung wirklich flächendeckend sicherzustellen. Dazu haben sie sich bei der Vergabe der Frequenzen verpflichtet. Daher gab es bei den Zahlungen auch hohe Abschläge.

Aber anstatt sich mit den Konzernen anzulegen, versuchen Sie, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Nein, Sie übernehmen mit öffentlichen Mitteln sogar noch die Investitionen, zu denen die Telefonkonzerne gesetzlich eigentlich verpflichtet wären. Das ist für uns LINKE ein Skandal.

(Beifall DIE LINKE)

Mit diesem Kuschelkurs sichern Sie die Profite der Konzerne und zementieren die Unterversorgung der ländlichen Regionen. Das lassen Ihnen die Menschen in Hessen nicht weiter durchgehen.

Während der Bund endlich mit klaren Sanktionen gegen vertragssäumige Anbieter vorgeht, wollen Sie diesen die Masten hinterhertragen und aufstellen. Das muss man sich einmal vorstellen. Sicherlich kann man mit einer Änderung des hessischen Baurechts hier und da Barrieren abbauen und den Ausbau beschleunigen, aber das strukturelle Problem ist doch, dass Sie sagen: Wir brauchen einen marktgetriebenen Ausbau. – Es wird weiter an der Überzeugung festgehalten, dass es der Markt schon regeln werde. Die Realität sieht aber etwas anders aus, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Ein Wort dazu, wie der Mobilfunkausbau und der Ausbau im 5G-Standard zusammenhängen. Gerade dort, wo es keine Breitbandversorgung gibt, wird es auch keinen Mobilfunk im 5G-Standard geben. Diese Fragen müssen nämlich zusammen gedacht und auch zusammen gelöst werden. Auch da stellen wir fest: Fehlanzeige, es bleibt bei dem Stückwerk der schwarz-grünen Koalition.

Nicht anders sieht es bei der Gigabitstrategie der Hessischen Landesregierung aus. Dort, wo keine Profite locken, stockt der Ausbau. Selbst mit einer Millionenförderung in dieser Legislaturperiode – es ist ja angesprochen worden: allein in den letzten Jahren über 250 Millionen € – war es Ihnen bis heute nicht möglich, Hessen im Bundesvergleich aus dem Tabellenkeller zu holen.

(Widerspruch Torsten Leveringhaus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Nur 12,5 % der Haushalte in Hessen haben einen Glasfaseranschluss bis ins Haus. Das heißt im Umkehrschluss, 87,5 % der Haushalte warten bis heute darauf, versorgt zu werden. Meine Damen und Herren, schauen Sie einfach in den Breitbandatlas, der uns vorliegt, dort können Sie diese Zahlen finden.

(Widerspruch Torsten Leveringhaus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

– Ich kann Ihnen gerne Nachhilfeunterricht geben, wenn Sie nicht in der Lage sind, die Zahlen richtig zu interpretieren. Vielleicht ist das ein Teil Ihres Problems.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei gab und gibt es gute Beispiele, wie es anders gehen kann. In Nordhessen, also dort, wo ich herkomme, haben sich fünf Landkreise zusammengeschlossen, weil sie nicht länger warten wollten. Als öffentliche Hand haben sie nicht als Erstes gefragt, wo sich der Ausbau lohnt, sondern sie haben sich gefragt, wo der Ausbau gebraucht wird. Das ist ein großer Unterschied. Sie haben deshalb im ersten Schritt dafür gesorgt, Glasfaserleitungen in jedes Dorf zu verlegen. Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Danke, Breitband Nordhessen, das habt ihr gut gemacht.

(Beifall DIE LINKE)

Jetzt muss es zum nächsten Schritt gehen, zur Verlegung von Glasfaserleitungen in jede Straße und in jedes Haus. Das muss das Ziel sein. Da die Telekommunikationsanbieter immer als Erstes nach dem Gewinn und erst dann nach der Erforderlichkeit fragen, müssen wir endlich anerkennen: Der marktgetriebene Ausbau ist gescheitert, die Anbieter kommen ihren Verpflichtungen nicht nach, egal, wie viel Steuergeld wir ihnen hinterherwerfen.

Meine Damen und Herren, das ist das Kernproblem. Da können wir so lange über Zahlen diskutieren, wie wir wollen. Das Problem werden wir nur dann lösen können, wenn wir zu einem strukturellen Wandel zu mehr öffentlicher Daseinsvorsorge und Verantwortungsübernahme durch das Land Hessen kommen. Das muss das Ziel sein, und dafür stehen wir als LINKE.

(Beifall DIE LINKE)