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Rede

Aktuelle Stunde Bündnis90/Grüne: Zukunft wird aus Mut gemacht und Demokratie aus Kompromissen - im Bund wie in Hessen

Jan Schalauske
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Rede von Jan Schalauske im Hessischen Landtag am 23. November 2017

– Es gilt das gesprochene Wort –


Herr Präsident, meine Damen und Herren!Ich bin froh, dass das Theater um die „schwarze Ampel“ in Berlin ein Ende hat. Mir ist egal, wer in dem „schwarze Peter“-Spiel, im Kampf um die Deutungshoheit über das Scheitern der von als Jamaica beschönigten Zusammenarbeit von FDP, Grünen, CDU und CSU gewinnen wird. Ich glaube auch, dass das vielen Menschen in diesem Land egal ist.Was mir aber nicht egal ist, welche Politik in diesem Land gemacht wird.Was mir auch nicht egal ist, ist worüber die genannten Parteien da wochenlang verhandelt haben. Und da stehen mir die Haare zu Berge.Die Grünen sind mit der Forderung nach einem vollständigen Ausstieg aus der Kohle bis 2025 in die Verhandlungen gegangen. Übrig geblieben ist das Abschalten von Kohlekraftwerken mit einer Gesamtleistung von lediglich 8-10 Gigawatt.

Die NGO Campact hat darauf hingewiesen, dass das weniger als die Hälfte dessen ist, was zur Erreichung des Klimaschutz-Zieles 2020 nötig sei.Während in Bonn zehntausende Menschen gegen Klimakatastrophe und die Zerstörung unseres Planeten demonstriert haben, sind sie zu Gunsten der Lobby der großen Energie-Konzerne eingeknickt! In der Frage des Klimawandels kann es keine Kompromisse geben! Entweder wir steuern jetzt um oder wir setzen die Existenz des Planeten aufs Spiel. Naomi Klein hat es auf den Punkt gebracht: Wir müssen uns entscheiden: Klima oder Kapitalismus. Sie haben sich für den Kapitalismus entschieden, wir kämpfen lieber für das Klima!Auch in der Flüchtlingspolitik haben Sie sich von CSU, CDU und FDP vor sich hertreiben lassen. Und egal ob Sie es „atmenden Deckel“ oder „atmenden Rahmen“ nennen.

Die Zahl von 200.000 Geflüchteten pro Jahr ist nichts anderes als eine Obergrenze light. Das sagt nicht DIE LINKE, sondern Ihre Jugendorganisation die „Grüne Jugend“! Und an die CDU gewandt, die zusammen mit der CSU und der FDP, letztere scheint aktuell ohnehin bemüht zu sein, sogar die CSU rechts zu überholen. Also Sie wollen sogar den Familiennachzug für subsidiär Geschützte verhindern: Führen Sie ihr christliches Familienbild nicht nur in Sonntagsreden im Munde, sondern nehmen Sie sich die Worte des früheren Sozialministers Norbert Blüm zu Herzen: "Der Verbot von Familiennachzug ist wie staatlich erzwungene Scheidung!"Aber zurück zu den Grünen: Den Grünen war doch keine Kröte zu groß, um sie auf dem Weg nach Jamaica zu schlucken. Sie konnten doch gar nicht schnell genug in die Karibik rudern, um endlich auf die Regierungsbänke zu kommen!Und jetzt kritisieren die Grünen die FDP, dass die FDP – anders als die Grünen - Parteiinteressen über die Interessen des Landes stellen würde. Ich frage Sie, wie weit sind die Grünen eigentlich gekommen, dass sie jetzt schon an Kaiser Wilhelm, den II. anknüpfen. Der hat bekanntlich gesagt, ich kenne keine Parteien, ich kenne nur noch Deutsche. Wie weit sind Sie eigentlich gekommen?Was aber hat in den Gesprächen keine Rolle gespielt? Dass Millionen Menschen zu Niedriglöhnen schuften müssen, weil der Mindestlohn nicht zum Leben reicht.

Das Millionen Menschen Altersarmut droht, weil die gesetzliche Rente gekürzt worden ist. Das in den Ballungsräumen und Universitätsstädten eine neue Wohnungsnot droht. Dass die öffentliche Infrastruktur, unsere Schulen, KiTas und Krankenhäuser einen gigantischen Investitionsbedarf hat. Dass der ländliche Raum immer abgehängt wird! Das mit den Paradise-Papers zum wiederholten Mal aufgedeckt worden ist, dass Superreiche ihr Vermögen am Fiskus vorbei in Steueroasen parken. Dass wir also in einem Land leben, in dem die Mehrheit von sozialen Abstieg bedroht ist, während einige weniger immer reichen werden. Aber zu all‘ diesen Problemen haben die an den Sondierungen beteiligten Parteien geschwiegen. Und die Grünen haben zu Beginn der Sondierungen gleich die Forderung nach einer Vermögenssteuer entsorgt. Schneller war nur die SPD. Die hat eine gerechtere Besteuerung erst gar nicht in ihr Wahlprogramm geschrieben.Aber an all‘ diesen Problemen muss sich doch was ändern!

Für DIE LINKE ist klar: Wir fürchten weder Neuwahlen noch eine Minderheitsregierung!Mit einer Minderheitsregierung konnten wir in Hessen gute Erfahrung sammeln. Erinnern wir uns doch, wie SPD, Grüne und Linke gemeinsam gegen eine geschäftsführende Landesregierung unter Roland Koch getragen von einer breiten gesellschaftlichen Bewegung die Studiengebühren abgeschafft haben!

Aber eine solche Mehrheit gibt es in Berlin nicht mehr. Leider haben wir sie im letzten Bundestag nur ein einziges Mal genutzt: Um endlich die Ehe für alle zu realisieren. Immerhin. Aber diese Mehrheit gibt es nicht mehr.Aber ich warne auch vor schnell nach Neuwahlen zu rufen! Es kann doch nicht das Prinzip gelten: Es wird so lange gewählt, bis das Ergebnis passt!Wie wäre es, wenn der Bundestag in der Zwischenzeit, das macht, wofür er gewählt wurde: Arbeiten! Aber die Mehrheit im Reichstag war bisher nicht mal bereit, richtige Ausschüsse zu wählen. Was Sie aber schon behandeln konnten, war die Verlängerung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Da sind Sie sich auch alle einig – außer der Linken. Wir lehnen Auslandseinsätze der Bundeswehr ab!Und was macht die Mehrheit im Bundestag? Sie verlängern den Militäreinsatz in Afghanistan und schieben Flüchtlinge in dieses Kriegsgebiet ab! Ich finde, Sie sollte sich was schämen.Ja, Zukunft wird aus Mut gemacht.

Ob in Hessen oder im Bund: Aus Mut und nicht aus faulen Kompromissen. Zukunft wird gemacht, wenn man leidenschaftlich für seine Grundüberzeugungen kämpft, anstatt sie bei erst bester Gelegenheit in die Tonne zu treten. In Zeiten von wachsender sozialer Ungleichheit, von Klimakatastrophe, von Kriegen und Krisen, die Millionen Menschen in die Flucht treiben, ist der Kampf für eine andere Politik drängender denn je.Und ja, wir brauchen auch wieder Mehrheiten für eine andere Politik.Aber viel wichtiger: Wir brauchen nicht weniger als einen gesellschaftlichen Aufbruch für soziale Gerechtigkeit, für Frieden und Humanität und für einen sozial-ökologischen Umbau! Daran müssen wir arbeiten.