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Rede

Christiane Böhm: Nichts ist so teuer wie geschlossene Schulen und Kitas

Christiane BöhmFamilien-, Kinder- und JugendpolitkGesundheit

In seiner 81. Plenarsitzung am 08. Juli 2021 diskutierte der Hessische Landtag über gesundheitliche Vorsichtsmaßnahmen für Schulen und Kitas. Dazu die Rede unserer kinder- und gesundheitspolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Forderung der SPD in der Aktuellen Stunde ist durchaus berechtigt. Ich hatte aber ein Déjà-vu: War das nicht schon im letzten Jahr hier unsere Forderung? Haben wir nicht letztes Jahr schon darüber diskutiert? Hatten wir nicht schon vor der zweiten Welle gewarnt? Jetzt ist es die vierte Welle, vor der wir warnen müssen, die im Herbst ins Haus stehen könnte.

Gestern hat die Uni Mainz eine Studie veröffentlicht und hat gesagt, dass Kinder wohl nicht die Treiber von Infektionen sind. Aber sie können trotzdem erkranken, sie können deutlich erkranken. Ich möchte den Leiter der Studie, Philipp Wild, zitieren, der gesagt hat, dass Kitas und Schulen durchaus offen bleiben sollen, es müsste aber klare Konzepte geben, mit Luftfiltern, Hygieneregeln und Teststrategien. Und er sagte wörtlich:

Das sollte auch direkt zu Schulbeginn umgesetzt werden. Je früher wir handeln, desto früher und effektiver kommen wir vor die nächste Welle – und die kommt bestimmt.

Da ist die Frage: Wie gut sind denn jetzt die Schulen und Kitas in Hessen nach den Ferien ausgestattet?

Ich weiß nicht, ob es die Aktuelle Stunde der SPD war, die eine Presseerklärung des Kultus- und des Finanzministeriums provoziert hat. Frau Ravensburg hat schon die Zahlen gesagt; deswegen kann ich mir das sparen. Das ist relativ wenig Geld, gerade für nachhaltige, sinnvolle Luftreinigungsgeräte und -filter, das in den Schulen ausgegeben wird.

Die Eltern machen seit Monaten heftig Druck, sammeln selbst Geld für mobile Filteranlagen, um den Präsenzunterricht zu ermöglichen. Ich denke, es wäre wesentlich sinnvoller, fest installierte Lüftungsanlagen zu haben, wie wir sie in Passiv-, Niedrigenergie- oder Energie-Plus-Häusern haben. Dort sind sie Standard. Der Kreis Groß-Gerau z. B. stattet alle seine neuen Schulen und die sanierten Schulen mit dieser Technik aus. Das wäre schon seit viel längerer Zeit eine sinnvolle Maßnahme gewesen; denn das ist nicht nur für die Corona-Pandemie sinnvoll, sondern es ist überhaupt sinnvoll.

(Beifall DIE LINKE)

Vizepräsident Frank Lortz:

Der Kollege Schwarz möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Christiane Böhm (DIE LINKE):

Darauf möchte ich verzichten; sonst komme ich mit meinem Konzept nicht zum Ende.

Das Bundesprogramm wurde allerdings erst am 11. Juni aufgelegt und muss bis zum Ende des Jahres abgerechnet werden. Sorry, das ist jetzt sehr sportlich. Da hoffe ich doch, dass alle produzierenden Firmen und alle Installateurinnen und Installateure,

(Torsten Felstehausen (DIE LINKE): Genau!) einmal abgesehen von den Schulträgern, die das Ganze auf den Weg bringen müssen, jetzt nichts anderes zu tun haben, als genau das zu tun.

Sinnvoll wäre es auf jeden Fall, aber die Frage ist: Ist das überhaupt möglich und umzusetzen? Sinnvoll ist es, weil damit Lärm und Schadstoffe vor dem Fenster verbleiben, Unterricht z. B. nicht durch Fluglärm gestört wird und Allergiker insgesamt besser durchatmen können. Dafür brauchen wir tatsächlich auch hier vonseiten des Landes ein ordentliches Investitionsprogramm.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Aber das Land hat es sich einfach gemacht: Es hat sich einfach auf die Empfehlung des Umweltbundesamtes, das ich ansonsten durchaus öfter schätze, verlassen. Dort heißt es, das Fensteröffnen reicht. Und wenn man schon Luftfilter einsetzt, dann werden nur ganz hochwertige empfohlen, die eigentlich nur in Industrieanlagen vorkommen. Das wäre aber nach Ansicht der Aerosolforscher überhaupt nicht notwendig; da würden haushaltsübliche Filter ausreichen.

Nein, mit Aussitzen ist es weder im Kultusministerium noch im Sozialministerium getan. Wir stehen immer noch mittendrin, und das Konzept vom letzten Jahr – die Pandemie wird schon an uns vorübergehen – funktioniert nicht.

Ich möchte aber auch noch einmal kurz auf die frühkindliche Bildung eingehen. Im Frühjahr wurde eine Petition von Erzieherinnen mit 28.000 Unterschriften eingereicht. Einige Forderungen wurden tatsächlich schon umgesetzt, wie Impfen und Testen von Erzieherinnen. Jetzt geht es aber darum, dass auch die Kinder getestet werden, um eine Infektion in einer Kita-Gruppe zu unterbrechen. Genau dasselbe gilt natürlich für die Klassen in der Schule.

Es wäre schön, wenn wir mit den PCR-Tests und den LolliTests jetzt schon so weit wären, dass sie tatsächlich umgesetzt werden. Aber so weit sind wir nicht. Es gibt einzelne Kreise, die das probieren; ich nenne wieder den Kreis Groß-Gerau, weil ich ihn am besten kenne. Sie haben damit schon begonnen. Aber was passiert vonseiten des Landes? Nada.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Das haben wir doch schon gehört!)

Es gilt jetzt auch, einheitliche Maßnahmen in Kitas und Schulen vonseiten der Gesundheitsämter zu ergreifen, wenn Infektionen entdeckt werden. Das ist auch eine Forderung der Erzieherinnen gewesen. Ihre Erwartung ist, dass die Mehrbelastungen, die die Corona-Pandemie gebracht hat, ausgeglichen werden, dies aber nicht zulasten des Fachkräftegebots geht.

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Christiane Böhm (DIE LINKE):

Ja. – Ich möchte noch ein wichtiges Thema, das die Erzieherinnen genannt haben, der Landesregierung ins Stammbuch schreiben: die Einbeziehung des Erfahrungswissens von sozialen und pädagogischen Fachkräften aus ihrer täglichen Arbeit in Entscheidungsfindungen des Landes.

Immerhin gab es bei Minister Grüttner einen runden Tisch Kita. Der grüne Sozialminister spricht allerdings nur mit den Trägern, die naturgemäß eine andere Interessenlage haben. – Danke sehr.

(Beifall DIE LINKE)