Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Christiane Böhm - Schulgeldfreiheit für Heilmittelberufe

Christiane Böhm
Christiane BöhmBildungGesundheit

In seiner 32. Plenarsitzung am 30. Januar 2020 diskutierte der hessische Landtag über die Abschaffung des Schulgeldes für die Heilberufe. Dazu die Rede unserer gesundheitspolitischen Sprecherin Christiane Böhm:

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren!

Ich kann Ihre Empörungen durchaus nachvollziehen. Ich möchte aber mit einer freudigen Aussage einsteigen. Es ist ein guter Schritt – ich finde das schön –, dass für die Heilberufe die Schulgeldfreiheit eingeführt werden soll. Wir sagen, Bildung muss für alle kostenlos sein, und hier wird ein richtig guter Schritt nach vorne getan.

(Beifall DIE LINKE)

Man darf aber durchaus daran erinnern, dass Sie das noch im Juni letzten Jahres ganz anders beurteilt haben. Herr Bocklet, Sie haben damals gesagt, Sie seien finanzpolitisch nicht verantwortlich, Sie wollten einer einheitlichen Bundesregelung nicht vorgreifen. Frau Ravensburg hat vor einem „Flickenteppich aus Einzelregelungen“ gewarnt.

Dass im Bund nichts vorgelegt wurde, liegt nicht allein an der SPD, sondern an den beiden Parteien, die als Koalition die Bundesregierung bilden.

(Zurufe SPD: Drei!)

Soweit ich mich erinnere, ist der Bundesgesundheitsminister nicht Mitglied der SPD. Oder ist er übergetreten? Wir wissen jedenfalls nichts davon. Aber gut, Sie haben eingesehen, dass von der Bundesebene nichts kommt. Ich habe Ihnen übrigens von diesem Pult aus schon damals gesagt, dass nichts kommen werde. Aber wenn Sie es jetzt eingesehen haben, ist es schön und gut. Damals haben die SPDFraktion und die Fraktion DIE LINKE einen Antrag eingebracht, und es hat „nur“ ein halbes Jahr gedauert, bis Sie darauf reagiert haben. Man kann also sagen: Rot-Rot wirkt, selbst im schwarz-grünen Hessen.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE)

Auch die Verbände wissen durchaus, wem sie das zu verdanken haben und woher der Druck kam, dem sie das zu verdanken haben. Das freut mich besonders.

Ganz besonders freut mich, dass junge Menschen künftig leichter eine Ausbildung in Gesundheitsberufen machen können. Ich kann mich noch gut an die Demonstration vor dem Hessischen Landtag erinnern, als mehrere Hundert Auszubildende und Ausgebildete ihren Unmut gezeigt haben und das Bündnis „Therapeuten am Limit“ deutlich gemacht hat, wie wichtig und notwendig ihre berufliche Tätigkeit ist. Danach sind sie mit dem Fahrrad nach Berlin gefahren. Das zeigte echten Einsatz. Das hat auf der Bundesebene ein wenig bewirkt, und es hat in Hessen etwas bewirkt – eigentlich eine gute Sache. Man sieht: Bewegung nützt etwas. Deshalb kann man jedem nur empfehlen, sich zu engagieren und für seine Interessen einzutreten.

Ich hoffe, dass die jetzt zu treffende Entscheidung Folgen auch für andere Berufsgruppen und auch für weitere Anliegen dieser Berufsgruppen hat. Beispielsweise sind die Ausbildungsinhalte zu überarbeiten, die so veraltet sind, dass die Therapeuten nach dem Jobantritt erst einmal in eine Weiterbildung gehen müssen. Ich denke, das spricht nicht für eine gute Qualität der Ausbildung. Das ist Sache einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Deshalb ist die Hessische Landesregierung gefordert, Druck zu machen, dass da endlich Ergebnisse zustande kommen. Es wäre die Aufgabe des Sozialministeriums, denen Feuer unter dem Dingsda zu machen.

(Heiterkeit DIE LINKE)

– Ich glaube, das war jetzt unparlamentarisch.

(Heiterkeit)

Wir wissen aus der Antwort auf unsere Kleine Anfrage, dass es eine Stagnation gibt und dass die Zahl der Therapeuten in ein paar Jahren sinken wird, die Bedarfe aber steigen. Wir haben eine älter werdende Bevölkerung; diese braucht eher mehr Therapeutinnen und Therapeuten. Deshalb sind Änderungen unumgänglich und sinnvoll.

Weitere Maßnahmen sind notwendig. Die Ausbildungsinhalte habe ich schon angesprochen. Es geht aber auch um Ausbildungsvergütungen. Wer kann sich erlauben, drei Jahre lang eine Ausbildung zu durchlaufen, für die man kein Geld bekommt? Das ist nur Leuten möglich, die einen entsprechenden familiären Rückhalt haben. Ich denke, da wären mehr Maßnahmen umzusetzen als die, die jetzt umgesetzt werden sollen. Eine Schulgeldfreiheit wäre auch bei anderen Schulen sinnvoll. Warum sollen wir nur auf die Gesundheitsberufe schauen, wenn wir wissen, dass es Erzieherfachschulen gibt, die teilweise 350 € im Monat kosten? Auch da wäre es notwendig, eine Schulgeldfreiheit einzurichten.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich hoffe, dass das der nächste Schritt sein wird. Wir sollten die Erzieherinnen und Erzieher sowie die Auszubildenden vor den Landtag bitten, damit sie hier ordentlich Rabatz machen. Vielleicht stehen wir dann im nächsten Jahr hier und sagen: Auch das haben wir geschafft.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)