Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Christiane Böhm - Schulgeldfreiheit für therapeutische Heilberufe: Nur die Schülerkosten reichen nicht

Christiane Böhm
Christiane BöhmGesundheit

In seiner 39. Plenarsitzung am 6. Mai 2020 verabschiedete der Hessische Landtag die Schulgeldfreiheit in den Heilberufen. Dazu die Rede unserer gesundheitspolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!

Ich kann mich dem Kanon der beiden Vorrednerinnen und Vorredner anschließen. Ich denke, dieses Gesetz ist notwendig. Es ist wichtig. Es muss verhindert werden, dass die sozialen Strukturen in diesem Land wegbrechen. Das würde einen nicht hinnehmbaren Verlust für unsere Gesellschaft bedeuten.

Wir haben sowieso so viele prekär arbeitende soziale Einrichtungen. Wenn denen der Garaus gemacht würde, würde das soziale Klima in diesem Land noch schlechter werden.

Deswegen hat die Bundestagsfraktion DIE LINKE diesem Teil des Pakets zugestimmt. Allerdings haben wir auch deutlich gesagt, dass die im Sozialschutzpaket vorgesehene Aushebelung des Arbeitszeitgesetzes nicht unsere Zustimmung findet. Ich halte es für haarsträubend, dass wir einerseits ständig den großen Einsatz der vielen Menschen loben, die in den vergangenen Wochen bei eigener gesundheitlicher Gefährdung den Laden am Laufen gehalten haben, andererseits den Leuten aber nicht einmal ihre Erholungspausen gönnen und ihre Arbeitsbelastung noch weiter erhöhen.

Das betrifft auch die Landesebene. Wir haben grundlos den Sonntagsarbeitsschutz im Lebensmitteleinzelhandel ausgesetzt. Die Menschen müssen jetzt auch noch am Sonntagnachmittag arbeiten gehen. Meistens sind es Frauen. Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Tritt in den Allerwertesten ist kein Dankeschön. Das ist wirklich eine Gemeinheit.

(Beifall DIE LINKE)

Ich weiß jetzt nicht, wer von Ihnen da hinten immer stöhnt.

(Heiterkeit – Beifall Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Vielleicht haben Sie Schmerzen. Das war schon ein echtes Stöhnen.

(Zuruf)

– Na ja, wenn Sie so gut stöhnen, wie Sie arbeiten.

(Heiterkeit und Beifall)

Herr Boddenberg, Sie haben noch einiges zu beweisen. Wir werden Sie an Ihrer Arbeit messen.

Lassen Sie mich wieder auf das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz zurückkommen. Ich weiß, es ist spät. Es gibt noch einen Aspekt aus dem Bundesgesetz, den ich kritisch erwähnen will.

(Unruhe – Glockenzeichen)

Wir wollen natürlich nicht, dass es, was nach § 1 Sozialdienstleister-Einsatzgesetz möglich wäre, zu einer Arbeitspflicht oder einem Arbeitszwang kommt. Wir müssen uns heute mit dem Entwurf des Ausführungsgesetzes beschäftigen. Da gibt es zwei Themen, nämlich die Zuständigkeit und die Auszahlungspraxis. Mit dem Gesetz werden wir das Finanzministerium ermächtigen, zu bestimmen, ob höhere Zuschüsse als die im Bundesgesetz festgelegten mindestens 75 % gewährt werden.

Da frage ich mich schon: Warum brauchen wir jetzt noch eine Verordnung? – Ich bin nicht die Einzige, die sich das fragt. Ich finde es ausgesprochen schade, dass Sie es dem Parlament nicht zutrauen, zu entscheiden, ob die sozialen Träger mit mehr gefördert werden sollten. Ich denke, es ist notwendig, dass mehr gefördert wird. Denn mit 75 % kann ich den Laden nicht am Laufen halten. Das kann man sich gut vorstellen. Irgendwann müssen wir wieder unserer politischen Verantwortung gerecht werden. Das kann nicht alles auf dem Verordnungsweg durchgeführt werden.

Das wäre auch ein wichtiges Statement für die Träger. Denn wenn das Gesetzesvorhaben heute so eilig durchgezogen wird, dann wissen die Träger immer noch nicht, auf wie viel Geld sie hoffen können und mit wie viel Geld sie planen können. Sie brauchen Verlässlichkeit. Sie müssen ihre Beschäftigten halten können. Sie müssen deren Existenzängste mildern. Ich denke, das darf nicht der Finanzlage des Finanzministeriums überlassen bleiben.

Ich denke, es wäre notwendig, zu sagen: Wir brauchen mehr als diese 75 %. Kein einzelner sozialer Träger soll in der Krise pleitegehen. Denn wir würden dann der sozialen Ungerechtigkeit und ihren Folgen mehr Futter geben.

Ich höre schon wieder ein Stöhnen. Ich weiß das auch nicht. Vielleicht liegt das an meinem linken Ohr.

Frau Kollegin Wissler hat dazu einiges in der Erwiderung der Regierungserklärung gesagt. Das will ich nicht alles wiederholen. Wir brauchen eine Situation, bei der die Sozialträger gerade zum Ende der Pandemie oder auch in der nächsten Zeit ihre Arbeit ohne Zeitverlust wieder aufnehmen können. Sich vor dieser Positionierung zu drücken, das ist nicht in Ordnung.

Angesichts der genannten Kritik ist es mir wirklich schwergefallen, den Mitgliedern meiner Fraktion zu empfehlen, diesem windelweichen Gesetzentwurf zuzustimmen. Aber ich tue es trotzdem. Denn ich weiß, wie wichtig das für die sozialen Träger in unserem Bundesland ist. Sie brauchen für ihre schwierige Situation eine Lösung, auch wenn das erst einmal eine kleine Lösung ist. Ich hoffe, dass Herr Klose und Herr Boddenberg es irgendwie schaffen, mehr als die 75 % für die sozialen Träger aus den Kassen zusammenzukratzen. – Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)