Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Christiane Böhm zum Gesetz zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Hessen

Christiane Böhm
Christiane BöhmGesundheit

In seiner 63. Plenarsitzung am 11. Dezember 2020 diskutierte der hessische Landtag über ein Gesetz, das die hausärztliche Versorgung in Hessen sicherstellen soll. Dazu die Rede unserer gesundheitspolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren.

Es ist gut, dass das Rätsel jetzt langsam aufgelöst wird, ob in Hessen wirklich eine Landarztquote kommen wird, ob Sie sie irgendwann, irgendwo oder irgendwie einführen werden. Wir wissen es noch nicht ganz genau. Herr Bocklet hat gerade angefangen, zu sagen, es sei ein guter Prozess gewesen, eine kritische und tatsächlich konstruktive Auseinandersetzung und Diskussion über den Gesetzentwurf der SPD. Aber leider hat er wie immer damit geendet: Die Regierung weiß alles besser. – Das tut mir wirklich leid. Daran merke ich, Sie haben aus der Diskussion noch nichts gelernt. Ich habe überhaupt nicht verstanden, warum Sie, wenn Sie einen Gesetzentwurf zur Landarztquote machen wollen, nicht einfach den Entwurf der SPD übernehmen und diesen mit einigen Änderungsanträgen so weiterentwickeln, dass er so sein wird, wie Sie es sich vorstellen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Es ist mir ein völliges Rätsel, wenn Sie zwar sagen: „tolle Diskussion“, aber nichts übernehmen. Auch Sie haben doch die Anhörung aufmerksam nachvollzogen und geschaut, was man an Fehlern noch einmal machen könnte. Ja, „noch einmal machen könnte“; denn wir sind gegen eine Landarztquote. Zugleich verstehe ich Ihre Argumente nicht, ich verstehe Ihre ganze Haltung nicht. Dies scheint mir sehr unproduktiv und nicht im Sinne der Sache zu sein.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Jetzt haben Sie es schon einmal im Haushalt drin; bei der kursorischen Lesung konnte aber nicht genau gesagt werden, was mit dem Budget passiert und wie dieses tatsächlich ausgestaltet wird. Uns als LINKE interessiert insbesondere – dies ist nämlich das Entscheidende –: Gibt es das Geld, das die hessischen Hochschulen brauchen, um der Allgemeinmedizin einen stärkeren Stellenwert zuzuweisen, denn wirklich?

Übrigens lehnen auch die Hochschulen eine Landarztquote ab. Ich denke, es ist sinnvoll, dies zu unterstützen. Mir wäre sehr daran gelegen, dass Sie dies tun; und wenn mir dies der Minister nachher bestätigen würde, wäre ich sehr erleichtert, weil ich denke, dass es sehr wichtig war, was gerade Prof. Dr. Gerlach in der Anhörung in Bezug auf die Schwerpunktcurricula gesagt hat. Diese haben Sie schon etabliert, und diese wollen Sie ausweiten. Sie wollen diese weiterentwickeln, sodass sie für alle Studierenden möglich sein und mehr motivierte Studierende im landärztlichen Bereich tätig sein werden. Er sprach auch über lange Praktika mit Anbindung an Hausarztpraxen. Er sagte auch, in Hessen sei schon ein guter Weg gegangen worden, aber die Hochschulen hätten das bisher aus Bordmitteln finanziert. Sie brauchten die Unterstützung des Landes, damit das möglich sei.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

900.000 €!)

– Nein, Sie haben gesagt, ungefähr 2 Millionen €. Ich habe es vorhin zusammengerechnet.

(Zuruf Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Weitere Zurufe – Glockenzeichen)

Das wäre eine entscheidende Frage, und das muss in der Ausbildung eine deutliche Position haben. Das hört sich für uns sehr vernünftig an.

Es gibt sicher noch weitere Themen, die eine Rolle spielen: die Auswahl der Studierenden, auch die Erhöhung der Zahl der Medizinstudienplätze und natürlich der konsequente Ausbau der Gesundheitszentren. Junge Ärztinnen und Ärzte wollen angestellt arbeiten, und sie wollen im Team arbeiten. Ich denke, das ist heute auch gut nachvollziehbar.

Wir brauchen gerade in den Kommunen, die landärztlich nicht gut versorgt sind, die Gesundheitszentren – nicht mit der Gießkanne über die Landschaft, sondern das muss vonseiten des Landes auf den Weg gebracht werden, meinetwegen auch in Verbindung mit Medibussen. Wichtig ist allerdings in der Frage der medizinischen Versorgungszentren oder Gesundheitszentren, dass wir auf jeden Fall vermeiden, dass sie von Privatunternehmen betrieben werden. Diese suchen sich nämlich nur die lukrativen Sparten heraus.

Es wurde schon angesprochen, es bleibt alles Makulatur, wenn Sie nicht dafür sorgen – und das geht leider nicht billiger –, die Lebenssituation der Menschen auf dem Lande zu verbessern. Es fehlen Arbeitsplätze, es fehlt der öffentliche Personennahverkehr. Ein Bus, der nur zweimal fährt, führt dazu, dass das Elterntaxi das Verkehrsmittel der Wahl ist. Es fehlen Kita-Plätze, gerade für die unter Dreijährigen; der ländliche Raum ist oft weit weg von Kultureinrichtungen, da ist sozusagen immer Corona. Das ist nicht so, wie junge Ärztinnen und Ärzte sich das Leben vorstellen. Ich denke, andere im Übrigen auch nicht.

(Zuruf Claudia Ravensburg (CDU))

Es ist dringend notwendig, in diesem Bereich etwas zu tun. Man kann nicht nur an einem Punkt anfangen, man muss alle Punkte gleichzeitig spielen, sonst fällt einem der eine Punkt wieder weg.

Die Corona-Pandemie hat uns jetzt noch einmal vor Augen geführt – das müsste eigentlich allen deutlich werden –, dass die Strukturen unseres Gesundheitswesens prekär sind

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin Böhm, Sie müssen zum Schluss kommen.

Christiane Böhm (DIE LINKE):

– ja –, angefangen mit der personellen Situation, aber auch, dass die Kliniken auf den Kosten für COVID-Patienten sitzen bleiben. Wir haben genug Geld im Gesundheitssystem, es ist nur falsch verteilt. Da ist es notwendig, tatsächlich aktiv zu werden. – Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)