Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Christiane Böhm zum Pflegeschulenfinanzierungsgesetz

Christiane Böhm
Christiane BöhmGesundheit

In seiner 44. Plenarsitzung am 23. Juni 2020 diskutierte der Hessische Landtag über die Änderung des Pflegeschulenfinanzierungsgesetz. Dazu die Rede unserer sozialpolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Jetzt habe ich die falsche Rede vorliegen, aber das macht nichts, ich kann auch einfach so reden.

Wir haben dieses Gesetz länger im Ausschuss beraten, und es gibt eine Reihe an Punkten, die wir kritisiert und zu denen wir gesagt haben, dass es nicht den Anforderungen entsprechen würde. Schon im letzten Jahr stand ich hier und habe gesagt, es sei notwendig, dass die Miet- und Investitionskosten in das Gesetz hineingenommen werden und dass diese auch in die Schulgeldfreiheit übernommen werden.

(Janine Wissler (DIE LINKE) reicht der Rednerin Aufzeichnungen.)

– Danke. – Das haben Sie damals nicht gemacht, wie immer werden solche Entscheidungen nur scheibchenweise getroffen. Jetzt stehen wir schon wieder hier und sehen, sie werden mit einbezogen, aber in unzureichendem Maße. Die Investitionskosten sind bei angemieteten Schulgebäuden nicht eingeplant, sondern nur die Nettokaltmieten. Es wird wieder ein Gap geben, wir werden wieder darüber diskutieren. Auch die Frage der ortsüblichen Vergleichsmiete wird die Schulträger zukünftig beschäftigen. Warum dann die Mieten aus dem Jahr 2019 nicht zugrunde gelegt werden, erschließt sich mir nicht.

Warum jedes Jahr ein neuer Antrag gestellt werden muss, erschließt sich mir ebenfalls nicht. Man muss den Schulen Sicherheit durch eine langfristige Finanzierung geben. Es gibt keine Pauschale für die Neu- und Wiederbeschaffung höherwertiger Investitionsgüter.

Gut ist, dass Sie mit dem vorgelegten Gesetzentwurf den Weg für eine umfassende Finanzierung frei gemacht haben. Auch die statistische Erhebung ist sicher eine sinnvolle Sache, vielleicht erhalten wir dann bessere Antworten. Aber es wäre auch sinnvoll, statt überall Arbeitskräfte anzuwerben – oder eher, sie in anderen Ländern abzuwerben –, wenn Sie die bereits in Deutschland lebenden, die in ihrem Heimatland eine Ausbildung in einem Gesundheitsberuf absolviert haben, in einer vertretbaren Zeit und in guter Qualität für die Arbeit in der Pflege qualifizieren könnten. Aber nein: Es dauert ewig, bis die Ausbildung aus dem Ausland anerkannt wird, und es sind ungeheure bürokratische Hürden zu überwinden.

Und Ihre Behörden sind nicht erreichbar. Ich habe heute noch einmal auf der Website des Regierungspräsidiums Darmstadt nachgesehen: Es liegt nicht an Corona, dass dort immer noch steht, mit längeren Bearbeitungszeiten müsse aufgrund des sich unvermindert fortsetzenden Anstiegs der Zahl der Anträge gerechnet werden, und die telefonische Erreichbarkeit sei nur eingeschränkt möglich.

Vor Corona stand da, dass von jeglichen Anfragen abzusehen ist. Das hat sich schon ein bisschen verbessert, aber es dauert ewig. Hier gibt es ein Reservoir an Fachkräften, das Sie nicht nutzen. Tun Sie endlich etwas, damit diese Fachkräfte im Gesundheitswesen, die dringend erforderlich sind, ihre Arbeit tun können, ihr Einkommen erwirtschaften können und auch tatsächlich in der Pflege eingesetzt werden können.

(Beifall DIE LINKE)

Womit ich bei dem Gesetzentwurf aber meine massiven Probleme habe, sind die marginalen Beiträge für die „angemessene“ Sprachförderung. Warum haben Sie denn diese Stundenpauschale von 2,94 € tatsächlich in diesen Gesetzentwurf geschrieben? Das ist doch wirklich ein Witz. Damit kommen Sie nicht einmal auf den Mindestlohn, der sowieso schon sehr „mindest“ ist, für die im SGB II und SGB III anerkannten Fachkräfte für die Deutschförderung. Damit können Sie nicht einmal diese Fachkraft bezahlen. Was wollen Sie denn damit erreichen? Sie bringen doch die Träger der Altenpflegeschulen in die Situation, dass sie Lohndumping betreiben müssen. Ich finde das absolut unverschämt.

Wenn Sie jetzt noch sagen, wir könnten das später mit einer Verordnung an die steigenden Preise anpassen: Das heißt, es wird erst nächstes Jahr, übernächstes Jahr, irgendwann einmal angepasst. Wir brauchen jetzt das Doppelte von diesem Betrag. Wann kommen Sie denn zu einer Anpassung über eine Verordnung, wenn Sie jetzt schon mit diesem geringen Betrag anfangen?

Leider musste ich die letzte Sozialausschusssitzung selbst leiten; sonst hätte ich bei dem Argument von Frau MüllerKlepper und Herrn Bocklet laut auflachen müssen. Beide teilten uns mit, Frau Müller-Klepper hat es heute wiederholt, dass sie jetzt auch eingesehen haben, dass dieser Betrag zu gering ist. Leider gebe es aber der Haushalt nicht her – sehr lustig. Sie diskutieren gerade über 12 Milliarden € Sondervermögen. Da haben Sie viel untergebracht, was auch nicht immer unmittelbar mit Corona zu tun hat. Wenn dieser Mangel an Pflegekräften nicht vorhanden gewesen wäre, hätte uns das in der Corona-Krise einiges erspart, dann wären die Altenheime sicher in einer besseren Situation.

(Beifall DIE LINKE)

Die Schulleitungen sagen klipp und klar, sie brauchen das Doppelte von diesem Betrag. Alles andere entwürdigt auch den hohen Anspruch, den eine solche Tätigkeit als „Deutsch als Zweitsprache“-Kraft hat.

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie noch einmal auf die prekäre Situation der Lehrkräfte in der Weiterbildung hinweisen. Mit den geringen Honoraren lässt sich weder der Lebensunterhalt noch gar eine Alterssicherung finanzieren. 55 % derjenigen, die hauptberuflich in der Weiterbildung arbeiten, sind mindestens in einem der Kriterien Einkommen, Beschäftigungsstabilität, Beschäftigungsfähigkeit oder soziale Absicherung als prekär einzustufen. Bei denen, die nicht hauptberuflich tätig sind, sind es sogar 85 %. Sie tragen also dazu bei, dass Menschen in eine prekäre Beschäftigung geschickt werden. Ich finde, das ist wirklich skandalös.

Es ist auch erstaunlich, dass in den betrieblichen und in den privat finanzierten Weiterbildungen bessere Arbeitsbedingungen herrschen als dort, wo sie von öffentlichen Stellen finanziert werden – und somit in der eigentlich der Kontrolle und Steuerung der Parlamente unterliegenden Weiterbildung. Da lässt sich wirklich von Working Poor im öffentlichen Auftrag sprechen.

Ein weiterer Skandal ist, dass der Gesetzgeber sich bisher weigert, diese unwürdige Situation zu ändern, weil er sich weigert, eine klare Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern und Selbstständigen vorzunehmen, die sich genau auf diese Gruppe der Lehrkräfte in der Weiterbildung anwenden lässt. Das beschäftigt auch immer wieder Gerichte. Aber dass Sie die Schulen in die Situation bringen, Lohndumping zu betreiben, das finde ich mehr als schäbig.

Wir werden uns mit den Versäumnissen dieses Gesetzentwurfs sowie aller anderen, die Sie auf den Weg bringen, sicher zeitnah wieder beschäftigen. – Ich bedanke mich.

(Beifall DIE LINKE)