Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Janine Wissler- Die AfD und die Meinungsfreiheit

Die AfD und die Meinungsfreiheit

Janine Wissler
Janine WisslerAntifaschismusKulturInstagram

Die AfD sieht die Meinungsfreiheit in Hessen und Deutschland in Gefahr und beantragte deshalb am 31. Oktober 2019 eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema. Unsere Fraktionsvorsitzende Janine Wissler gibt ordentlich Gegenwind.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Die AfD hat eine Aktuelle Stunde zum Thema Meinungsfreiheit beantragt. Zum Anfang eine Klarstellung: Das Grundgesetz schützt die Meinungsfreiheit als elementares Grundrecht und Schutzrecht der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Staat. Es schützt nicht vor Widerspruch. Und es hat auch nicht die Intention, etwa Abgeordnete vor Protest zu
schützen.

(Lebhafter Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ausgerechnet die AfD beklagt die angeblich mangelnde Meinungsfreiheit. Die AfD, deren Spitzenkandidat Höcke einem ZDF-Journalisten mit Konsequenzen droht, weil ihm seine Fragen nicht passen. Deren Parteivorsitzender Meuthen das durch junge Menschen wahrgenommene Demonstrationsrecht bei „Fridays for Future“ als „politischen Kindesmissbrauch“ bezeichnet.

(Zuruf AfD: Ist es doch!)

Deren Parteivorsitzender Gauland sich im ARD-Sommerinterview weigert, sich Zuschauerfragen zu stellen. Der gleiche Gauland hat sich übrigens am Montag darüber beschwert, dass ihm die Meinungsfreiheit zu weit gehe, wenn Richter bestätigten, dass man Höcke „Faschist“ nennen dürfe. – War es nicht die AfD, die vor Kurzem hier im Landtag eine Aktuelle Stunde beantragt hat, um das Ergebnis einer demokratischen Wahl an der TU Darmstadt zu problematisieren, weil Ihnen die politische Ausrichtung der Präsidentin nicht gepasst hat?

(Lebhafter Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD – Zuruf Dr. Frank Grobe (AfD))

Sie haben hier gefordert, dass der Frankfurter Oberbürgermeister als Aufsichtsratsvorsitzender der Messe Frankfurt zurücktreten müsse, weil er es wagte, anlässlich der IAA drei kritische Sätze zur Automobilindustrie zu verlieren. Da gilt nicht: Das wird man ja wohl mal sagen dürfen.

(Zurufe AfD)

Sie reden von der Freiheit der Wissenschaft und Kultur, Sie verteufeln in Anfragen die Gender-Forschung an Hochschulen und Kultureinrichtungen, deren Programm Ihnen nicht deutsch genug ist. Da sorgen Sie sich im Ausschuss um die deutsche Kultur und beklagen, dass in hessischen Kulturzentren afrikanisches Trommeln und das Spielen des Didgeridoo gelehrt wird. Ihre Einstellung zu Grundrechten, zu Meinungs-, Presseund Versammlungsfreiheit ist äußerst selektiv, um es einmal ganz vorsichtig zu sagen, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Heute mokieren Sie sich darüber, dass Studierende einen Auftritt von Thomas de Maizière an der Uni Göttingen gestört haben. Als im Bundestagswahlkampf immer wieder Veranstaltungen von Angela Merkel durch Pegida- und AfD-Anhänger gestört wurden, weil während ihrer Auftritte ununterbrochen gegrölt, „Volksverräter“ dazwischengebrüllt
und sie mit Tomaten beworfen wurde, da hatte die AfD überhaupt kein Problem, dass diese Veranstaltung von ihren eigenen Leuten gestört wurde.

(Lebhafter Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Heute beklagen Sie die Entlassung des Chefs der hessischen Filmförderung, der sich öffentlichkeitswirksam mit AfD-Chef Meuthen getroffen hat, als Anschlag auf die Meinungsfreiheit. Die Landesregierung sei ihrer Fürsorgepflicht nicht nachgekommen, schreiben Sie in Ihrem Antrag, den wir später noch beraten.

(Robert Lambrou (AfD): Darüber werden wir noch reden!)

Kleiner Hinweis, weil Ihnen die Bewahrung der deutschen Sprache ja so wichtig ist:

(Robert Lambrou (AfD): Ja!)

„Fürsorge“ schreibt man nicht mit h. Mit Sorge um den Führer hat das nämlich nichts zu tun.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SPD)

Es ist doch die AfD, die allerorts finanzielle und personelle Konsequenzen für Kultureinrichtungen fordert, die ihr
nicht passen. Ihre Parteifreunde in Sachsen-Anhalt forderten die Entlassung eines Opernintendanten, weil zu viel Willkommenspropaganda auf dem Spielplan stünde. In Berlin haben Sie gefordert, die Leiterin eines Theaters wegen Verletzung des politischen Neutralitätsgebots zu ermahnen, weil das Theater im Programmheft zu einer Inszenierung über eine Partei geschrieben hatte, die mit ausländerfeindlichen Parolen Erfolg hat. Die Berliner AfD-Fraktion wollte mittlerweile dem Friedrichstadtpalast, dem Maxim-Gorki-Theater und dem Deutschen Theater die Mittel kürzen, weil ihr entweder der Spielplan oder die politische Ausrichtung der Intendanten nicht passte.

(Zuruf DIE LINKE: Hört, hört!)

Dass ausgerechnet die AfD die Meinungsfreiheit vor sich herträgt, ist absurd, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD – Robert Lambrou (AfD): Sie haben nicht zugehört! Ich habe es ausgeführt!)

Seit dieser Woche wissen wir, dass man bei Auftritten von Frau Weidel am besten nicht mehr husten sollte, um nicht Gefahr zu laufen, brachial vom Saalschutz entfernt zu werden. Die Politik der AfD ist ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit.

(Beifall DIE LINKE, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie fahren eine reißerische Kampagne, die Mehrheit der Deutschen würde sich nicht trauen, ihre Meinung zu sagen. Das ist eine völlige Perversion der Meinungsfreiheit als Freiheit von Widerspruch. Sie haben kein Recht auf keinen Widerspruch,

(Robert Lambrou (AfD): Das bestreitet auch keiner!

Es geht um etwas ganz anderes! sondern Sie haben heftigsten Widerspruch für Ihre Positionen verdient.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD – Zurufe AfD)

Ihr vermeintlicher Einsatz für die Meinungsfreiheit ist in Wirklichkeit der Versuch, die Meinungshoheit zu erlangen. Sie wollen das Sagbare immer weiter nach rechts verschieben, und Sie wollen Widerspruch dagegen diskreditieren. Sie predigen Meinungsfreiheit, und Sie wollen Zensur.

(Robert Lambrou (AfD): Das stimmt nicht!)

Sie fabulieren vom links-grünen Mainstream, und Sie inszenieren sich als Opfer. Dabei sind Sie es, die in dieser Gesellschaft Hass und Rassismus säen.

(Lebhafter Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD – Robert Lambrou (AfD): Wir werden seit sechs Jahren ausgegrenzt!)

Menschen wie Höcke stehen nicht für Meinungsfreiheit. Menschen wie Höcke stehen in der Tradition des Bücherverbrennens. Dem werden wir immer laut widersprechen. Ihren Positionen muss laut widersprochen werden. Das hat mit Meinungsfreiheit überhaupt nichts zu tun.

(Anhaltender Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, SPD und vereinzelt CDU – Robert Lambrou (AfD): Widerspruch ist nicht das Problem! – Stephan Grüger (SPD): Da hätte die CDU einmal mitklatschen können! – Gegenruf DIE LINKE: Herr Boddenberg hat geklatscht! Ich habe es gesehen!)