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Rede

Janine Wissler - Die Energiewende stockt gewaltig Teil 2

Die Energiewende stockt gewaltig Teil 2

Janine Wissler
Janine WisslerEnergie

In seiner 28. Plenarsitzung am 12.12.2019 diskutierte der Hessische Landtag auf Antrag der FDP zum Thema Energiepolitik ideologiefrei gestalten. Dazu die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden und energiepolitischen Sprecherin Janine Wissler (Teil 2)

 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich finde, das kann so nicht stehen bleiben. Herr Bürger, ich weiß nicht, was Sie hier argumentieren. Sie fordern eine Debatte ein, die wir hier doch führen. Wir führen sie auf Antrag der FDP gefühlt jedes zweite Plenum. Niemand schränkt Ihre Meinungsfreiheit ein, sondern Sie erzählen uns gefühlt jedes zweite Plenum, warum der Windkraftausbau – Klammer auf, der in Hessen im Moment sowieso zum Erliegen gekommen ist, Klammer zu – ein Problem ist, warum er dies, das und jenes gefährdet. Irgendwie erfinden Sie immer neue Argumente, die Sie dafür anführen.

Wir diskutieren das doch. Es ist doch nicht so, dass niemand Argumente hervorbringt. Jetzt haben Sie das wieder gesagt: Wie soll man die Schwankungen der erneuerbaren Energien ausgleichen? Es ist doch nicht so, dass wir über die Frage der Grundlastfähigkeit nicht schon zigmal in diesem Haus diskutiert haben.

Ja, das Problem ist, dass die Windkraft und die Sonnenenergie derzeit nicht grundlastfähig sind. Deswegen ist die Frage: Wie überbrücken wir das, bis die Speichertechnologien so weit sind? Sie wissen doch, dass an den Power-toGas-Verfahren und anderen Verfahren gearbeitet wird. Natürlich haben wir da derzeit noch hohe Verluste. Aber das ist in dem Fall nicht so dramatisch, wenn man bei diesen Technologien höhere Verluste hat, weil man die Primärenergie nicht erst aufwendig abbaggern oder gewinnen muss, sondern weil Wind relativ grenzenlos zur Verfügung steht.

Wir reden doch dauernd über die Entwicklung der Speichertechnologien. Es ist also doch nicht so, als ob das noch niemand angeführt hätte. Natürlich ist klar, dass wir für den Übergang hoch flexible Gaskraftwerke brauchen – das bestreitet auch niemand –, als Brücke hin zu den erneuerbaren Energien. Das Problem ist nur, dass die Kohlekraft genau diese Brücke nicht ist. Der Unterschied zwischen Kohlekraftwerken und Gaskraftwerken ist zum einen der Wirkungsgrad. Hoch flexible Gaskraftwerke haben einen Wirkungsgrad von 80 bis 90 %, während Kohlekraftwerke, wenn sie gut sind, auf einen Wirkungsgrad von rund 38 % kommen.

Das andere Problem ist, dass die Flexibilität nicht gegeben ist. Um ein Kohlekraftwerk zum Laufen zu bringen, braucht man knapp einen Tag. Demgegenüber sind hoch flexible Gaskraftwerke natürlich sehr viel schneller einsatzfähig. Die Kohle ist also genau die falsche Antwort auf die Frage danach, was bei einem kurzfristigen Ausfall einer erneuerbaren Energie eingesetzt werden kann, weil Kohlestrom die Netze verstopft und weil im Zweifel eher die Windräder abgestellt werden anstatt die Kohlekraftwerke. Das haben wir Ihnen schon sehr häufig in diesem Haus erklärt. Darüber können wir gerne noch einmal diskutieren, aber dann muss man auch einmal gewisse Fakten zur Kenntnis nehmen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Die größte Gefahr für den hessischen Wald ist nicht das Windrad. Die größte Gefahr für den hessischen Wald ist der Klimawandel.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich empfehle dringend einen Besuch beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie. Die haben ein Zentrum für Klimawandelfolgeschäden. Besuchen Sie das einmal. Dort beschäftigt man sich bereits heute mit Fragen wie Dürre, Überschwemmungen, Starkregenereignisse und invasive Arten. An dieser Stelle sollte die AfD aufhorchen. Genau daran arbeitet das Zentrum schon jetzt. Das lässt sich schon jetzt in hessischen Wäldern beobachten.

Die größte Gefahr für den Artenschutz ist ebenfalls der Klimawandel. Wenn wir über Windräder reden, dann reden wir über eine Flächenversiegelung im Wald von 0,3 bis 0,4 ha. Das ist eine Größenordnung, die den Wald in Hessen natürlich nicht bedroht. Der Minister hat natürlich vollkommen recht, wenn er sagt, dass Hessen ein waldreiches Bundesland ist. Wenn wir kein Windrad im Wald haben wollen, dann stellt sich die Frage, wo wir Windräder aufbauen sollen.

Natürlich ist Wald nicht gleich Wald. Es gibt schützenswerten Bannwald. Darum hat die FDP bisher nicht viel gegeben. Als es um Kiesabbau oder um den Flughafenausbau ging, war Ihnen der Bannwald herzlich egal. Bannwald gibt es aber, und dieser ist schützenswert.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Zudem gibt es forstwirtschaftlich intensiv genutzte Wälder. Es ist ja nicht so, dass Sie gegen forstwirtschaftlich genutzte Wälder sind. Zumindest habe ich Ihre Redebeiträge bisher so verstanden, dass Sie schon Geld machen wollen mit dem Wald, aber dort sollte bitte kein Windrad hineingestellt werden.

Das ist die Gefahr für den Wald, und deswegen müssen wir den Klimawandel aufhalten. Es geht darum, den Wald und die Arten zu schützen.

Beim Hambacher Forst ist übrigens auch ein bisschen Wald weggefallen. Bei den Protesten habe ich die FDP gar nicht gesehen. Da war der Wald also nicht so wichtig.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE)

Der Minister hat das 2-%-Ziel angesprochen. Ja, wir haben das 2-%-Ziel. 98 % sind ausgeschlossen. Das wird langsam zu einem Problem. Wenn man ein 2-%-Ziel verfolgt, aber gleichzeitig 1.000 m Mindestabstand einhalten muss, wenn man den Flughafen hat, der den Windkraftausbau einschränkt, wenn man naturschutzrechtliche Einschränkungen hat, wenn es Windgeschwindigkeiten von 5,75 m/s gibt, dann könnte man das im Land ändern. Das ist ein Problem und bringt Projekte zum Erliegen. Hinzu kommt, dass Hessen das waldreichste Bundesland ist. Dann kommen auch noch Leute und sagen: im Wald aber nicht. Dann sind wir ganz schnell nicht mehr bei 2 %, und das merken wir doch gerade.

(Zuruf René Rock (Freie Demokraten))

Deswegen müssten wir ernsthaft darüber reden, ob wir noch einmal über das 2-%-Ziel diskutieren sollten. Wenn das 2-%-Ziel bedeutet, dass man am Ende über 0,9 % redet, dann haben wir ein Problem.

Vizepräsidentin Heike Hofmann:

Frau Wissler, kommen Sie bitte zum Schluss.

Janine Wissler (DIE LINKE):

Sie haben recht. Das tue ich. – Wenn man die mageren Ergebnisse des Energiegipfels 2011, auf die man sich einmal verständigt hat, heute so infrage stellt, dann muss man in der Tat auch einmal darüber reden, ob wirklich 98 % der Landesfläche Ausschlussfläche sein können. Ansonsten kommen wir mit dem Ausbau der Windenergie überhaupt nicht voran.

(Beifall DIE LINKE)