Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Elisabeth Kula - Das Wahlalter auf 16 Jahre absenken!

Elisabeth KulaFamilien-, Kinder- und JugendpolitkRegierung und Hessischer Landtag

In seiner 82. Plenarsitzung am 28. September 2021 diskutierte der Hessische Landtag über das Wahlrecht ab 16 Jahren bei Kommunalwahlen. Dazu die Rede unserer jugendpolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

"Wir sind die letzte Generation, die eine realistische Chance hat, eine Klimakatastrophe abzuwenden."

Das sagte Linus Steinmetz von „Fridays for Future“, der zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt war. Linus hat erkannt, was viele ältere Generationen verdrängt haben: eine existenzielle Klimakrise. Mittlerweile ist klar, wenn wir so weiter wirtschaften wie bisher, dann wird das Leben auf diesem Planeten keine Zukunft haben. Klimaforscherinnen und Klimaforscher wissen das schon länger, aber dass es auf der politischen Agenda zum Topthema wurde, das haben wir den jungen Menschen in diesem Land zu verdanken, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE – Jan Schalauske (DIE LINKE): Da könnten die GRÜNEN auch einmal klatschen! Haben nicht zugehört!)

In Hessen können Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren auf keiner politischen Ebene wählen. „Ein Mensch – eine Stimme“, das ist die Grundlage eines demokratischen Wahlrechtes. Dennoch ist jeder Sechste aufgrund des Alters vom Wahlrecht ausgeschlossen. Dazu kommen weitere 10 % der Bevölkerung, die zwar über 18 sind, die aber aus einem anderen Grund vom Wählen ausgeschlossen werden, nämlich, weil sie keinen deutschen Pass haben. Ausnahmen gibt es dann eben nur für EU-Bürgerinnen und EU-Bürger bei den Kommunalwahlen.

(Saadet Sönmez (DIE LINKE): Das könnte man auch mal angehen!)

Dass so viele Menschen vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, ist ein erhebliches demokratisches Defizit. Als LINKE setzen wir uns dafür ein, dass alle Menschen ab 16, die dauerhaft hier leben, auch über die Politik in den Parlamenten mitbestimmen dürfen.

(Beifall DIE LINKE – Jan Schalauske (DIE LINKE): Das wird auch höchste Zeit!)

Denn nicht die Ausweitung, sondern die Einschränkung des Wahlrechtes für bestimmte Gruppen muss begründet werden. Diese Begründungen für Jugendliche unter 18 Jahren halten wir für vollkommen aus der Zeit gefallen.

Ein Argument gegen ein Wahlrecht unter 18 Jahren ist die Volljährigkeit, was die CDU auch gerne anbringt. Allerdings ist es keineswegs so, dass in Deutschland das Wahlrecht immer an die Volljährigkeit gekoppelt war. Anfang der Siebziger wurde beispielsweise das allgemeine Wahlrecht von 21 auf 18 Jahre abgesenkt. Trotzdem war man zu diesem Zeitpunkt erst ab 21 volljährig. Auch das Argument ist also überhaupt nicht stichhaltig.

Auch mit 16 Jahren ist man strafmündig. Viele der Jugendlichen arbeiten schon im Rahmen einer Ausbildung, bezahlen Steuern, über deren Verwendung sie nicht mitbestimmen dürfen.

Die Orientierung an der rechtlichen Volljährigkeit ignoriert auch gesellschaftliche Realitäten einer sich verändernden Welt. Das Jugendalter heute ist viel bedeutender als in zurückliegenden historischen Phasen, und es dauert auch länger. Es ist nicht mehr nur die Zeit zwischen Kindheit und Erwachsenenalter, sondern ein langgestreckter Lebensabschnitt, in dem bereits biografische Abschnitte vorkommen, die früher dem Erwachsenenalter zugeordnet waren, wie der Aufbau einer Werteorientierung, souveräner und reflektierter Umgang mit Medien- und Konsumverhalten. Die heutigen Anforderungen an Jugendliche sind enorm angewachsen. In einer individualisierten Gesellschaft müssen sie sich selbst orientieren, und wegfallende Milieuoder Wertzusammenhänge müssen sie in einer unübersichtlichen Welt selbst neu erproben. Werbung spricht Jugendliche als selbst handelnde Konsumentinnen und Konsumenten an, aber politische Mitbestimmung und demokratisches Wahlrecht wird ihnen in Hessen weiterhin verwehrt.

Die Selbstwahrnehmung steht im starken Kontrast zu einem weiteren Argument gegen eine Absenkung des Wahlalters, nämlich, dass Jugendliche nicht oder nicht ausreichend in der Lage seien, sich an gesellschaftlichen Entwicklungen zu beteiligen. Dieses Argument müsste spätestens jetzt, wo Jugendliche die größte globale Klimabewegung aller Zeiten initiiert haben, endgültig abgeräumt sein.

(Beifall DIE LINKE – Jan Schalauske (DIE LINKE): Da könnten die GRÜNEN auch mal klatschen!)

Darüber hinaus ist es auch höchst problematisch, ein bestimmtes Alter mit kognitiver oder moralischer Reife zu verbinden. Da müssen wir nur einmal auf die rechte Seite des Hauses schauen. Nein, eine mangelnde Fähigkeit, ein Recht auszuüben, kann kein Grund sein, dieses Recht einer Person vorzuenthalten. Aber ja, nicht alle Jugendlichen sind gleichermaßen politisiert. Junge Menschen, die beispielsweise in Armut aufwachsen, sind oft räumlich und sozial von Angeboten der Mitbestimmung ausgeschlossen. Wer die Demokratie in diesem Land stärken will, der muss auch Armut beseitigen; denn Kinderarmut ist auch Elternarmut.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wahlrecht ab 16 wäre ein erster Schritt für eine weitere Demokratisierung. Bisher können Jugendliche in Hessen nicht über die Zusammensetzung der Parlamente mitbestimmen. In einer immer älter werdenden Gesellschaft sinkt ihre Repräsentanz in den Parlamenten. Ich kann gut verstehen, wenn Jugendliche jetzt von der Landesregierung fordern, das Wahlalter endlich abzusenken.

Im Gegensatz zu der SPD fordern wir als LINKE nicht nur das Kommunal-, sondern auch das Landtags- und Bundestagswahlrecht für Jugendliche ab 16 Jahren. Hier im Hessischen Landtag können wir das für die Kommunal- und Landtagswahl regeln, deswegen finden wir es schade, dass die Sozialdemokraten hier nur die Forderung für die Kommunalwahl erhoben haben. Unser Antrag zur Absenkung des Wahlalters bei Kommunal- und Landtagswahlen wurde im Frühjahr leider von der schwarz-grünen Koalition abgelehnt.

Besonders schade finde ich, dass es in diesem Haus eigentlich eine Mehrheit für die Absenkung des Wahlalters gibt

Vizepräsidentin Karin Müller:

Frau Abg. Kula, Sie müssten zum Schluss kommen.

Elisabeth Kula (DIE LINKE):

– ich komme zum Schluss –, nämlich: LINKE, SPD, GRÜNE und FDP. Ich würde mir wünschen, dass sich die GRÜNEN in solchen Kernpunkten grüner Programmatik aus der Umklammerung durch die CDU lösen, um etwas für die hessischen Jugendlichen zu tun. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)