Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Elisabeth Kula - Lehrerbildungsgesetz bleibt weit hinter Erwartungen und Anforderungen zurück

Elisabeth KulaBildung

In der 92. Plenarsitzung am 14. Dezember 2021 debattierte der Hessische Landtag zum Lehrerbildungsgesetz. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden und bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Endlich ist es so weit, kann man sagen. Die längst überfällige Novelle des Lehrerbildungsgesetzes hat den Landtag erreicht, jetzt legt die schwarz-grüne Landesregierung endlich etwas auf den Tisch.

Die Anforderungen und Erwartungen waren und sind hoch. Um es vorweg zu sagen – meine Kollegen von der Opposition haben es auch schon gesagt –: Dieses Gesetz entspricht in keiner Weise den Ansprüchen an eine moderne Lehrerbildung, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt SPD und Moritz Promny (Freie Demokraten))

Vorneweg muss ich aber leider wieder einmal auf den Entstehungsprozess dieser Novelle eingehen. Es ist mittlerweile leider geübte Praxis der Landesregierung, Gesetzesvorhaben lange aufzuschieben und dann schnellstmöglich über die Bühne bekommen zu wollen. Auch beim Lehrerbildungsgesetz wurden wieder sämtliche Tricks aus der Mottenkiste gezogen. Die Anzuhörenden in der Regierungsanhörung wurden kurz vor den Sommerferien um Stellungnahme gebeten, und drei Wochen später sollte doch bitte die Antwort da sein. Ich meine, dass das schulischen Akteuren drei Wochen vor den Sommerferien ein bisschen schwerfällt, liegt auf der Hand. Außerdem hat man wieder einmal wichtige Stimmen einfach außen vor gelassen, nämlich diejenigen, die das Ganze am meisten betrifft. Die Lehramtsstudierenden wurden überhaupt nicht um Stellungnahme gebeten. Die haben sich auch danach mit einem offenen Brief darüber beschwert.

Herr Lorz, wie viele offene Briefe und Beschwerden braucht es eigentlich noch, bis Sie endlich Politik auf Augenhöhe mit denjenigen betreiben, die am meisten von Ihren Gesetzen betroffen sind?

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Heidemarie ScheuchPaschkewitz (DIE LINKE))

Vielleicht gehen Sie auch deshalb so vor, weil Sie ahnen, dass Ihre Novelle nicht auf besonders viel Gegenliebe stoßen wird, weder bei den Lehramtsstudierenden noch bei den Schulen, noch bei den Lehrkräften. Deswegen bin auch ich sehr gespannt auf die parlamentarische Anhörung im Ausschuss. Da werden sicherlich noch ein paar Stimmen zur Sprache kommen.

Ich will mich heute auf drei aus meiner Sicht zentrale Probleme Ihrer Novelle konzentrieren. Seit Jahren läuft eine bundesweite Debatte über die Aufwertung der Primarbildung in den Kindertagesstätten und den Grundschulen. Wenn ich mir diesen Gesetzentwurf anschaue, habe ich das Gefühl, dass Sie davon überhaupt nichts mitbekommen haben. Wir haben mehrfach die Forderung nach der gleichen Besoldung für alle Lehrämter nach A 13 auch in der Grundschule in den Landtag getragen. Mittlerweile sind die Grundschullehrkräfte den anderen Lehrkräften in der Besoldung in der Hälfte aller Bundesländer gleichgestellt.

Wie ist das in Hessen? – Gähnende Leere. Im Koalitionsvertrag haben Sie festgehalten – Frau Präsidentin, ich darf zitieren –:

Wir halten in dieser Frage ein abgestimmtes und einheitliches Vorgehen der Bundesländer für sinnvoll. Auch um den Lehrerbedarf für unsere Schulen zu sichern und Abwanderungen zu vermeiden, werden wir zu diesem Thema das Gespräch mit unseren Nachbarbundesländern suchen.

Super. Sie können jetzt ein intensives Gespräch mit Thüringen führen. Dort hat man nämlich im September 2021 Fakten geschaffen und die gleiche Besoldung für die Grundschullehrkräfte umgesetzt. Das ist doch ein gutes Vorbild für die Hessische Landesregierung.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Aber die schwarz-grüne Landesregierung hier weigert sich nach wie vor, den vielen Frauen an den Grundschulen A 13 zu zahlen. Ihre Begründung ist für uns heute besonders interessant. Das Grundschullehramt studiere man nur sieben Semester statt wie das Gymnasiallehramt zehn Semester. Kürzere Ausbildung bedeutet weniger Besoldung.

Deswegen hofften jetzt viele auf diese Novelle. In vielen Bundesländern wurde die Regelstudienzeit schon auf acht oder zehn Semester angehoben. Herr Kollege Degen hat das gerade aufgelistet.

Auf die Grundschulen, die Gemeinschaftsschulen sind, kamen in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben zu. Die haben Sie in der Begründung Ihrer Novelle aufgezählt. Dies sind die Inklusion, die Vielfalt, die Integration, die Nachhaltigkeit und die Digitalisierung. Trotzdem soll es bei einer Regelstudienzeit von sieben Semestern bleiben. Das sind gerade einmal dreieinhalb Jahre für das Grundschullehramt und für das Haupt- und Realschullehramt.

Wo bleibt denn die im Koalitionsvertrag versprochene Prüfung einer zeitlichen Ausweitung des Lehramtsstudiums für die Grundschulen? Oder haben Sie die Prüfung schon durchgeführt, ohne uns einzubinden? Falls ja, was waren denn die Ergebnisse dieser Prüfung? Das würde mich interessieren.

Wir als LINKE bleiben dabei: Das Grundschullehramt muss mit einer längeren Regelstudienzeit und der Besoldung A 13 aufgewertet werden.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Stattdessen ist aber eine weitere Verdichtung des Stoffs während des Grundschullehramtsstudiums geplant. Studierende sollen zukünftig eines der drei Fächer als Langfach studieren. Dieses Unterrichtsfach soll dann gleichzeitig die Lehramtsbefähigung für die Sekundarstufe I sein. In diesem Langfach werden dann deutlich mehr Leistungspunkte erbracht werden müssen. Wie soll das denn in sieben Semestern ohne Abstriche bei den Querschnittsthemen, die immer wichtiger werden, oder bei den anderen zwei Kurzfächern gehen? Das ist eine echte Schnapsidee, die zeigt, wie weit Sie von der Realität an den Schulen und an den Hochschulen entfernt sind.

Sollte das Grundschullehramt so umgesetzt werden, wie Sie es vorschlagen, würde es aufgrund seiner enormen Dichte und der schlechteren Besoldung hinterher nicht gerade attraktiver werden – um es vorsichtig zu sagen. Das Gegenteil wäre der Fall. Das würde dann bei einem eklatanten Lehrermangel gerade an den Grundschulen geschehen. Ab dem Jahr 2026 wird es ein Recht auf Ganztagsbetreuung geben. Das ist vollkommener Irrsinn.

Leider haben Sie sich beim Thema Vorbereitungsdienst nicht von der Realität an den Schulen beirren lassen. Sie wollen den Weg der Modularisierung weiter fortsetzen. Der Prüfungsmarathon im Referendariat wird keineswegs sicherstellen, dass am Ende befähigte Lehrkräfte herauskommen. Vielmehr wird Dienst nach Vorschrift gemacht werden. Das Referendariat wird dann häufig schon nach neun Monaten beendet werden.

Die Qualität der Betreuung im Referendariat durch Lehrkräfte an der Ausbildungsschule wird auch weiterhin nicht an erster Stelle stehen. Eine fachfremde Betreuung wird auch nach dieser Novelle möglich sein.

Trotz massiver Kritik am Vorbereitungsdienst findet weder eine Evaluation noch eine Reform des Referendariats statt. Das ist sehr ernüchternd. So viel kann ich Ihnen schon verraten: Das wird zu erheblicher Kritik von den Praktikern führen.

Man könnte jetzt noch viele andere Probleme Ihres Gesetzentwurfs ansprechen. Das betrifft die Umsetzung des Praxissemesters, förderpädagogische Elemente und Prüfungsfragen. Aber da würde ich gerne die Anhörung abwarten.

Insgesamt stellt einen dieser Gesetzentwurf nicht zufrieden. Angesichts der Herausforderungen, mit denen unsere Lehrkräfte tagtäglich an unseren Schulen konfrontiert werden, ist dieser Gesetzentwurf in keiner Weise angemessen.

(Beifall DIE LINKE)