Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Hermann Schaus - Endlich unabhängige Stelle bei Vorwürfen gegen Behörden einrichten!

Erste Lesung Gesetzentwurf Fraktion der SPD Gesetz über den Bürgerbeauftragten des Landes Hessen und den Landesbeauftragten für die hessische Polizei

Hermann Schaus

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Dr. Hahn, ich wünsche Ihnen noch drei weitere schöne Tage.

(Heiterkeit Freie Demokraten)

Bereits vor einigen Monaten haben wir, damals auf – –

(Zuruf Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (Freie Demokraten) – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er hat dich eingeladen!)

– Okay, aber ich bin leider schon verplant, sonst würde ich das Angebot gern annehmen.

(Unruhe)

– Also, das geht alles von meiner Zeit ab. Frau Präsidentin, ich würde jetzt gerne anfangen.

Bereits vor einigen Monaten haben wir, damals auf Antrag der GRÜNEN, über einen Bürgerbeauftragten gesprochen –  allerdings nur mal so, wie ich den Eindruck hatte, ohne dass ein Gesetzentwurf vorgelegt oder angekündigt wurde. Nun endlich kommt durch den Gesetzentwurf der SPD Bewegung in die Sache, aber leider offensichtlich nicht in den Fraktionen der Regierungskoalition. Wir haben in der Diskussion auch gemerkt: Das Schild „Bürgerbeauftragter“ heißt erst einmal gar nichts, sondern das kann man so oder so sehen. Ich glaube, wenn wir in eine Diskussion eintreten, werden wir sehr wohl zu sehr unterschiedlichen Auffassungen kommen. Das zeigt schon die heutige Diskussion.

Wir sind der SPD für ihren Gesetzentwurf sehr dankbar, da sowohl die Bürgerbeauftragte als auch der Polizeibeauftragte eine gesetzliche Grundlage erhalten müssen, auf der diese neue Stelle erst arbeitsfähig wird. Diese brauchen sie deshalb auch, bevor es losgeht, nicht erst hinterher, Herr Frömmrich. Man kann nicht einfach hergehen und bei der Landtagsverwaltung drei Stellen schaffen und sagen: Wir schauen einmal, was dort passiert. – Dass nicht ausgestaltet wird, was hier passieren soll, aber Stellen geschaffen werden, war für uns ein Grund, uns bei der Abstimmung über den Einzelplan 01 der Stimme zu enthalten; denn so eine Mogelpackung machen wir nicht mit.

Wir als LINKE unterstützen den Gesetzentwurf der SPD, zumal wir dazu ähnliche Vorstellungen haben. In unseren jüngst eingebrachten Haushaltsanträgen haben wir auch schon weitere Mittel für eine gut ausgestattete Stelle beantragt. Wir sehen das – ähnlich wie auch der Datenschutzbeauftragte – als eigene Behörde an und nicht als Teil der Landtagsverwaltung. Dafür wollen wir 15 Stellen vorsehen.

Warum braucht es eine Ombudsstelle bzw. eine Bürgerbeauftragte? Seit wir 2018 zum ersten Mal in den Landtag eingezogen sind, fordern wir eine solche unabhängige Stelle. Wir fordern sie, weil es immer wieder Vorwürfe gegen Behörden oder die Polizei gibt, die sachgerecht und neutral aufgearbeitet werden müssen. Dies sollte auch im Interesse der Betroffenen und eigentlich aller Fraktionen hier im Hause sein.

Es ist gut, wenn eine unabhängige Stelle beim Landtag, so, wie der Datenschutzbeauftragte auch, als eigenständige Behörde und eben nicht als Teil der Landtagsverwaltung eingerichtet wird, die internen wie externen Vorwürfen nachgeht.

Bisher untersucht z. B. die Polizei selbst, ob Vorwürfe gegen sie berechtigt sind oder nicht. Ähnlich ist es auch in anderen Landesbehörden. Kollegen ermitteln also gegen Kollegen, das ist problematisch.

So wurden z. B. im Fall der NSU-2.0-Morddrohungen gegen eine Frankfurter Rechtsanwältin die Ermittlungen gegen Polizisten des 1. Frankfurter Polizeireviers lange Zeit intern im eigenen Präsidium geführt, obwohl eigentlich das LKA zuständig war.

(Zuruf Holger Bellino (CDU))

Erst als sich die Betroffene an die Presse wandte, wurde der Fall öffentlich, Herr Bellino. Erst dann wurden die Mitglieder des Innenausschusses informiert. Mit Übernahme der Ermittlungen durch das LKA kam das Verfahren erst richtig in Gang. Wir wissen alle, was da ins Rollen gekommen ist.

In all diesen Fällen gab es und gibt es auch Vorwürfe von Bürgerinnen und Bürgern, denen auch nachgegangen werden muss. Ich will ausdrücklich hinzufügen: Das heißt nicht, dass Vorwürfe gegenüber der Polizei im Allgemeinen oder gegen Behördenmitarbeiter immer berechtigt sind; aber ihnen muss sachgerecht und neutral nachgegangen werden, und das von einer unabhängigen Stelle.

(Beifall DIE LINKE)

Dennoch stehen in der Öffentlichkeit viele dieser Ermittlungen immer wieder im Verdacht – den muss man entkräften –, sie würden nur formal und mit dem Ziel, sie schnell intern einzustellen, geführt. Diesem Eindruck müssen wir durch eine unabhängig arbeitende Behörde begegnen, die mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet werden muss. Das ist auch dann besonders wichtig, wenn Vorwürfe innerhalb von Behörden, also von Kollegen gegen Kollegen, erhoben werden. Auch Amtsmissbrauch wird oft nur durch Whistleblower öffentlich, weil es Angst wegen Repressionen in der eigenen Behörde gibt.

Deshalb war ich erfreut, als ich im schwarz-grünen Koalitionsvertrag zumindest eine vage Formulierung gefunden habe, dass eine solche Stelle eingerichtet werden soll. Doch da endete meine Freude dann auch schon. Normalerweise gibt es dazu einen Gesetzentwurf, damit klar ist, welche Aufgaben und welche Kompetenzen diese Behörde hat. Aber von den Koalitionsfraktionen liegt bisher nichts dazu vor, außer der berühmten Pressemitteilung von Jürgen Frömmrich über das, was schon im Koalitionsvertrag
steht.

(Holger Bellino (CDU): Und ein Haushaltsantrag!)

Außerdem wurden Finanzmittel für drei Stellen beim Landtag beantragt.

Lassen Sie mich sagen: Wenn es darum geht, eine neutrale Stelle zu schaffen, dann hätte ich erwartet, dass sich auf Initiative der Koalitionsfraktionen alle Landtagsfraktionen zusammensetzen, um darüber zu beraten, wie wir diese Stelle neutral und gemeinsam gestalten können, damit sie entsprechend getragen wird.

(Robert Lambrou (AfD): Will man das denn?)

Jetzt muss die SPD die Scharte auswetzen, was die Koalitionsfraktionen versäumt haben, weil sie ein Placebo in ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben, dem sie nicht ernsthaft nachgehen wollen. So ist mein Eindruck. Man schafft drei Stellen, aber man weiß nicht, was damit zu machen ist. Es soll nämlich keine Konkurrenz zum Petitionsausschuss entstehen, deshalb muss eine eigenständige Regelung erfolgen.

Wenn Sie sagen, das habe Zeit bis Ende der Legislaturperiode – das sind immerhin noch mehrere Jahre –, dann habe ich den Eindruck, dass Sie das auf die lange Bank schieben wollen, weil es Konflikte zwischen den beiden Koalitionsfraktionen dazu gibt. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich komme zum Schluss. Was wir brauchen, ist eine Stelle für ernste Konflikte und Vorwürfe gegen Behörden und für Konflikte und Vorwürfe innerhalb von Behörden. Das sollte gesetzlich klar geregelt sein: als eigenständige Behörde und weitgehend unabhängig vom Regierungshandeln. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)