Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Heide Scheuch-Paschkewitz - Institutionalisierter Naturschutz kann das Artensterben nicht aufhalten

Heidemarie Scheuch-Paschkewitz
Heidemarie Scheuch-PaschkewitzBiodiversitätUmwelt- und Klimaschutz

In seiner 52. Plenarsitzung am 3. September 2020 diskutierte der hessische Landtag über die Förderung von Landschaftspflegeverbänden für den Biodiversitätsschutz. Dazu die Rede unserer landwirtschaftspolitischen Sprecherin Heidemarie Scheuch Paschkewitz.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zuerst einmal: Landschaftspflegeverbände sind für den kooperativen Naturschutz unerlässlich, und deren finanzielle Unterstützung ist wichtig. Aber das bedeutet nicht, dass mit der Finanzierung der Verbände automatisch ein besserer Schutz der biologischen Vielfalt einhergeht. Die Naturschutz- und Umweltverbände stimmen darin überein, dass nur mit Mitteln des Naturschutzes der Biodiversitätsverlust nicht gestoppt werden kann. Ohne eine grundlegende Änderung der Produktion von Nahrungsmitteln und Gebrauchsgütern und ohne eine Veränderung des Konsumund Mobilitätsverhaltens werden wir weder das Artensterben noch den Klimawandel stoppen können.

(Beifall DIE LINKE)

Hierbei geht es um einen Wandel. Ich weiß, Sie hören dies nicht gern, aber es geht um einen Wandel, der auch die kapitalistischen Produktionsweisen infrage stellen muss. Seit Jahren hören wir Ankündigungen seitens der Umweltministerin. Es gibt kaum einen Monat, in welchem nicht eine „tolle“ Strategie aus dem grünen Ministerium das Licht der Welt erblickt. Es gibt kaum eine Woche, in der nicht ein Programm gelobpreist oder ein Preis vergeben wird. All das verschleiert, dass die Umsetzung von EU-Richtlinien miserabel ist.

Sollen Landschaftspflegeverbände nicht Teil der Verwaltung des Niedergangs werden, muss die Landesregierung deutlich nachlegen. Ich nenne nun drei wichtige Säulen des Biodiversitätsschutzes:

Erstens die Wasserrahmenrichtlinie. Im Jahr 2018 waren nur 15 % der hessischen Fließgewässer in einem guten ökologischen Zustand. Was den Kommunen jedoch mit dem Wettbewerb „100 wilde Bäche“ angeboten wird, ist allerdings längst überfällig und verbindliche Aufgabe aller

Kommunen.

Zweitens die Agrarwende. Das Artensterben, welches wir in den letzten Jahrzehnten auf den Feldern erlebt haben, ist die Folge eines gravierenden Politikversagens, industrieller Agrarkonzerne, glyphosatgespritzter Monokulturen, lobbygesteuerter Zulassungsverfahren für Pestizide und der Vergüllung der Landschaft. Als Gegenmittel hat die Landesregierung 2018 einen Pestizidreduktionsplan angekündigt. Es gibt aber keinen Plan, sondern dieser sei als – ich zitiere –

… Ergebnis eines vielsträngigen und kontinuierlichdynamischen Entwicklungsprozesses zu definieren.

So hört sich das an, wenn die hessische Umweltministerin der Öffentlichkeit mitteilt, dass nichts passiert.

Die dritte Säule des Biodiversitätsschutzes ist der Stopp der Flächenversiegelung. Trotz Nachhaltigkeitsstrategie – denn an Strategien mangelt es nicht – verlieren wir unter grüner Regierung jährlich viele Hektar bester Ackerböden für Logistik und Verkehrsflächen. 2,8 ha verschwinden täglich unter Beton und Asphalt. Unter der Aufsicht des grünen Ministers Al-Wazir wurde die Hessische Landgesellschaft zur Versiegelungs-GmbH.

(Beifall DIE LINKE)

Und schlimmer noch: Während wir nach mehreren heißen Sommern um jeden Hektar lebensfähigen Waldes kämpfen, soll durch den unsinnigen Weiterbau der A 49

(Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah!)

bester, noch intakter Mischwald gerodet werden.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glockenzeichen)

Der Verkehrsminister Al-Wazir degradiert sich selbst zum Handlanger des Bundesautoministers Scheuer und erklärt sich für nicht zuständig. Die Fraktion der GRÜNEN lobt sich im Landtag für das Engagement für den Erhalt der Biodiversität; Sie schauen aber weg, wenn diese unter Asphalt verschwindet. Das nenne ich Heuchelei.

(Beifall DIE LINKE)

Wir erwarten von Herrn Minister Al-Wazir, dass er sich für ein sofortiges Rodungs- und Baumoratorium einsetzt. Der Weiterbau der A 49 ist ein ökologischer Wahnsinn.

(Unruhe – Glockenzeichen)

Er ist nicht Teil einer Verkehrswende, steht gegen den Klimaschutz, zerstört Trinkwasservorkommen und ist das Gegenteil von Biodiversitätsschutz.

(Beifall DIE LINKE)

Wir halten fest: Die Zerstörung von Lebensräumen in Hessen wird weiter betrieben. Schwarz-Grün redet über „Wende“ und „ökologischen Umbau“, setzt dies aber nicht um. Es reicht nicht, wenn nur noch Ankündigungen grün sind, sich die Realpolitik nach Jahren aber kaum von der einer schwarz-gelben Landesregierung unterscheidet.

(Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ui!)

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Heidemarie Scheuch-Paschkewitz (DIE LINKE):

Herr Präsident, ich komme zu meinem letzten Satz. – Setzen Sie endlich ein Zeichen dafür, dass Ihnen der Schutz der biologischen Vielfalt wichtig ist.

(Unruhe – Glockenzeichen)

Leiten Sie die Wende ein. Stoppen Sie den Weiterbau der A 49.

(Beifall DIE LINKE)