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Rede

Heide Scheuch-Paschkewitz - Landesregierung versagt bei angemessener Unterbringung von Geflüchteten

Heidemarie Scheuch-Paschkewitz
Heidemarie Scheuch-PaschkewitzMigration und Integration

In seiner 58. Plenarsitzung am 11. November 2020 diskutierte der Hessische Landtag abschließend über das neue Landesaufnahmegesetz der Landesregierung. Dazu die Rede unserer europapolitischen Sprecherin Heidemarie Scheuch-Paschkewitz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren!

Herr Minister Klose hat in der letzten Debatte erläutert, worum es aus Sicht der Landesregierung bei dem Gesetzentwurf geht. Es geht um die Verpflichtung der Kommunen, Asylbewerberinnen und Asylbewerber unterzubringen und die Kostenerstattung durch das Land hierfür zu regeln. Wie traurig, wie entlarvend ist diese Sicht auf das Thema. Für die Landesregierung handelt es sich bei der Unterbringung für Geflüchtete um eine verwaltungstechnische Verteilungsfrage, um reine Bürokratie.

Herr Scherenberg vom Flüchtlingsrat hat in der Anhörung gesagt – wenn ich zitieren darf:

… es vor allem die Frage der Perspektive ist. Worum geht es hier? Geht es darum, dass Menschen untergebracht werden? Oder geht es darum, dass dort Menschen wohnen …? Die Frage ist also, welche Rechte wir den Menschen zugestehen, und daraus dann abgeleitet, wie eigentlich die Art der Wohnung bzw. der Unterbringung aussehen muss.

Herr Minister, genau hier liegt das Problem. Sie behandeln Geflüchtete als reine Verwaltungsmasse. Die Grundrechte der Betroffenen spielen in diesem Gesetzentwurf keine Rolle. Nur so ist zu erklären, dass der Entwurf keinerlei Verbesserungen für die Lebens- und Wohnsituation in den Unterkünften vorsieht. Nur so ist zu erklären, dass die Betroffenen ohne jede Anhörung bei Konflikten vor die Tür gesetzt werden können. – Das ist wirklich eine Schande für eine Koalition, die sich eine humanitäre Flüchtlingspolitik in den Koalitionsvertrag geschrieben hat.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist auch eine Schande, dass Sie die Warnungen und Meinungen der Expertinnen und Experten in den Wind schlagen und an Ihrem Gesetzentwurf festhalten, obwohl es wohl selten eine vernichtendere Anhörung zu einem Gesetzentwurf im Hessischen Landtag gegeben hat.

(Beifall DIE LINKE, SPD, AfD und Freie Demokraten)

Fast alle Anzuhörenden haben den Entwurf massiv kritisiert, bis auf den Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände – und er hat am Ende am Entwurf mitgeschrieben.

Wenn Sie an Ihren Gesetzentwürfen sowieso nie etwas ändern, egal wie schlecht sie sind, egal wie viel Kritik von Expertinnen und Experten und der Opposition kommt, können wir uns das alles hier doch sparen.

(Zuruf: Hört, hört!)

Was sagt das über Ihr Demokratieverständnis aus? Was für ein Signal wollen Sie an die Experten und Expertinnen senden?

Mit Ihrem Einverständnis möchte ich hier noch ein anderes Zitat aus der Anhörung vortragen. Frau Niebch von der Diakonie Hessen und dem Evangelischen Büro Hessen sagte – ich zitiere –:

Seit über 20 Jahren setzen sich die Liga, die Diakonie und die evangelische Kirche nun dafür ein, dass wieder Standards in einem Gesetz per Landesrecht vorgeschrieben werden, die auch entsprechend ausformuliert sind. … Mit dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf sehen wir aber keinen Fortschritt, sondern eher einen Rückschritt.

Und weiter:

Unsere Kritik … richtet sich an die Landesregierung, die unserer Meinung nach aufgrund der neuen gesetzlichen Vorgaben nach § 53 Asylgesetz in der Pflicht ist, für eine angemessene Unterbringung zu sorgen, aber diese ganze Verantwortung an die Kommunalen Spitzenverbände abgibt, nur Geld zur Verfügung stellt und sich ansonsten nicht mehr kümmert.

Was antwortet die Landesregierung auf diese Kritik? Auf Mindeststandards wolle man verzichten, um den Kommunen Flexibilität bei der Unterbringung zu bieten. – Das ist ja super, Herr Klose. Lieber nicht regeln, wie viele Menschen gemeinsam unterzubringen sind, damit die Kommunen auch weiterhin ganz flexibel sechs Leute auf 15 m2 unterbringen können und auf einer ganzen Etage einen Waschraum für alle bereitstellen. Das ist kein Ermöglichen von Flexibilität. Das ist ein Totalversagen und ein Abschieben von Verantwortung an die Kommunen.

(Beifall DIE LINKE)

Immer schieben Sie alle Entscheidungen auf die Kommunen ab. Wenn Sie selbst so ungern Regelungen treffen, wenn Sie so ungern regieren, dann lassen Sie es doch einfach.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE und AfD)