Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske - Die Rodung des Dannis verhindern, den Weiterbau auf den Prüfstand stellen I

Jan Schalauske
Jan SchalauskeUmwelt- und KlimaschutzVerkehr

In seiner 59. Plenarsitzung am 12. November 2020 diskutierte der Hessische Landtag über den Rodnungseinsatz im Dannenröder Wald. Dazu die Rede unseres Marburger Abgeordneten Jan Schalauske.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Der Weiterbau der A 49 bewegt viele Menschen in der Region, in Hessen und darüber hinaus. Deswegen ist es durchaus richtig, dass wir in einer Aktuellen Stunde über diesen Weiterbau reden. Aber ich glaube, es ist auch wichtig, noch einmal zum inhaltlichen Kern der Sache zurückzukommen.

Ich will dennoch eine kritische Vorbemerkung machen. Man kann ja zum Weiterbau der A 49 stehen, wie man will. Wir haben da als LINKE auch eine sehr klare Haltung dazu, die sich deutlich von denen der anderen Fraktionen unterscheidet. Ich finde aber, dass eines nicht geht: Das ist, immer wieder zu behaupten, man sei schon immer gegen den Autobahnbau gewesen, man halte ihn für falsch, und andererseits sich aufgrund der Koalitionsräson einfach vor den aktuellen Entwicklungen wegzuducken – so wie das der Antrag hier vorgibt. Ich finde, das geht nicht.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Jetzt zum inhaltlichen Kern der Sache. Es mag ja sein, dass die Entscheidungen über Bundesautobahnbau beim Bund liegen und das Land im Auftrag handelt. Aber rechtliche Konsequenzen, wenn ein Land eine Autobahn nicht baut, gibt es nicht. Der Bund baut doch keine Autobahn, die die Bundesländer nicht wollen.

(Zuruf Jürgen Lenders (Freie Demokraten))

Da frage ich: Wo war denn der Widerstand des Landes Hessen? – Diesen Widerstand gab es nicht, im Gegenteil: GRÜNE und CDU haben hier im Landtag am Weiterbau festgehalten und haben das dokumentiert. Eigentlich müsste der Bund dann das Land anweisen, so heißt es. Das ist aber doch meines Wissens in der Vergangenheit noch nie in der Bundesrepublik passiert. Von einem grünen Verkehrsminister wäre es doch zu erwarten, dass er sich einer falschen Planung entgegenstellt. Ich finde: Nutzen Sie Ihre Möglichkeiten. Baurecht bedeutet nicht Baupflicht.

(Beifall DIE LINKE)

Wie stand es denn vor wenigen Wochen auf einem Banner von Greenpeace vor dem Landtag? „Wenn das noch Grün ist, sehen wir schwarz“. Dem ist eigentlich kaum etwas hinzuzufügen.

Es ist heute viel zu wenig über die Gründe geredet worden, warum der Autobahnbau so umstritten ist. Es gab wenige Worte über die Gefahr bei der Trinkwasserversorgung. Da gibt es ja Entwicklungen. Sie wissen, was die mittelhessischen Wasserwerke dazu sagen: „Operation am offenen Herzen“. Sie wissen auch, dass dem Gutachten der DEGES GmbH, welches vom Minister stolz vor sich hergetragen wurde, von einem Marburger Beratungsbüro heftige Mängel attestiert worden sind. Wo sind denn hierzu Ihre Stellungnahmen? Denn wir leben doch in Zeiten von Wasserknappheit und Dürreperioden. Wir bleiben dabei: Die Versorgung mit Trinkwasser ist zu wichtig, als dass wir sie einem unsinnigen Autobahnbau unterordnen dürften.

(Beifall DIE LINKE)

Für den Bau sind in dem einst wunderbaren Herrenwald – ich komme aus der Region –, einem europäischen Naturschutzgebiet, 43,5 von 47 ha gerodet worden. In diesen Minuten werden auch in dem intakten und vorbildlich bewirtschafteten Dannenröder Forst die ersten Bäume gefällt. Wir haben es hier doch diskutiert: Ausgleichsmaßnahmen können diese Zerstörung nicht kompensieren. Deshalb bleiben wir dabei: Der Dannenröder Forst darf nicht gerodet werden.

(Beifall DIE LINKE)

Ich kann doch verstehen, dass sich Menschen eine Entlastung vom Verkehr wünschen. Aber das wird nicht passieren. Diese Autobahn wird massiven Verkehr nach Mittelhessen bringen, Straßen be- und nicht entlasten und ganze Täler verlärmen. Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten. Das wollen wir nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Der Weiterbau verursacht gigantische Kosten. Ich habe Ihnen dies schon einmal gesagt: 42,5 Autobahnkilometer für 1,4 Milliarden €. Das ist eine Verdreifachung der Kosten.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Hält da keiner die „Schuldenbremse“?)

ÖPP-Verträge sind geschwärzt. Scheuer, der Bundesverkehrsminister, will die Rendite der Investoren nicht offenlegen. Vielleicht könnte der hessische Verkehrsminister in diesem Zusammenhang einmal etwas tun; denn Hessen ist auch Vertragspartner. Auf jeden Fall gilt: Private Investoren reiben sich die Hände und freuen sich auf klingelnde Kassen. – Wir lehnen das ab. Straßen gehören in öffentliche Hand, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Egal, welche markigen Worte die FDP auch finden will, ich werde nicht der Gefahr unterliegen, etwas zur Ideenverwandtschaft und -geschichte von Anarchismus und Liberalismus zu sagen, weil dafür die Zeit zu kurz ist. Beim Wettern gegen Verbote und Regularien gibt es vielleicht Überschneidungen, aber dafür habe ich keine Zeit.

Wir halten noch einmal fest: Wir danken den Bürgerinitiativen für ihr jahrzehntelanges Engagement. Wir begrüßen den „Dannenröder Appell“; und, ja, wir sind solidarisch mit Menschen, die den Dannenröder Forst seit Monaten besetzen und bewohnen, um unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren. Wir lehnen Pauschalisierungen und Verurteilungen ab, genauso wie wir die Gefährdung von Menschen ablehnen. Das tun wir immer und egal, von wem sie ausgehen. Jeder Verletzte ist einer zu viel – egal, von welcher Seite. Mit Blick auf den Antrag von CDU und GRÜNEN muss ich feststellen, dass auch Sie alle Seiten – auch die Polizei; das sage ich in Klammern – dazu aufrufen sollten, gewaltfrei zu sein und sich in Mäßigung zu üben.

(Zuruf: Was denn sonst?)

Vizepräsidentin Heike Hofmann:

Herr Schalauske, bitte kommen Sie zum Schluss.

Jan Schalauske (DIE LINKE):

DIE LINKE ist mit parlamentarischen Beobachtern vor Ort, um darauf zu achten, dass Grundrechte nicht eingeschränkt werden. Diese Präsenz – genauso wie die der GRÜNEN – scheint zur Deeskalation beizutragen. Die Grüne Jugend hat recht mit ihrem Slogan: „Alle in den Wald!“ Dieser bleibt aktuell. Der Dannenröder Forst muss geschützt und der Bau der A 49 verhindert werden.

(Beifall DIE LINKE)