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Rede

Jan Schalauske - Für die Rückführung des UKGM in öffentliches Eigentum - Teil 1

Jan Schalauske
Jan SchalauskeGesundheitWissenschaft

In seiner 39. Plenarsitzung am 6. Mai 2020 diskutierte der Hessische Landtag auf unseren Antrag über die Situation am Universitätsklinikum Geißen und Marburg (UKGM). Dazu die erste Rede unseres finanzpolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Man muss sich das einmal vorstellen. In diesen Wochen diskutiert ein ganzes Land mit Blick auf die Herausforderungen durch die Corona-Pandemie darüber: Wie muss unser Gesundheitswesen aufgestellt werden? Es wird diskutiert: Welche Fehler sind in der Vergangenheit gemacht worden? Wie können und müssen wir wieder mehr gesellschaftliche Verantwortung für unsere Krankenhäuser übernehmen?

Was machen in dieser Situation drei alte, schwerreiche Konzernpatriarchen? – Sie liefern sich eine beispiellose Übernahmeschlacht auf den Aktienmärkten, um die Hoheit über Krankenhäuser zu gewinnen. Da wird getrickst, da wird getäuscht, dass einem schwindelig wird. Man hat den Eindruck, dass es auf dem Krankenhausmarkt mittlerweile wie in einem Spielcasino zugeht. Ich will ganz klar sagen: Das wollen wir nicht, das darf so nicht weitergehen.

(Beifall DIE LINKE)

Wir finden uns nicht damit ab, dass unser von der CDU einst verkauftes Uniklinikum aufgrund der Übernahme der Rhön AG durch den Klinikkonzern Asklepios erneut zum Spielball der Finanzmärkte geworden ist. Wir wollen nicht, dass die Zukunft der Gesundheitsversorgung in Mittelhessen auf den Aktienmärkten entschieden wird. Wenn diese Vorgänge eines zeigen, dann ist es doch das, wie sehr durch Privatisierung und Kommerzialisierung unser Gesundheitswesen für Profitstreben und für Spekulationen geöffnet worden ist. Damit muss Schluss sein.

(Beifall DIE LINKE)

Der traurige Höhepunkt dieser neoliberalen Umgestaltung unseres Gesundheitswesens war die europaweit einmalige Privatisierung unseres Uniklinikums durch eine CDU-geführte Landesregierung. Es gibt aktuell in Zeiten der Corona-Pandemie viel Aufmerksamkeit für die Situation in Krankenhäusern. Es ist schön, wenn Beifall für Pflegekräfte in der Gesellschaft viel Zustimmung findet. Das reicht aber längst nicht aus. Gerade jetzt verdienen die Kolleginnen und Kollegen unseres Uniklinikums sowie alle Beschäftigten im hessischen Krankenhaus- und Gesundheitswesen unseren Respekt, Dank und Anerkennung für ihre unermüdliche Arbeit.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Damit das nicht vergessen wird: Zu einem Krankenhaus gehören alle Berufsgruppen, von der Pflege über Ärztinnen und Ärzte, technische Mitarbeiter bis hin zu Serviceberufen für Küche, Reinigung, Fahrdienste und vieles mehr. Zu einem Uniklinikum gehören aber auch Lehrende, Forschende, Studierende. Sie alle leisten unter schwierigen Bedingungen tagtäglich Außerordentliches. Dafür haben sie unseren Dank und Anerkennung verdient.

Deshalb ist es in Ordnung, wenn auf Balkonen für die Beschäftigten geklatscht wird; noch besser wäre es, wenn sich das in die notwendige Anerkennung und in bare Münze umwandelt. Ich finde, ein Pandemiezuschlag ist das Gebot der Stunde.

(Beifall DIE LINKE)

Anerkennung und Aufwertung sind nicht nur in Zeiten der Corona-Pandemie für die Pflege wichtig. Aber ich will auch den Blick auf die beim Land angestellten Ärzte werfen, denen im Moment gleiche Bedingungen wie den Ärzten in den anderen Ländern an anderen Unikliniken von der Landesregierung verweigert werden. Das muss ein Ende haben. Auch für die Ärztinnen und Ärzte muss eine Lösung her.

(Beifall DIE LINKE)

Aktuell sorgen sich die Beschäftigten am UKGM aber nicht nur über mangelnde Anerkennung, sondern über die Übernahme der Rhön AG durch Asklepios. Die Beschäftigten sorgen sich, dass durch die Übernahme Arbeitsplätze gestrichen, Einrichtungen geschlossen und betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden.

Diese Sorgen sind nicht unbegründet. Gewerkschafter wissen: Der Hamburger Klinikkonzern verweigert an etlichen Standorten Tarifverhandlungen. Er setzt auf flächendeckende Ausgliederungen, um die Kosten zulasten der Beschäftigungsbedingungen zu senken. Der andere Player B. Braun aus Melsungen, der da mitmischt, will gern schnell Kasse machen und fordert, mal eben einen dreistelligen Millionenbetrag an Dividende auszuschütten. Die Zeche dürfen dann die Beschäftigten und Patienten zahlen. Ich halte das für eine Ungeheuerlichkeit.

Während sich die alten reichen Männer um Macht und Geld zoffen, hört man von der Landesregierung und der zuständigen Ministerin nichts, aber auch gar nichts zur drohenden Übernahme.

(Widerspruch Ministerin Angela Dorn)

Es ist nicht so, als würde es im UKGM nicht auch ohne die Übernahme schon genug Probleme geben: steigende Fallzahlen, im Verhältnis dazu immer weniger Personal, Überlastung, Hunderte Überlastungsanzeigen, die in der Vergangenheit kaum zu Ende verfolgt worden sind, Überstundenberge, die nicht abgearbeitet werden, Betriebsräte, die den Notstand ausrufen. Darüber haben wir hier vor einigen Monaten diskutiert. Damals haben die GRÜNEN im Landtag den Hilferufen aus dem Klinikum sogar jede Glaubwürdigkeit abgesprochen und sie als Notstandsrhetorik verunglimpft. Ich finde, so kann es nicht weitergehen. Die Landesregierung hält immerhin noch 5 % der Anteile am UKGM. Sie hat sich viel zu lange einen schlanken Fuß gemacht. Das muss sich endlich ändern.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Sogar eine Anhörung zur Bilanz der Privatisierung, die gemeinsam von SPD und LINKEN gefordert worden ist, haben Sie verweigert. Deswegen fordere ich Sie hier und heute auf: Nehmen Sie Stellung zur Übernahme. Sorgen Sie dafür, dass an unserem Klinikum betriebsbedingte Kündigungen langfristig und nicht nur bis 2021 ausgeschlossen werden, dass Outsourcing verhindert wird, dass Tarifverträge garantiert und weiterentwickelt werden, dass alle medizinischen Einrichtungen erhalten bleiben.

Da reicht auch nicht ein Verweis auf Hintergrundgespräche und darauf, dass man für das Verhalten privater Dritter keine Verantwortung übernehmen könne. Das ist zu wenig. Da geht sogar der Vorstand der Rhön AG kritischer als die Ministerin mit der Übernahme um, wie in der öffentlichen Stellungnahme zu lesen ist.

Frau Wissenschaftsministerin Dorn, Sie müssen sich die Frage gefallen lassen: Wann haben Sie zum letzten Mal eine Gesellschafterversammlung einberufen? Das wäre eine konkrete Möglichkeit, um Einfluss auch auf die Zukunft unseres Klinikums zu nehmen. Aber die Debatte um den Personalmangel im letzten Jahr hat leider gezeigt: Sie vertrauen mehr den Zahlen der Geschäftsführung eines Aktienkonzerns als den Schilderungen der Belegschaft.

Stolz verweist die schwarz-grüne Landesregierung auf die Vereinbarung zur Trennungsrechnung 2017. Seit der Vereinbarung zur Trennungsrechnung stecken wir jedes Jahr 75 Millionen € in das Klinikum, Tendenz steigend. Vorher waren es rund 60 Millionen €. Dazu kam einmalig die Investitionspauschale in Höhe von 13 Millionen €. Nehmen wir all diese Zahlen zusammen, kommen wir seit 2017 auf die Summe von 240 Millionen €. Sie sagen immer, dass ein Rückkauf viel zu teuer sei. Gleichzeitig werfen Sie der Rhön AG immer mehr Geld hinterher. Ich finde, das passt doch nicht zusammen.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist schön, dass die Landesregierung versucht hat, die Change-of-Control-Klausel zu verlängern, wie zu lesen war. Noch schöner wäre es aber gewesen, wenn Sie nicht einfach nur zugeschaut hätten, wie die Klausel ausläuft, sondern sich einmal angestrengt und echte Rückkaufverhandlungen geführt hätten.

Obwohl die Rhön AG 2006, wie wir alle wissen, darauf verzichtet hat, Investitionsmittel in Anspruch zu nehmen, hat sich die Landesregierung mehrfach bereit erklärt, über weitere finanzielle Mittel zu verhandeln. Wir sind der Meinung, öffentliche Mittel in Form von Investitionsmitteln dürfen dem UKGM und dessen Eigentümern – wer auch immer das ist – nur gegen konkrete Bedingungen und eine erhöhte Einflussnahme des Landes, etwa durch Aufstockung von Anteilen, zur Verfügung gestellt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Kein öffentliches Geld ohne klare Zusagen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Und natürlich werden Sie auch in dieser Debatte einwenden, dass nicht allein die Privatisierung, sondern die Unterfinanzierung und der Mangel an Personal das eigentliche Problem im Krankenhauswesen sind. Ich bin da durchaus bei Ihnen, wobei bei einer privatisierten Klinik ja noch immer die Dividende für die Aktionäre hinzukommt, die erwirtschaftet werden muss.

Aber wenn Sie an den Rahmenbedingungen etwas ändern wollen, setzen Sie sich für Personalmindeststandards ein, wie das Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstrument PPR 2.0, das ver.di mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat verhandelt hat, um die Bedingungen für die Beschäftigten und die Patientenversorgung zu verbessern.

Sorgen Sie mit uns dafür, dass das Fallpauschalensystem mit seinem irrsinnigen Kostendruck, seinen Fehlanreizen und seinem betriebswirtschaftlichen Kalkül endlich zugunsten einer bedarfsorientierten Versorgung und Finanzierung überwunden wird. Das ist eine ganz wichtige zentrale Aufgabe.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Für uns als DIE LINKE gilt – da sehen wir uns absolut im Einklang mit Bürgern, mit Betriebsräten, mit Gewerkschaften, mit Wissenschaftlern, mit Kommunalpolitikern aus allen Parteien in der Region –: Die Privatisierung des UKGM war, ist und bleibt ein Fehler, der rückgängig gemacht werden muss.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Dafür muss die Landesregierung alle Möglichkeiten ausschöpfen, um es wieder in öffentliches Eigentum zurückzuführen. Dazu zählen eine Verlängerung der Change-ofControl-Klausel und ein möglicher Rückkauf ebenso wie eine Rückführung in öffentliches Eigentum. Auch eine Entprivatisierung und Re-Vergesellschaftung nach den Art. 14 und 15 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 35 Abs. 3 Hessische Verfassung sind durchaus möglich.

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Kommen Sie bitte zum Schluss?

Jan Schalauske (DIE LINKE):

Letzte Sätze. – Nehmen Sie sich ein Beispiel an Landrat Dr. Michael Koch von der CDU aus Hersfeld-Rotenburg, der wegen der Corona-Pandemie die Verstaatlichung aller Krankenhäuser fordert. Ich finde, das ist der richtige Weg. Die Pandemie zeigt: Die Gesundheitsversorgung darf nicht Markt, Wettbewerb und Aktiengesellschaften überlassen werden.

(Beifall DIE LINKE und SPD)