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Rede

Jan Schalauske: Grüne Anleihe des Landes ist dreistestes Greenwashing

Jan SchalauskeHaushalt und Finanzen

In seiner 78. Plenarsitzung am 17. Juni 2021 debattierte der Hessische Landtag zum Thema "Grüne Anleihe des Landes ist dreistestes Greenwashing". Dazu die Rede unseres stellvertretenden Vorsitzenden sowie haushalts- und finanzpolitischen Sprechers Jan Schalauske.

 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach der Rede des Kameraden von der AfD würde ich sagen: Wir kommen von den wilden Verschwörungstheorien zurück zum Thema, nämlich zur Finanzpolitik.

(Widerspruch Arno Enners (AfD))

Weil die Farbe angesprochen wurde, sage ich: Bei der Wahl von Klamotten ist es wie in der Politik: Man sollte einfach auf Brauntöne verzichten.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE und SPD)

Das Finanzministerium und jetzt auch die regierungstragenden Fraktionen freuen sich heute über die – Zitat – „größte grüne Anleihe eines Bundeslandes bislang“. 600 Millionen € habe man eingesammelt für Umwelt- und Klimaschutz, für Waldumbau, für den ÖPNV, für das Jobticket, für Ökolandwirtschaft und noch so viel mehr.

Man könnte denken: Das alles klingt erst mal ganz toll. Sicherlich war es nicht allzu schwer, eine Ratingagentur oder irgendeinen Finanzstandard zu finden, der noch einmal zertifiziert, wie toll das alles denn doch nun auch wirklich ist.

Ich finde Folgendes ganz spannend – kommen wir zu den Fakten zurück und schauen jenseits dieser Lobhudelei ein bisschen, was Sache ist –: Das Finanzministerium hat in seiner Pressemitteilung sehr freimütig eingeräumt, was eigentlich Sache ist.

Erstens – das haben auch schon andere Redner gesagt –: Der hessische Landeshaushalt funktioniert nach dem Prinzip der Gesamtdeckung.

Daraus folgt zweitens, dass der Anleihe nur rein ideell bestimmte Maßnahmen zugeordnet werden, die aber im Übrigen schon längst beschlossen und aus dem Landeshaushalt finanziert wurden.

Dass die Anleihe also zu keinerlei zusätzlichen Investitionen führen wird, die es ohne Anleihe nicht geben würde, sondern letztlich nur alter Wein in ein neues Schaufenster gestellt bzw. in einen neuen Schlauch gegossen wird, verraten Sie nicht. Denn von dieser grünen Anleihe geht keinerlei umwelt- und klimapolitischer Nutzen aus.

(Beifall DIE LINKE und Freie Demokraten)

Das ist leider die Faktenlage, und die Transparenz gebietet, dass wir das hier im Landtag auch deutlich so benennen.

Im Gegenteil: Wer sich mit Klimaschutz schmückt, ohne dass dahinter viel Substanz steckt, der schadet am Ende der Sache. Denn Sie wissen das, aber Sie feiern sich trotzdem. Deswegen ist diese grüne Anleihe bzw. die Art und Weise, wie Sie sie präsentieren, leider nur dreistes Greenwashing und hilft in der Sache nicht wirklich weiter, zumal es Alternativen gibt. Wie wäre es denn einmal mit einem Umweltoder Klimaschutzfonds als Extrahaushalt, der sich über zusätzliche Anleihen oder Kredite finanziert? Damit könnte Hessen ein Beispiel geben und eine rechtssichere Übergangslösung schaffen, bis wir die vermaledeite Schuldenbremse endlich abgeschafft haben.

Damit könnten dann zusätzliche, dringend notwendige Investitionen ermöglicht werden. Ein ambitioniertes hessisches Klimaschutzgesetz, wie wir es gestern diskutiert haben und wie es die Opposition gefordert hat, könnte durch einen solchen Extrafonds mit Leben gefüllt werden. Öffentliche Gebäude in Hessen könnten schneller modernisiert werden, als es vorgesehen ist. Man könnte sie auch flächendeckend mit Solaranlagen ausstatten, den öffentlichen Nahverkehr und das Radwegenetz endlich beschleunigt ausbauen, einen Nulltarif schaffen, Bahnlinien reaktivieren, Bäche und Flüsse flächendeckend renaturieren sowie vieles andere mehr. Das alles bleibt aber leider nur Konjunktiv, weil Sie nur Bisheriges im Gesamthaushalt mit Ihrer Anleihe finanzieren.

Die Finanzierung öffentlicher Ausgaben über Extrahaushalte ist in zweifacher Hinsicht kein unbekannter Weg. Zum einen ist das der Weg, den der DGB und – das richte ich auch an die Kollegen von den Liberalen – auch das Institut der deutschen Wirtschaft vorgeschlagen haben, um in diesem Jahrzehnt grundgesetzkonform 450 Milliarden € zusätzlich in die öffentliche Infrastruktur zu investieren. Denn es gibt neben dem Umwelt- und Klimaschutz auch in anderen Bereichen eine Menge zu tun. Das hat, wenn auch nicht die FDP, aber immerhin das Institut der deutschen Wirtschaft erkannt. Da gibt es also Möglichkeiten und Vorschläge, die auf dem Tisch liegen.

Oder wir bleiben bei dem Weg, den Sie gegangen sind. Es gibt ein hessisches Sondervermögen mit Kreditermächtigungen im Umfang von 12 Milliarden €, um einen Neustart aus der Krise zu finanzieren. Wir hatten damals vorgeschlagen, dieses Sondervermögen deutlich größer aufzustellen, um einen echten substanziellen Neustart aus der Krise hinzubekommen und den sozial-ökologischen Umbau so anzugehen, wie es notwendig ist.

Aber das wollte die Landesregierung nicht. Sie wollen sich, statt mutig in die Zukunft zu investieren, lieber hinter Schuldenbremse und schwarzer Null verstecken, zu der Sie schon bald zurückkehren wollen. Schauen wir mal, wer dann die Zeche dafür zahlt.

Leider bleibt jetzt wohl nur Greenwashing, um die eigene Untätigkeit zu kaschieren. Das hilft Hessen und dem Klimaschutz nicht weiter. Im Übrigen sind die Richtlinien für die Versorgungsrücklage alles andere als wirklich nachhaltig; das wurde hier angesprochen. Sie schließen z. B. Waffen nicht komplett aus.

Also: Vorsicht bei Greenwashing. Investieren Sie lieber beherzt in Klima- und Umweltschutz. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)