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Rede

Jan Schalauske - Grundsteuerdebatte wird die Landesregierung wieder einholen

Jan SchalauskeHaushalt und Finanzen

In seiner 90. Plenarsitzung am 08. Dezember 2021 diskutierte der Hessische Landtag zum Hessischen Grundsteuergesetz. Dazu die Rede unseres Vorsitzenden und finanzpolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine Vorbemerkung: Wenn FDP und LINKE bei allen Unterschieden gemeinsam die Grundsteuer verteidigen müssen, dann muss der Beitrag der AfD mal wieder richtig abseitig gewesen sein. (Beifall DIE LINKE, SPD und Freie Demokraten) Jetzt kommen wir zu einem ernsten Thema: Die Landesregierung möchte heute ein Hessisches Grundsteuergesetz beschließen und damit von einer bundeseinheitlichen Regelung abweichen. Das klingt zunächst einmal sehr technisch, wie die gesamte Debatte, und sorgt vielleicht auch in diesen Tagen noch nicht für die Aufmerksamkeit, für die es dann aber in einigen Monaten und Jahren – da bin ich mir sicher – sorgen wird. Denn dieses Hessische Grundsteuergesetz wird mit Sicherheit zu erheblichen Veränderungen der Besteuerung vor Ort führen. Dabei muss man nicht einmal in Abrede stellen, dass sich das Gesamtaufkommen der Steuer gar nicht verändern soll. Was sich aber verändern wird, ist, wer wie viel Grundsteuer bezahlen wird. Wir haben schon bei der Neuregelung der Grundsteuer auf Bundesebene gefordert – das ist für uns ein sehr wichtiger  Punkt –, dass sich die Grundsteuer möglichst eng am tatsächlichen Wert einer Immobilie orientieren soll und – das ist uns auch besonders wichtig – dass die Grundsteuer nicht weiterhin auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden darf. Der zweite Punkt ist allein auf Bundesebene zu regeln. Da können wir einmal schauen, ob von der Ampel etwas kommt. Die Frage aber, wie die Grundsteuer bemessen wird, ist auf Landesebene zu regeln, leider auch abweichend vom Bundesgesetz. Wir wollen eine höhere Besteuerung besonders wertvoller Immobilien; denn wir sehen die Grundsteuer, wenn sie nicht auf die Mieterinnen und Mieter abgewälzt werden kann, auch als eine – ich sage ausdrücklich und betone es: eine – Form der Vermögensteuer. Insofern, Kollegin Miriam Dahlke: Die Grundsteuer ist damit sicherlich einer von mehreren Ansätzen, um eine gerechtere Besteuerung durchzusetzen. Ich werde dazu später noch etwas sagen. Wir finden, dass man unser Ansinnen auch so zusammenfassen könnte – wir sind ja hier in Hessen –: Steuern den Palästen und Ermäßigung den Hütten. (Beifall DIE LINKE – Zuruf Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten)) Aber noch einmal zurück zur Landesregierung und ihrem Gesetzentwurf, der von diesem urhessischen Denken leider deutlich abweicht, weil er genau in eine andere Richtung zielt: Abweichend vom Bundesmodell wollen Sie die Grundsteuer nämlich nach der Fläche bemessen; das ist hier auch thematisiert worden. Das Argument ist dabei, dass sich aus der Fläche einer Immobilie auch der jeweilige Nutzen ergeben würde. Dass dies nicht so ist, ist in der Anhörung auch ein Stück weit deutlich geworden. Sie versuchen, das mit einem Lagefaktor abzumildern – immerhin –, im Unterschied zur FDP, die ohne diesen auskommen will. Aber aus unserer Sicht ist auch dieser Lagefaktor nicht ausreichend, um eine gerechtere Besteuerung abzubilden. Dazu kommt – Frau Kollegin Kalveram hat darauf hingewiesen –, dass es erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegeben hat, ob ein solches Flächenmodell der Entscheidung des Verfassungsgerichts entsprechen würde, wie Prof. Löhr auch ausgeführt hat. Uns allen ist aber klar, dass dieser Grund mit der Fläche und dem Nutzen nur vorgeschoben ist. Denn tatsächlich soll es darum gehen – das hatten wir schon vor ein paar Jahren hier in den Debatten –, mit dem hessischen Modell ausdrücklich nicht den Wert einer Immobilie zu erheben. Sie wissen, dass damit eines der zentralen Argumente für die Möglichkeit einer Vermögensbesteuerung fallen würde. Es war diese Hessische Landesregierung, die gesagt hat, sie wolle unbedingt das Flächenmodell, um eine gerechte Vermögensbesteuerung zu verhindern. Ich sage da ausdrücklich: Wir wollen das Gegenteil. Wir finden Ihren Weg falsch. Wir wollen eine gerechtere Besteuerung. (Beifall DIE LINKE) Jetzt haben wir gehört: Es muss alles vereinfacht werden, es muss alles ganz einfach sein. – Ich frage mich manchmal: Wenn die regelmäßige Erhebung von Vermögensverhältnissen bei Menschen, die von Sozialleistungen betroffen sind, von Hartz IV usw., völlig gang und gäbe ist, bei armen Menschen das Einkommen also angerechnet wird und ihre Vermögensverhältnisse offengelegt werden, wieso ist es dann in diesem Land nicht möglich, alle paar Jahre die Werte von allen Immobilien zu erheben? Mal ehrlich: Ich glaube das nicht, und wir finden, dass die Debatte darüber und über diese Unverhältnismäßigkeit immer wieder geführt werden muss. (Beifall DIE LINKE) Spätestens wenn die ersten Grundsteuerbescheide nach dem neuen Grundsteuergesetz kommen, werden sich einige Leute in Hessen fragen, warum sie jetzt mehr oder so viel Grundsteuer zahlen sollen. Ich gehe davon aus, dass uns das Thema dann hier wieder einholen wird. Noch gibt es diese technische Debatte, aber wenn es am Ende den Leuten an den Geldbeutel geht, wird diese Diskussion sehr politisch, und das werden wir dann auch in den Kommunen bemerken. Ich will aber schon noch sagen, dass ich in dem Gesetzentwurf von CDU und GRÜNEN auch einen positiven Aspekt sehe. Das ist die Einführung einer Grundsteuer C, um etwas dafür zu tun, dass baureife Grundstücke auch bebaut werden, und damit etwas für bezahlbaren Wohnraum zu tun. Das finden wir richtig. Wir haben das lange gefordert, und die Anhörung hat gezeigt, dass insbesondere die Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände das für eine vernünftige und sinnvolle Sache halten. – So weit ein paar grundsätzliche Vorbemerkung zu dem Gesetz. Wir hatten eine Anhörung; daraus haben wir noch weitere Schlüsse gezogen. Die Grundsteuer sieht bisher eine Ermäßigung für Genossenschaften vor. Das ist aus unserer Sicht richtig. Genossenschaften gehören zu den Akteuren im Wohnungsmarkt, die privaten Profitinteressen durchaus entgegenstehen, die bezahlbaren Wohnraum für ihre Mitglieder zur Verfügung stellen. Allerdings hat sich die Welt mittlerweile weiterentwickelt. Es gibt auch andere Akteure, die mit einer anderen Rechtsform genau das gleiche Ziel verfolgen. Das sind Projekte gemeinschaftlichen und selbstverwalteten Wohnens, Mietshäusersyndikate. Darauf hat in der Anhörung das Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen aufmerksam gemacht und einen konkreten Änderungsvorschlag unterbreitet. Ihn wollen wir gerne aufgreifen. Ich denke, das ist ein wichtiges Anliegen und kann einen kleinen Beitrag leisten, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Eigentlich sollte das auch ganz im Sinne der schwarz-grünen Landesregierung sein, die sich erst vor Kurzem eine Landesberatungsstelle für die Förderung solcher Projekte auf die Fahnen geschrieben hat. Es sollte auch im Sinne der FDP sein. Ich kann mich noch an einen lebendigen Beitrag des Kollegen Stefan Naas erinnern, der auch für die Förderung des selbstverwalteten Wohnens hier in die Bütt gegangen ist. (Beifall DIE LINKE – Zuruf Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten)) Dann können Sie doch auch alle unserem Änderungsantrag zustimmen. Ach nein, da war ja was. Aus ideologischen Gründen sind CDU und GRÜNE dazu leider nicht in der Lage. Abschließend nur noch eines: Auch das Bundesgesetz des oft zitierten und heute in ein wichtiges Amt gewählten Olaf Scholz ist für uns nicht der Stein der Weisen. Ich glaube, auch diesem Modell der Großen Koalition hätte eine noch stärkere Wertorientierung gutgetan. Allerdings vergrößert der Entwurf der Landesregierung dieses Problem noch weiter und führt zudem zu einem völlig unnötigen föderalen Flickenteppich im Steuerrecht. Aus unserer Sicht gibt es überhaupt keinen Grund, verschiedene Grundsteuergesetze in ganz Deutschland zu haben. Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Steuern der Kommunen. Wir finden, es reicht vollkommen, wenn die Kommunen auf einer einheitlichen Grundlage dann die Flexibilität haben, die Steuersätze selbst festlegen zu können. Warum aber unterschiedliche Bundesländer auch noch unterschiedliche Bemessungsgrundlagen selbst regeln sollen, erschließt sich uns nicht wirklich. Glauben Sie mir, einen Vorteil werden wir davon nicht haben. Niemand wird, glaube ich, die CDU und die GRÜNEN deswegen unterstützen, weil sie ein eigenes Gesetz auf Landesebene schaffen. Ärger über die Umverteilung der Steuerlast und über diese enorme Gerechtigkeitslücke werden Sie auf jeden Fall einfahren; den wird es zwangsläufig geben. Kurzum: Auch ein schlechtes Gesetz kann man ein bisschen besser machen. Wir LINKE wollen ganz unideologisch die Welt auch in kleinen Schritten besser machen. (Heiterkeit – Tobias Eckert (SPD): So kennen wir euch!) Deswegen haben wir einen Änderungsantrag vorgelegt. Ihn können CDU und GRÜNE gar nicht ablehnen, weil er ganz in ihrem Sinne sein sollte. (Stephan Grüger (SPD): Ihr seid schon sozialdemokratisiert!) Den Gesetzesentwurf der FDP müssen wir leider ablehnen, weil er die falsche Grundlage ist. Aber wir nehmen positiv zur Kenntnis, dass wir gemeinsam zumindest den Grundsatz dieser Besteuerung erhalten wollen. In diesem Sinne wünsche ich uns noch eine gute weitere Debatte; denn ich beantrage die dritte Lesung. (Beifall DIE LINKE)