Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske: Linke fordert Investitionen statt Politik der Schwarzen Null

Jan SchalauskeHaushalt und Finanzen

In seiner 83. Plenarsitzung am 29. September 2021 brachte der Hessische Landtag den Haushalts 2022 ein. Dazu die Rede unseres haushalts- und finanzpolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Heute diskutieren wir in erster Lesung über den Haushaltsentwurf für 2022 und die mittelfristige Finanzplanung für die Jahre bis 2025. Die Überschrift, die das Werk trägt, lautet: „Auf dem Weg zur Normalität“.

Wenn ich mir die vorgelegten Zahlen anschaue, komme ich zu dem Ergebnis: Ja, die Landesregierung hat durchaus recht mit dieser Überschrift. Genau das legen Sie hier vor. Aber das ist kein Grund zur Freude, sondern das ist das Problem. „Auf dem Weg zur Normalität“ klingt nur so lange verheißungsvoll, wie man an die finanzpolitischen Folgen der Corona-Pandemie denkt.

Denkt man aber darüber hinaus daran, in welcher gesellschaftlichen Situation wir stehen, an die gesellschaftliche Normalität eines unterfinanzierten Bildungs- und Gesundheitssystems, an Mietenwahnsinn, an Kinderarmut, an einen sich beschleunigenden Klimawandel, dann wird völlig klar: Wir brauchen kein Zurück zur Normalität. Ganz im Gegenteil, wir brauchen dringend einen gesellschaftlichen Aufbruch in eine sozialere, eine ökologischere und eine gerechtere Gesellschaft. Aber das ist mit dieser schwarz-grünen Haushaltspolitik überhaupt nicht zu machen, und das ist das Problem.

(Beifall DIE LINKE)

In der heutigen ersten Lesung möchte ich mich vor allem mit einigen Rahmendaten des Haushaltsentwurfs beschäftigen. Sie planen – das verkünden Sie mit stolzgeschwellter Brust immer wieder –, bereits 2023 und 2024 die schwarze Null, die Ihnen so heilig ist, zu erreichen, mit Ausgabensteigerungen von nur 1,1 %. Ich glaube, es reicht ein einfacher Blick auf Inflation und notwendige Tarifanpassungen – Sie hatten es selbst angesprochen, Herr Finanzminister Boddenberg –, dass das nichts anderes ist als schlecht kaschierte Kürzungen. Da hilft es auch nicht, das als Prioritätensetzung in irgendeiner Art und Weise schönzureden, wie Sie das bei der Finanzplanung versuchen.

Der Haushaltsentwurf zeigt auch: Das trifft in erster Linie die Entwicklung der Investitionsausgaben. Wir haben schon vor einem Jahr prognostiziert, dass aus dem Sondervermögen zwar bis zum Ende der Legislaturperiode entsprechende Mittel bereitgestellt werden, dass aber danach auf die Investitionsbremse getreten wird. Genau das zeichnet sich jetzt ab.

Ab 2024 sollen die Investitionsausgaben in absoluten Zahlen sogar sinken. Sie wollen dann sparen in der Städtebauförderung, am staatlichen Hochbau. Wie das mit den sozialen und ökologischen Herausforderungen in der Stadtentwicklung, bei der Modernisierung des staatlichen Gebäudebestandes gelingen soll, im Sinne des Klimaschutzes und im Sinne von attraktiven Arbeitsplätzen für die Beschäftigten des Landes, das bleibt Ihr Geheimnis. Das alles schieben Sie auf eine künftige Landesregierung.

Meine Damen und Herren, Herr Kaufmann, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, da wird es schon ganz schön eng für unsere Kinder, denen wir die Erde nur geborgt haben. Da sorgen Sie dafür, dass das in die Zukunft verschoben wird.

(Zuruf: Das mit dem Borgen war umgekehrt!)

– Ja, wir haben die Erde von unseren Kindern und Enkeln nur geborgt. – Mit Ihrer mangelnden Problembewältigung verschieben Sie die Probleme. Sie verschieben die notwendigen Investitionen. Sie wollen schon ab 2024 dafür sorgen, dass die Investitionsausgaben wieder sinken. Das schadet dem Klimaschutz. Das wird nicht dazu beitragen, dass auch Ihr Enkel, Herr Kaufmann, im Jahr 2100 noch gut auf dieser Erde leben kann. Das ist das Problem.

(Beifall DIE LINKE)

Aber auch in einem anderen Bereich der Haushaltspolitik sieht es nicht viel besser aus. Es war richtig – wir waren uns alle einig im Parlament –, dass der KFA in der Krise stabilisiert wird. Doch eines ist auch in diesem Bereich klar: Die jährlichen Steigerungen in den Jahren 2021 bis 2024 betragen nur 1,8 %. Auch das reicht wahrscheinlich nicht einmal, um Inflation und Tariferhöhungen auszugleichen.

Was jedoch ganz sicher ist: Es reicht nicht, um die Kommunen angemessen auszustatten, die vielleicht auch in anderen Bereichen Einnahmeverluste hinnehmen müssen. Für die anstehenden Herausforderungen beim Ausbau von Kita- und Ganztagsbetreuung – darüber haben wir heute diskutiert –, bei der Verkehrswende, bei der Modernisierung der Schulen und vielen anderen Themen, wo die Kommunen zentral in der Verantwortung sind, reicht die Finanzausstattung nicht aus. Ab 2024 fällt dann noch die kommunale Investitionsförderung des Bundes weg.

Es ist gut, wenn Sie darauf hinweisen, dass Sie die Verkehrsverbünde direkt mit Mitteln aus dem Sondervermögen unterstützen. Das ist zweifelsohne notwendig. Das haben wir auch mitgetragen. Das zeigt aber nicht auf, wie wir beherzt in die Zukunft investieren müssen. Das genau wäre aber nötig. Da sind die KFA-Mittel von besonderer Bedeutung, weil sie den Kommunen die Möglichkeit geben, eigene politische Schwerpunkte zu setzen – im Unterschied zu den Förderprogrammen, wo es mehr um die Schwerpunktsetzungen des Landes geht und die den Kommunen nicht diesen Gestaltungsspielraum geben. Das ist auch die Rückmeldung, die wir immer wieder aus den Kommunen bekommen: Davon lebt die kommunale Demokratie, dass die ehrenamtlichen und hauptamtlichen Kommunalpolitiker überhaupt noch etwas entscheiden können und nicht nur auf einen Fördermitteldschungel des Landes angewiesen sind.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Wir sind jedenfalls gespannt, ob die Kommunen und die Kommunalen Spitzenverbände in der Anhörung so begeistert sein werden von den Planungen, wie Sie hier suggeriert haben. Wir haben von CDU-geführten Landesregierungen erlebt, dass die Kommunen oft zum Sparschwein der Landesregierung gemacht worden sind. Das fanden wir in der Vergangenheit falsch, und wir werden auch in der Zukunft versuchen, das zu verhindern.

Mit diesem Haushaltsentwurf wird auch deutlich, dass die Schuldenbremse eine Investitionsbremse ist. Das habe ich ausgeführt, was die Investitionsmittel angeht. Das gelingt Ihnen nur durch das Sondervermögen. Aber es betrifft nicht nur die genuinen Investitionsausgaben, sondern das betrifft auch den Personalaufbau im Hochschul- und Schulbereich, wo dringend mehr Lehrkräfte benötigt werden. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass die Landesregierung sagt, in kleineren Klassen wäre kein besserer Unterricht nötig. Das steht im Übrigen im Widerspruch zu den Einschätzungen der Lehrer-, der Eltern- und der Schülerinnen- und Schülerschaft nach dem Corona-bedingten Wechselunterricht: Lernen in kleineren Klassen geht deutlich besser. Das muss sein. Aber vielleicht sollte die Landesregierung das einmal selbst ausprobieren.

(Beifall DIE LINKE)

Die schwarze Null haben Sie an den Anfang Ihrer Ausführungen gestellt, auch ans Ende. Das bleibt Ihr vermeintlicher Verkaufsschlager. Wir finden, das ist bar jeder ökonomischen Vernunft. Als Begründung ziehen Sie die Niedrigzinsen heran, die Deutschland und das Land Hessen nur deswegen erhalten, weil Deutschland so konsequent zur schwarzen Null stehe. Hinterfragt man diese Argumentation, wird schnell klar: Auch in anderen Staaten wie Österreich, Frankreich und Belgien werden trotz zum Teil deutlich höherer Schuldenstände vergleichbar niedrige Zinssätze gezahlt.

Natürlich müssen Schulden tragfähig sein. Aber dafür ist die ökonomische Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft maßgeblich und nicht allein der Schuldenstand. Dann sind wir bei dem Thema, wie wir eigentlich in Bildung, in Infrastruktur und in Forschung investieren. Dass Deutschland und auch Hessen deutlich mehr in die öffentliche Infrastruktur investieren müssten, das sagt seit geraumer Zeit nicht nur DIE LINKE, das sagt inzwischen sogar der IWF, das sagt das Institut der deutschen Wirtschaft. Während sich diese Institutionen wenigsten ein Stück weit von der Ideologie des Nachtwächterstaats befreit haben, schafft es die Landesregierung nicht, weil insbesondere die CDU weiterhin an ihrem Wahlkampfschlager der schwarzen Null festhalten will. Das ist von der CDU vielleicht noch erwartbar, wobei es auch da mitunter bröckelt. Von den GRÜNEN bleibt es aber enttäuschend.

(Beifall DIE LINKE)

Die GRÜNEN müssen sich schon fragen lassen, wie lange die Kritik an schwarzer Null, an Schuldenbremse, die sie wenigstens im Bund auch in Wahlkampfzeiten propagiert haben, noch halten wird, wenn sie sich jetzt auf den Weg nach Jamaika oder in die Ampel und in die Arme von Christian Lindner begeben. Aber das können sie dann mit sich selbst ausmachen.

(Zurufe)

– Da kann man sehr unterschiedlicher Auffassung sein. Aber ich habe die Schwingungen schon wahrgenommen. Zwischen GRÜNEN und FDP gibt es good Vibrations.

Aber kommen wir zurück zum engen Rahmen der hessischen Schuldenbremse. Ja, Sie rühmen sich dafür, dass Sie die zulässige Nettokreditaufnahme – Kollege Marius Weiß hat es schon angesprochen – ab 2023 gar nicht mehr ausschöpfen und bis 2025 eine halbe Milliarde Euro mehr einsparen, als gesetzlich nötig wäre, während Sie gleichzeitig Investitionsausgaben drastisch kürzen. Spätestens da wird deutlich: Das hat mit dem Anspruch einer maßvollen Haushaltspolitik überhaupt nichts zu tun.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Ein gleiches Bild erleben wir beim Sondervermögen. Auch die Zahlen sind genannt worden. 5 Milliarden € sind vorgesehen gewesen, um pandemiebedingte Steuereinnahmen des Landes auszugleichen. Das ist absolut sinnvoll. Wir sind diesen Weg mitgegangen; denn die Auswirkungen der Pandemie auf den Haushalt waren, sind und bleiben erheblich. Das zeigt im Übrigen auch Ihre Finanzplanung. 2020 bis 2023 fehlen 5,2 Milliarden € Steuereinnahmen, wenn man die aktuelle Steuerschätzung mit der Vorkrisenschätzung vergleicht. Jetzt könnte man auf die Idee kommen, dass man die 5 Milliarden € aus dem Sondervermögen nutzt, um diese Mindereinnahmen auszugleichen. Tatsächlich wollen Sie aber mehr als 3 Milliarden € aus dem Sondervermögen gar nicht einsetzen, und das, obwohl viele Maßnahmen aus dem Sondervermögen mit den Stimmen von fünf Fraktionen beschlossen wurden, weil sie notwendig sind und weil wir weitere Maßnahmen brauchen.

Obwohl Sie weniger von diesem Sondervermögen verwenden wollen, passen Sie den Tilgungsplan nicht an. Sie wollen nur 9 Milliarden € Kreditermächtigung von ursprünglich 12 Milliarden €. Aber die Tilgung soll gleich bleiben und dann sogar noch steigen. Bis 2025 wollen Sie 1,2 Milliarden € einsparen. Sie fangen schon an. Dann sollen die Einsparungen noch weiter gehen. Es sollen darüber hinaus 300 Millionen € werden, dann 400 Millionen €. Wie das gehen soll, ohne Ausgaben zu kürzen, das bleibt Ihr Geheimnis. Hier gilt: Sparen wider jegliche ökonomische Vernunft.

(Beifall DIE LINKE)

Alternativen zum Sparkurs gibt es reichlich. Oft haben wir hier über höhere Steuern für Großvermögen und Höchsteinkommen gesprochen. Das will ich in der heutigen Debatte nicht machen. Aber eines will ich doch noch einmal kritisch hinterfragen. Dass Sie bei der Präsentation des Haushalts – das hat der Staatsminister in seiner Rede jetzt wieder gemacht – bei den Themen Bildung und Klimaschutz von Akzenten sprechen, um zu zeigen, was Sie in diesem Bereich vermeintlich bewegen, das zeigt doch das zentrale Problem dieser Landesregierung. Sie verschätzen sich maßlos in der Größe der politischen Herausforderungen, die wir in den Bereichen Klimaschutz, Bildung, Digitalisierung und soziale Gerechtigkeit haben, welche großen Herausforderungen vor uns liegen. Da reicht es einfach nicht, Akzente zu setzen. Da brauchen wir wirklich einen großen Aufbruch. Wir brauchen einen Neustart aus der Krise mit Investitionen in Klimaschutz, Bildung, öffentliches Gesundheitswesen, bezahlbaren Wohnraum, gute Arbeitsbedingungen, um nur einige Punkte zu nennen.

Da wird der vorliegende Entwurf den gesellschaftlichen Herausforderungen wieder nicht gerecht. Wir werden dazu als Fraktion DIE LINKE in die Haushaltsberatungen die passenden Vorschläge einbringen.

(Beifall DIE LINKE)