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Rede

Jan Schalauske - Mieterhöhungen bei der Nassauischen Heimstätte/Wohnstadt sofort zurücknehmen

Jan Schalauske
Jan SchalauskeWohnen

In seiner 65. Plenarsitzung am 3. Februar 2021diskutierte der Hessische Landtag über die Mieterhöhungen bei der landeseigenen Nassauischen Heimstätte/Wohnstadt. Dazu die Rede unseres wohnungspolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Vielen Dank, Herr Präsident, auch für die freundlichen Glückwünsche zum Geburtstag.

Kommen wir zu einem nicht ganz so erfreulichen Thema. Wir diskutieren heute über die Mieterhöhungen bei der Nassauische Heimstätte, und da will ich auf das eingehen, was ein paar Vorrednerinnen hier gesagt haben.

Frau Heitland hat gesagt, dass das Ansinnen von SPD und LINKEN, auf die Nassauische Heimstätte einzuwirken, auf Mieterhöhungen zu verzichten, alter Wein in neuen Schläuchen sei. Ich würde Ihnen vorschlagen: Fragen Sie einmal die 6.000 Mieterinnen und Mieter in Hessen in über 50 Städten, die demnächst ihre Mieterhöhung bekommen. Ich glaube, für die geht es nicht um alten Wein, sondern für die geht es in schwierigen Zeiten häufig auch um ihre Existenz. Deswegen finde ich diese Bemerkung ziemlich unpassend.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wenn Frau Förster-Heldmann jetzt sagt, dass Vorschläge für Mietbegrenzungen bei einer öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft schon so etwas sind wie staatliche Gängelung, dann möchte ich sie fragen, ob sie die Aufgaben von öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften verstanden hat.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Die sollen ganz bewusst niedrige Mieten bereitstellen, um breiten Schichten in der Bevölkerung bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen. Dass Sie in letzter Zeit in wohnungspolitischen Debatten häufig dem Kollegen Lenders von der FDP recht geben, wundert mich jedenfalls nicht bei Ihrer politischen Orientierung in der Wohnungsfrage.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Da hilft es doch auch nicht weiter, dass wir sagen: Wir sind uns prinzipiell alle einig.

Klar, die Corona-Krise verschärft die Situation mit den bestehenden Mieten und der Wohnungskrise in Hessen. Für viele Menschen war schon vor der Corona-Krise die Mietbelastung kaum noch zu stemmen. Wir wissen alle, dass Kurzarbeit, Einkommensverluste und im schlimmsten Fall sogar Arbeitslosigkeit dazukommt. Es wird doch niemand widersprechen, dass es für die Menschen in diesem Land zunehmend schwieriger wird, ihre Miete zu bezahlen.

Glücklicherweise ist es so, dass die Zahl der Corona-bedingten Mietausfälle bisher noch relativ gering ist. Das hat einen Grund. Den haben wir hier auch schon diskutiert. Denn die Menschen zahlen bis zuallerletzt die Miete. Nur weil die Statistik die Mietausfälle noch nicht in der Höhe zeigt, heißt das nicht, dass sie nicht noch kommen werden. Es heißt auch nicht, dass die Menschen finanziell besonders gut dastehen. Vielmehr halten sie alles zusammen, um ihre Miete bezahlen zu können.

Das kann man auch wissen. Zum Beispiel kann man mit Vertreterinnen und Vertretern der Mietervereine sprechen. Sie sagen nämlich, dass es einen enormen Beratungsbedarf gibt. Selbst wenn die Mietschulden bisher noch kein Massenphänomen sind, die Ängste und Sorgen der Mieterinnen und Mieter sind es schon längst. Deswegen müssen wir gerade jetzt deutlich machen: Wohnen ist ein Menschenrecht. Das muss für alle gelten, unabhängig von der Herkunft und dem Einkommen. Deswegen braucht auch der Schutz vor Corona dringend ein Zuhause.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Da gibt es eine klare Differenz zwischen den Gewerkschaften und dem Mieterverein sowie zwischen der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN im Hessischen Landtag. Wir sind der Auffassung, der Staat muss in einer solchen Situation alles tun, um die Mieterinnen und Mieter vor Mieterhöhungen und vor Verdrängung zu schützen.

Wir haben bereits im Frühsommer einen Antrag für ein hessisches Soforthilfeprogramm vorgelegt. Wir wollen einen sofortigen Mietenerhöhungsstopp in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt, den Mietendeckel. Aber wir wollen, dass auch da Einfluss genommen wird, wo die öffentliche Hand die meisten Möglichkeiten hat, nämlich bei ihren Wohnungsbaugesellschaften.

Es gab in diesem Land einmal Zeiten, da hat man gesagt, dass gerade die Wohnungsbaugesellschaften der öffentlichen Hand eine besondere soziale Verantwortung und Vorbildfunktion haben. Wir sind der Auffassung, der müssen sie gerade in so einer Ausnahmesituation wie der CoronaKrise auch gerecht werden.

Es ist richtig, mit dem Positiven zu beginnen. Ja, im Frühjahr 2020 hat die Nassauische Heimstätte/Wohnstadt als Reaktion auf die Pandemie rasch Sofortmaßnahmen zum Schutz der Mieterinnen und Mieter getroffen. Wir haben das damals übrigens begrüßt und tun es heute erneut. Damit war es bestimmt so, dass die Nassauische Heimstädte/ Wohnstadt Vorbild für andere öffentliche Wohnungsbaugesellschaften wie etwa die GWH und die ABG war. Aber wir müssen jetzt erleben, dass diese gute Praxis vieler Wohnungsbaugesellschaften auf dem Höhepunkt der Krise völlig ohne Not über Bord geworfen wird. Das geschieht leider auch bei der NHW.

Man muss aber auch eingestehen, dass die Geschäftspolitik des Unternehmens auch im letzten Jahr nicht ganz so sozial und vorbildlich war, wie es hier immer wieder kolportiert wurde. So hat die Antwort auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion ergeben, dass diese Gesellschaft zwischen dem 1. April und dem 30. Juni 2020 insgesamt 2.303 Mieterhöhungen ausgesprochen und umgesetzt hat. In dem gleichen Zeitraum wurden zwölf Zwangsräumungen durchgeführt. Das alles geschah mitten im ersten Lockdown.

Sie können jetzt sagen, zwölf Zwangsräumungen sind wenig. Aber jede einzelne Zwangsräumung ist für die Betroffenen dramatisch. Meine Damen und Herren der CDU und der GRÜNEN, das ist unsozial und einer Wohnungsbaugesellschaft der öffentlichen Hand unwürdig.

(Beifall DIE LINKE und Turgut Yüksel (SPD))

Deshalb haben wir heute einen Dringlichen Antrag eingebracht, mit dem die Nassauische Heimstätte/Wohnstadt aufgefordert wird, seit Beginn der Pandemie auf alle Mieterhöhungen zu verzichten. Bei der GWH, über die wir aufgrund von Anträgen der Fraktionen der SPD und der LINKEN auch schon diskutiert haben, sieht es nicht besser aus. Da wurden zwischen 1. April und 30. Juni 2020 nicht weniger als 3.473 Mieterhöhungen ausgesprochen. In der Antwort des Ministers auf unsere Kleine Anfrage heißt es dazu lapidar:

Die Erhöhungsquote entspricht dem gewöhnlichen Durchschnitt in diesem Zeitraum …

Mitten in einer noch nie da gewesenen Krisensituation erhöht die GWH bei fast einem Zehntel ihrer Wohnungen die Mieten und tut so, als wäre nichts gewesen. Wir finden, auch das ist unsozial. Auch das ist einer solchen Wohnungsbaugesellschaft unwürdig.

(Beifall DIE LINKE)

Die Adolf-Miersch-Siedlung in Frankfurt-Niederrad wurde hier heute schon genannt. Da stehen Mieterhöhungen von 100 bis 200 € pro Monat im Raum. Die meist älteren Mieterinnen und Mieter fühlen sich schlecht informiert.

Ein solches Vorgehen und eine solche Mieterhöhung wäre schon ohne die Corona-Pandemie eine Zumutung. Aber gerade jetzt ist das einfach unmöglich. Damit muss Schluss sein.

Herr Finanzminister Boddenberg, das alles ist eigentlich schon genug. Die NHW hat Ende letzten Jahres, kurz nach Beginn des zweiten Lockdowns und im Übrigen direkt vor Weihnachten, angekündigt, die im zweiten Halbjahr 2020 aufgeschobenen Mieterhöhungen im nächsten Jahr umzusetzen. Das geschieht, obwohl sich für die Mieterinnen und Mieter überhaupt nichts zum Besseren entwickelt hat.

Das Gegenteil ist doch der Fall: Der zweite Lockdown hat die Situation für viele Menschen eher noch verschärft. Er hat die wirtschaftlichen Perspektiven weiterhin unsicher gemacht. In einer solchen Ausnahmesituation erhöht die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft in knapp 6.000 Wohnungen in 50 Städten in Hessen die Miete. Das muss hier diskutiert werden. Denn das ist skandalös und ein neuerlicher Tiefpunkt der Wohnungspolitik der schwarz-grünen Landesregierung in diesem Land.

(Beifall DIE LINKE und Turgut Yüksel (SPD))

Ich will das noch einmal sagen. Denn Frau Heitland und Frau Förster-Heldmann haben das gesagt. Es hilft auch nichts, auf die durchschnittliche Miete zu verweisen. Denn die Mieterinnen und Mieter, die von Mieterhöhungen von 50 € oder 100 € im Monat betroffen sind, haben von diesem Verweis auf die durchschnittliche Miete nichts. Für diese Menschen ist das enorm viel Geld. Ich glaube, es wäre gut, Sie würden sich einmal mit denen unterhalten.

Deswegen ist es richtig, dass sich die Mieterinnen und Mieter zusammengetan haben und gemeinsam mit den Mietvereinen und den stadtpolitischen Gruppen gegen die Mieterhöhungen protestiert haben. Es ist auch keine alte Idee der SPD und der LINKEN, dass diese Mieterhöhungen ein Problem sind und wir sie deswegen im Landtag diskutieren müssen. Vielmehr sind es genau diese Menschen, die morgen, am Donnerstag, vor dem Gebäude der NHW einen offenen Brief an Oberbürgermeister Peter Feldmann und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir übergeben werden.

Ich will eines auch noch einmal klar sagen: Man muss nicht mit Peter Feldmann bei allen Themen einer Meinung sein. Ich finde, es ist richtig, dass er als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Nassauischen Heimstätte die Mieterhöhungen öffentlich kritisiert hat. Ich würde mir wünschen, dass der grüne Minister, der für diese landeseigene Wohnungsbaugesellschaft verantwortlich ist, die Höhe der Mieten öffentlich kritisiert und sich für eine Begrenzung der Mieterhöhungen einsetzt.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Das heißt, dass wir natürlich Mieterhöhungen, so sie bei Wohnungsbaugesellschaften in Frankfurt am Main unter der Verantwortung von Peter Feldmann geschehen würden, genauso kritisieren würden. Kurzum, wir schließen uns den Forderungen der Mieterinnen und Mieter an. Wir sagen klipp und klar: Die Landesregierung muss dafür Sorge tragen, dass die NHW alle seit dem Ausbruch der Pandemie ausgesprochenen Mieterhöhungen umgehend und vollständig zurücknimmt. Bis zum Ende der Corona-Krise sollte sie auf weitere Mieterhöhungen jeglicher Art verzichten. Das ist die Aufgabe einer öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft in einer sozialen Krisensituation. Nehmen Sie endlich Ihre soziale Verantwortung ernst. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und Turgut Yüksel (SPD))