Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske - Öffentliche Einrichtungen stärken statt Steuergelder in PPP-Projekten versenken

Jan Schalauske
Jan SchalauskeHaushalt und Finanzen

In seiner 42. Plenarwoche am 28. Mai 2020 diskutierte der Hessische Landtag über die Unregelmäßigkeiten am Frankfurter Innovationszentrum Biotechnologie (FIZ). Dazu die Rede unseres finanzpolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Im guten alten Duden heißt es: „jemand, der an Unternehmungen anderer Anteil hat, davon zu profitieren versucht, ohne selbst etwas dafür zu tun“ – einen solchen Jemand bezeichnet man im Duden als „Trittbrettfahrer“. Mit Blick auf die Diskussion um das FiZ ist die AfD mit ihrer Aktuellen Stunde nichts anderes als ein Trittbrettfahrer und als solcher unterwegs.

(Beifall DIE LINKE und Marius Weiß (SPD))

Als wir nämlich letzte Woche im Haushaltsausschuss aus Anlass eines Dringlichen Berichtsantrags der FDP-Fraktion – gut war es, dass es diesen Antrag gab – immerhin eineinhalb Stunden über den Verdacht von Unregelmäßigkeiten beim FiZ diskutiert haben, was haben da die Vertreter der AfD-Fraktion gemacht? Ich will es einmal ungewohnt freundlich ausdrücken: nicht gerade mit Aufklärungseifer geglänzt.

Normalerweise sollte man das auch gar nicht gesondert kommentieren, aber wenn Sie jetzt versuchen, sich hier mit dieser Aktuellen Stunde besonders gut darzustellen, muss das einmal gesagt werden.

(Zurufe AfD)

Aber wahrscheinlich waren Sie letzte Woche mehr damit beschäftigt, missliebige Fraktionskollegen zu bespitzeln und ihnen interne Dossiers zu verpassen.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD – Zurufe AfD)

Jetzt aber zur Sache. Unter der vielsagenden Überschrift „Nächte in Addis Abeba“ berichtete die „Wirtschaftwoche“ vor geraumer Zeit über Unregelmäßigkeiten beim Frankfurter Innovationszentrum Biotechnologie, kurz: FiZ. Jetzt fragen sich vielleicht einige: FiZ? War da nicht was? – Richtig, beim FiZ handelt es sich um eines der großartigen Leuchtturmprojekte des ehemaligen Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Ja, genau, Roland Koch: Das war doch der mit den schwarzen Koffern, den jüdischen Vermächtnissen, den ausländerfeindlichen Wahlkämpfen. Das war doch der, der unser Uniklinikum verkauft hat, der mit Leo 0, I und II Landesliegenschaften im großen Stil privatisiert und zurückgemietet hat. Und überhaupt, das war doch der Roland Koch mit dem großen festen Glauben an die freie Wirtschaft, wobei er in der freien Wirtschaft dann nicht mehr ganz so erfolgreich war. Aber das ist ein anderes Thema – ich sage nur B wie Bilfinger.

Das FiZ ist übrigens auch ein solches Projekt der freien Wirtschaft. Es geht nämlich um die Förderung der freien Wirtschaft – mit öffentlichen Mitteln und öffentlichen Geldern. Als PPP-Projekt ist das Land Hessen mit 40 % beteiligt, 40 % Stadt Frankfurt, 20 % IHK. Im Aufsichtsrat sitzen, prominent vertreten, Ministerpräsident Volker Bouffier, Staatsministerin Angela Dorn und Staatssekretär Dr. Worms. Die Landesregierung findet, das FiZ sei ein großes Erfolgsprojekt der Wirtschaftsförderung. Was sie nicht so gern erzählt, das können Sie dann in der „Wirtschaftswoche“ lesen. Seit der Gründung im Jahr 2002 hat es nur einmal Gewinn gegeben. Seitdem gibt es Verluste von insgesamt rund 20 Millionen € – ein ganz schöner Zuschussbetrieb, dieses FiZ. Da hilft dann auch kein Verweis auf das Grundstück. Oder wollen Sie danach das Gelände wieder verkaufen? Zuschuss bleibt Zuschuss.

Aber wen stören denn schon diese Verluste? Das Finanzministerium jedenfalls nicht, hier sagt man lapidar: Na ja, das FiZ sei gar nicht auf Gewinnerzielung angelegt. – Meine Damen und Herren, so viel zum verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Geldern, der hier immer so gern gepredigt wird. Aber was soll man denn auch von einer Partei erwarten, die in Kassel-Calden schon einmal einen

Flughafen gebaut hat? Noch so ein Leuchtturm aus der Ära Koch, aber ein noch ein bisschen anderes Thema.

(Zuruf Torsten Felstehausen (DIE LINKE))

Die „Wirtschaftswoche“ jedenfalls berichtet über fragwürdige Dienstreisen und kostspielige Weiterbildungen. 60.000 € hat sich der Geschäftsführer für eine Weiterbildung in der Schweiz genehmigt: Da können normale Studierende nur mit den Ohren schlackern.

Die Landesregierung erklärt: Na ja, keine Verstöße gegen den Gesellschaftervertrag, keine Verstöße gegen Anstellungsverträge, eine Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats habe es auch nicht gegeben. – Mag ja alles sein. Aber was ist eigentlich mit Ihrer Kontrollaufgabe im Aufsichtsrat? Wie unsere Nachfragen ergeben haben, haben Sie sich nicht einmal eine Liste von Dienstreisen geben lassen. Na, das ist doch wirklich mangelhafte Aufklärung.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, deswegen muss sich die Landesregierung eigentlich wenigstens, mindestens und überhaupt fragen lassen, ob die Aufsichtsratsmitglieder ihrer Aufgabe dort vollumfänglich gerecht geworden sind.

Aber zum Schluss doch die zentrale Botschaft: Die Presseberichte um die Unregelmäßigkeiten zeigen doch eines: Schluss mit und Finger weg von den einstigen Leuchttürmen von Roland Koch. Finger weg von PPP-Projekten, insbesondere zur Wirtschaftsförderung. Wir finden, es darf nicht sein, dass mit öffentlichen Geldern fragwürdige kostspielige Dienstreisen und Weiterbildungen finanziert werden, dass schwarz-grüne Regierungsvertreter im Aufsichtsrat staunend zuschauen und der Gesetzgeber aufgrund der privatrechtlichen Gesellschaftskonstruktion keine adäquaten Kontrollmöglichkeiten hat.

Deswegen: Statt öffentliche Mittel in undurchsichtigen PPP-Projekten zu versenken, wäre es besser, die Gelder in öffentliche Forschung und öffentliche Einrichtungen zu stecken. Da sind sie besser aufgehoben. Die FDP, die die Aufklärung ein bisschen mit angestoßen hat, sollte sich zumindest vergegenwärtigen, dass sie die Einrichtung des FiZ mit ihrem damaligen Minister noch ziemlich groß gefeiert hat. Deswegen ist auch die Rolle des Chefaufklärers bei Ihnen nicht so ganz richtig aufgehoben.

(Zurufe)

Vizepräsidentin Karin Müller:

Herr Abg. Schalauske, der angekündigte Schluss müsste langsam kommen.

Jan Schalauske (DIE LINKE):

Genau. – Schluss mit PPP-Projekten für Investitionen in öffentliche Einrichtungen. – Vielen Dank