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Rede

Jan Schalauske - Privatisierung des UKGM rückgängig machen

Jan SchalauskeGesundheitWissenschaft

In seiner 88. Plenarsitzung am 11. November 2021 diskutierte der Hessische Landtag auf unseren hin in einer Aktuellen Stunde über die gescheiterte Privatisierung des Universitätsklinikum Gießen und Marburg. Dazu die Rede unseres Vorsitzenden Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am Uniklinikum Marburg musste im Juli dieses Jahres die Station 121 der HNO-Klinik geschlossen werden, weil Pflegekräfte fehlen. Das Problem war der Geschäftsführung seit zwei Jahren bekannt. In der Station hatten sich über 3.000 Überstunden verteilt auf 14 Köpfe angesammelt. Man fühle sich, so eine Pflegerin, „bis auf den letzten Tropfen ausgepresst und ausgenutzt“. Vor nicht einmal vier Wochen kündigten auf einer Station der Gefäßchirurgie 15 von 16 Pflegekräften auf einmal. Fast die ganze Station wechselte geschlossen an das Evangelische Krankenhaus in Gießen. Eine junge Pflegerin wurde mit den Worten zitiert: Ich bin fertig. Und ich kriege das mit meinem Gewissen den Patienten gegenüber nicht mehr klar. Der Betriebsrat berichtet: [Aber] nicht nur in der Pflege, sondern auch in anderen Bereichen würde man derzeit Kündigungswellen wahrnehmen. … der Krankenstand sei momentan so hoch wie noch nie. Betriebsrat Frank Eggers sagt: „Diese Arbeit macht krank“. In einem Brandbrief schreiben Assistenzärzte der Kinderklinik – ich zitiere –: Durch Zeitmangel, Multitasking und dauerhafte Ermüdung verletzten die Assistenzärzte letztlich die Rechte der kleinen Patientinnen und Patienten hinsichtlich ihres Rechts auf Information, Mitbestimmung und bestmögliche Gesundheit. Heute meldet sich der Personalrat des UKGM zu Wort: 46.500 Überstunden, keine Zeit mehr für Forschung und Lehre. Ich frage mich: Wie viele Brandbriefe und Hilferufe braucht es eigentlich noch, bis diese Landesregierung endlich tätig wird? Wie viele Berichtsanträge und Kleine Anfragen müssen SPD und LINKE noch stellen, bis die zuständige Ministerin endlich den Ernst der Lage erkennt, meine Damen und Herren? (Beifall DIE LINKE, SPD und Dr. Matthias Büger (Freie Demokraten)) Am Uniklinikum Gießen und Marburg – damit es da auch keinen Zweifel gibt – geben Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte, Kollegen in der Reinigung, Küche und Verwaltung, Medizinstudierende tagtäglich unter schwierigen Bedingungen ihr Bestes, um unser aller Gesundheit zu gewährleisten. Sie alle haben es verdient, dass die Landesregierung ihre Hilferufe endlich ernst nimmt. Betriebsräte, Gewerkschaft, Pflegekräfte, Studierende, sie alle berichten, dass sich der Druck jetzt durch die Übernahme von Asklepios noch einmal verschärft hat. Frau Staatsministerin Dorn, nehmen Sie deswegen diese Hilferufe ernst, stellen Sie sich dem Renditedruck von Asklepios entgegen, weisen Sie den in die Schranken, und nutzen Sie endlich Ihre millionenschwere Vereinbarung zur Trennungsrechnung und schaffen Sicherheit und Perspektive für Patienten, für Beschäftigte und für Forschung und Lehre. (Beifall DIE LINKE und SPD) Der Weiterverkauf unseres Klinikums zeigt doch noch einmal eindeutig: Die europaweit einmalige Privatisierung eines Universitätsklinikums durch eine CDU-geführte Landesregierung war, ist und bleibt ein großer Fehler, der endlich rückgängig gemacht gehört. (Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD) Unser aller Gesundheit ist doch viel zu wichtig, als dass wir sie zu einem Spielball auf den Finanzmärkten verkommen lassen dürfen. Privatisierung und Kommerzialisierung haben unser Gesundheitswesen für Profitstreben und Spekulation geöffnet. Diese fatale Entwicklung müssen wir endlich umkehren. Lange hieß es vor allem von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, die Privatisierung sei schlecht, man sei immer dagegen gewesen, aber man könne halt heute nichts machen. Man beließ es bei einem eher halbherzigen Versuch, die Change-of-Control-Klausel zu verlängern, was dann auch leider gescheitert war. Es stimmt aber nicht, dass man nichts machen kann. Auf der Grundlage eines fundierten Rechtsgutachtens fordert der Pfleger und Medizinstudent Mark Müller zusammen mit 18.202 weiteren Unterstützern mithilfe einer Petition die Rückführung unseres Klinikums auf der Grundlage des Grundgesetzes und der Hessischen Verfassung. Frau Ministerin, es mag schon sein, dass dieser Weg kein einfacher Weg sein wird. Wo aber ein politischer Wille ist, da ist auch ein Weg. Der Unterstützung aus der Bevölkerung in Mittelhessen, der Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen aus Forschung und Lehre könnten Sie sich sicher sein. Sie alle wissen, dass dieses Klinikum zurück in die öffentliche Hand muss. (Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD) Natürlich werden Sie jetzt einwenden, nicht allein Privatisierung, sondern auch Unterfinanzierung, Pflegenotstand, Fallpauschalen usw. seien das eigentliche Problem im Krankenhauswesen. Hinzu kommen Sonderprobleme bei Universitätskliniken. Das stimmt auch alles. Auch an öffentlichen Häusern ist nicht alles gut. Deswegen geht an dieser Stelle ein solidarischer Gruß unserer Fraktion an die Kolleginnen und Kollegen vom Universitätsklinikum in Frankfurt, die morgen für bessere Löhne und für bessere Arbeitsbedingungen streiken werden. (Beifall DIE LINKE) Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken: Bitte kommen Sie zum Schluss, Herr Schalauske. Jan Schalauske (DIE LINKE): Ich komme zum Schluss. – Ich bin der Meinung, Dividenden für Aktionäre sollten nicht aus unseren Krankenkassenbeiträgen finanziert werden. Deswegen möchte ich zum Abschluss zitieren: Wir appellieren an die Landesregierung, bald Vorschläge für die Lösung der aufgezeigten Probleme vorzulegen und die Rückabwicklung der Privatisierung ernsthaft zu prüfen. Aus Sicht der Marburger GRÜNEN wäre die Überführung in die öffentliche Hand bzw. eine öffentliche Rechtsform die stabilste und zukunftsfähigste Lösung für das Marburger Universitätsklinikum. Das waren die Marburger GRÜNEN. Dem ist kaum etwas hinzuzufügen. (Beifall DIE LINKE)