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Rede

Jan Schalauske - Privatisierung von Wohnungen durch landeseigene Wohnungsgesellschaft NHW stoppen

Jan SchalauskeWohnen

In seiner 84. Plenarsitzung am 30. September 2021 diskutierte der Hessische Landtag auf Antrag der LINKEN zur Aktuellen Stunde "Privatisierung von Wohnungen durch landeseigene Wohnungsgesellschaft Nassauische Heimstätte/Wohnstadt stoppen - in Schotten und überall!". Dazu die Rede unseres wohnungspolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was haben Schotten im Vogelsberg, Breuberg im Odenwald, Großalmerode im Werra-Meißner-Kreis, Gersfeld im Landkreis Fulda, Kirchheim im Landkreis Hersfeld-Rotenburg, Niedenstein im Schwalm-Eder-Kreis und Weilburg miteinander gemeinsam? In all diesen Orten hat die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft, die Nassauische Heimstätte/ Wohnstadt, in den vergangenen Jahren ihren gesamten Wohnungsbestand privatisiert. Das war ein schwerer politischer Fehler. Das schadet den Mietern. Das muss aufhören.

(Beifall DIE LINKE)

Beginnen wir mit Schotten. Was sich dort abspielt, ist skandalös. Es steht exemplarisch für die verfehlte Wohnungspolitik der schwarz-grünen Landesregierung. Die NHW besaß in Schotten fünf Mietshäuser mit insgesamt 26 Wohnungen in gutem Zustand.

Nun hat die NHW diese ehemaligen Wohnungen der öffentlichen Hand für 1,4 Millionen € an ein privates Investorenpaar verkauft. Die Mieterinnen und Mieter haben große Sorgen, verdrängt zu werden. Denn auch im kleinen Schotten herrscht mittlerweile ein Mangel an bezahlbaren Mietwohnungen. Die Stadt und ihre Bürgermeisterin, die engagierte Kollegin Susanne Schaab, waren gegen den Verkauf. Sie kritisiert, dass die Stadt vorher nicht informiert wurde. Die NHW habe die Wohnungen der Stadt gar nicht zum Kauf angeboten.

Es gab einen Brief an den Ministerpräsidenten. Es gab Berichte in der Presse. Die Kolleginnen Elke Barth und Lisa Gnadl haben dazu eine Kleine Anfrage im Landtag gestellt. Es gab Besuche vor Ort. Ich war auch in Schotten. Ich habe direkt mit den betroffenen Mieterinnen und Mietern gesprochen.

Aus alldem wissen wir, dass der Ärger über den Verkauf völlig gerechtfertigt ist. Es gab falsche Prognosen über die Entwicklung der Bevölkerung. Es gab falsche Prognosen über die Entwicklung der Mietpreise. Ein Informieren der Stadt fehlte. Der Verkaufsprozess war völlig intransparent. Eine bevorzugte Käuferschar wurde vorab informiert. Der Kaufpreis ist ungewöhnlich niedrig. Die Mieterinnen und Mieter sind nur kurzzeitig, nämlich für fünf Jahre, geschützt.

Hier bestätigt sich, was wir als DIE LINKE schon immer gesagt haben: Wohnungen der öffentlichen Hand dürfen nicht verkauft werden. Sie dürfen erst recht nicht an private Investoren verkauft werden, die sich damit eine goldene Nase verdienen wollen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Der Verkauf in Schotten war ein schwerer Fehler, der sofort korrigiert werden muss. Minister Al-Wazir hatte zugesagt – ich zitiere –, „den Dialog mit der Stadt [zu] suchen …, um ein für alle Beteiligten zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen“. Ich bin einmal sehr gespannt, was er dazu gleich sagen wird. Wir bleiben dabei: Die Landesregierung muss den Verkauf stoppen und rückgängig machen, und zwar sofort.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist der Grund, warum wir heute in einer Aktuellen Stunde darüber sprechen wollen. Das, was in Schotten geschehen ist, ist kein Einzelfall. Das ist nur die Spitze des Eisbergs einer völlig verfehlten Verkaufspolitik der NHW. Ich habe einige Städte zu Beginn meiner Rede genannt.

Seit 2008 hat das Unternehmen über 5.600 Wohnungen in knapp 100 Kommunen verkauft. Davon entfallen 3.000 Wohnungen auf die Zeit seit 2014, der Zeitpunkt, ab dem die GRÜNEN Verantwortung für die Wohnungspolitik tragen.

(Zuruf: Hört, hört!)

Das ist der Stand aufgrund unserer Kleinen Anfrage aus dem letzten Jahr. Mittlerweile sind sicherlich noch welche dazugekommen. Man könnte abendfüllend darüber reden, wie das mit der Privatisierung von 330 Reihenhäusern in Westhausen in Frankfurt gewesen ist. Dazu könnte man viel sagen. Dafür bleibt heute nicht die Zeit. Denn, man muss sagen, der Schwerpunkt dieses mehrjährigen Verkaufsportfolios – so heißt das im besten Managerdeutsch – liegt im ländlichen Raum. Er liegt in Regionen, für die es in der Vergangenheit negative Prognosen hinsichtlich der Bevölkerungs- und der Mietpreisentwicklung gab. Da zieht sich die NHW komplett zurück. Möglicherweise geschieht das, weil alles nur noch durch die Brille der Kosten und der Rentabilität betrachtet wird.

Seit 2008 hat die Zahl der Standorte der NHW um 30 % abgenommen. Seit 2014 sind es 15 %. Der Rückzug aus der Fläche und insbesondere aus dem ländlichen Raum ist doch grundverkehrt. Das Beispiel in Schotten zeigt, dass sich die Prognosen häufig als falsch erweisen. Auch im ländlichen Raum gibt es einen Bedarf an bezahlbaren Mietwohnungen der öffentlichen Hand. Eine landeseigene Wohnungsgesellschaft hat die Aufgabe, flächendeckend bezahlbaren Wohnraum in ganz Hessen sicherzustellen. Das muss die Aufgabe der NHW sein.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Herr Präsident, ich komme zum Ende meiner Rede. – Das ist kein Wunder. Schwarz-Grün hat groß angekündigt: Wir wollen 75.000 Wohnungen für die NHW beschaffen. Wir wollen den Bestand damit erhöhen. – Es ist kein Wunder, dass der Bestand weiterhin bei rund 60.000 Wohnungen herumdümpelt, da weiterhin Wohnungen verkauft werden. Das muss ein Ende haben. Es muss mit dieser Privatisierungspolitik Schluss gemacht werden.

(Beifall DIE LINKE)