Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske - Schwarzgrüne Landesregierung ist keine Partnerin der Kommunen

Jan Schalauske
Jan SchalauskeCoronaHaushalt und FinanzenKommunales

In seiner 51. Plenarsitzung am 2. September 2020 diskutierte der Hessische Landtag über die Situation der Kommunalfinanzen in der Corona-Pandemie. Dazu die Rede unseres finanzpolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Bevor ich mich jetzt auch mit der vielleicht etwas abseitigen Geschichtsbetrachtung der Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den Kommunen, wie sie im Antrag von CDU und GRÜNEN und auch in der langen Rede des CDU-Kollegen Reul zum Ausdruck kommt, intensiver beschäftige, möchte ich auch lieber mit der Corona-Pandemie und den grundsätzlichen Aufgaben der Kommunen beginnen.

Wir haben gestern sehr intensiv darüber diskutiert, dass die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie nicht nur die Haushalte von Land und Bund mit voller Wucht treffen, sondern auch die der hessischen Kommunen, und dass wir uns alle einig sind, dass nach Grundgesetz und Hessischer Verfassung Landkreise, Städte und Gemeinden das Recht auf kommunale Selbstverwaltung haben und sie alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung regeln können.

Die Realität sah aber schon vor Corona oft anders aus. Es fehlte eine angemessene Finanzausstattung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Daseinsvorsorge, zur Finanzierung der sogenannten freiwilligen Leistungen, die oft gar nicht so freiwillig, sondern vielmehr nötig sind. Es wurden auch immer mehr Aufgaben von Bund und Ländern auf die Kommunen übertragen und die bis dato vorhandenen Aufgaben nicht ausreichend und angemessen finanziert, auch wenn es aktuell Entlastungen gibt wie beispielsweise bei den Kosten der Unterkunft.

Auch bei den Steuereinnahmen im föderalen System sind die Kommunen quasi die Letzten. Nur rund 14 % der gesamten Steuereinnahmen bundesweit entfallen auf die Kommunen, aber die Aufgaben sind oft deutlich größer.

Im Kontext der Pandemie behaupten CDU und GRÜNE, das Land sei ein Partner der Kommunen. Dieser Umgang des Landes mit den Städten, Kreisen und Gemeinden hatte in der Vergangenheit einen ganz anderen Charakter. Dazu später mehr.

Im Anschluss an die Debatte, die wir gestern zur Kompensation der Gewerbesteuerausfälle geführt haben, loben Sie sich in diesem Antrag für die Bereitstellung von 2,5 Milliarden € für die Kommunen aus dem Gesetz zum Sondervermögen. Nach allem, was wir heute wissen, was wir diskutiert haben, wird diese Summe wohl nicht ausreichen, um die Verluste der Kommunen bei den Steuereinnahmen auszugleichen. Diese belaufen sich nach der Mai-Steuerschätzung bis 2023 auf 3,5 Milliarden €, bis 2024 sogar auf 4,2 Milliarden €. Dabei sind wir noch nicht bei pandemiebedingten Mehrausgaben in den Kommunen und bei Ausfällen von weiteren Einnahmequellen wie Gebühren und anderem.

CDU und GRÜNE beabsichtigen aber auch nicht – da spricht der Antrag eine deutliche Sprache –, alle Einnahmeausfälle zu kompensieren. Sie verkünden im vorliegenden Antrag bereits jetzt, wo sich die Kommunen fragen, wie sie ihre Haushalte überhaupt aufstellen sollen, wie sie ihre Ausgaben finanzieren sollen, die Erwartung an die Kommunen, ihre Ausgaben zu kürzen. Sie nennen das euphemistisch Konsolidierung.

Für unsere Fraktion sage ich ganz klar: Das Kürzen von öffentlichen Leistungen ist nicht nur in der Krise der falsche Weg und wird auf unseren heftigen Widerstand in den Kommunen wie auch hier im Hessischen Landtag treffen,

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Felix Martin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)) zumal die Kommunen in einer ökonomischen Krise – das haben die Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände deutlich gemacht – das Gegenteil von dem machen sollten, was Sie jetzt Konsolidierung nennen und einfordern. Sie sollten kräftig investieren, um die Wirtschaft voranzubringen, und nicht in die Krise hineinsparen und sie damit verschärfen. Vor allem müssen sie die Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger sichern, für die die Kommunen am Ende da sind.

Die Bereitstellung von 1,2 Milliarden € seitens des Bundes und des Landes, über die wir gestern diskutiert haben, ist ein Schritt in die richtige Richtung, zugegebenermaßen. Für das Land ist das aber keine Goodwill-Leistung, die man sich groß auf die Fahnen schreiben kann, sondern eine Aufgabe, die verfassungsmäßig geboten ist.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Bei anderen Maßnahmen aus dem sogenannten CoronaKommunalpaket, für die Sie sich loben, hätte man weiter gehen können, etwa bei den Teilstundungen der Hessenkasse. Das Land hätte hier problemlos eine komplette Stundung vorsehen können.

Ich finde es auf jeden Fall bemerkenswert – das hat die Debatte noch einmal gezeigt –, dass sich CDU und GRÜNE heute genau dafür loben, dass sie die einst so unerbittlich und mit aller Kraft gegenüber den Kommunen durchgesetzten Regularien wie das Verbot von Kassenkrediten, von Neuverschuldung in der Krise einfach über Bord werfen. Umso schöner, wenn sich der grüne Kollege Martin zur Begründung dieser Politik der Argumente der LINKEN aus den Debatten der letzten Jahre bedient. Man könnte meinen, Links wirkt.

Meine Damen und Herren, man könnte es meinen. Wir haben immer gesagt, dass die finanzielle Gängelung der Kommunen auf der Ausgabenseite schon in normalen Jahren falsch ist, in der Krise aber kaum zu halten sein wird. Immerhin scheint letztere Erkenntnis bei Ihnen angekommen zu sein. Das nehmen wir interessiert zur Kenntnis. Links wirkt.

(Beifall DIE LINKE)

Allerdings drohen CDU und GRÜNE zugleich mit dem erhobenen Zeigefinger und fordern schon jetzt wieder eine restriktive Haushaltspolitik ein. Wer nicht macht, was das Land will, der wird sogleich an die Instrumente von Hessenkasse und Schutzschirm erinnert. Wer nicht hören will, der soll wohl fühlen – so kann man dieses Ankündigungskonzept verstehen; ein zweifelsohne fragwürdiges pädagogisches Konzept.

Lieber Kollege Hahn, ich finde, die Haltung der CDU, der GRÜNEN und der Landesregierung in dieser Frage ist schon stringent. Sie haben gesagt, es sei nicht alles so stringent. Die Schuldenbremse und die schwarze Null – das mag Sie vielleicht freuen – werden nur temporär ausgesetzt. Grundsätzlich hält die Landesregierung daran fest und wird sie den Kommunen auch wieder überstülpen. Das werden wir bald erleben, und das finden wir im Unterschied zur FDP grundsätzlich falsch, weil am Ende die Bürgerinnen und Bürger die Zeche dafür zahlen werden müssen.

Am Ende will ich noch einmal auf das zu sprechen kommen, was CDU und GRÜNE in ihrem Antrag schreiben und Herr Kollege Reul in einer epischen Länge vorgetragen hat: eine doch etwas merkwürdige Geschichtsschreibung beim Thema Land-Kommunen-Finanzbeziehungen.

CDU-geführte Landesregierungen seit 1999 tragen die Verantwortung für eine massive Unterfinanzierung unserer Kommunen mitsamt zeitweiligen Rekordschuldenständen. Infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise erhöhten CDULandesregierungen mit zahlreichen Maßnahmen wie Schutzschirm und Herbsterlass den Kürzungsdruck und sorgten für eine Abwicklung der öffentlichen Leistungen in den Kommunen. Gekürzt wurde zuallererst bei sogenannten freiwilligen Leistungen. Das ist ein falscher Begriff, weil er den Eindruck erweckt, dass Maßnahmen im Sozialen, in der Kultur und der Sportförderung, dass Bibliotheken und Schwimmbäder irgendeine Schönwetterangelegenheit seien. Das ist mit Ausnahme eines Freibads mitnichten der Fall, und auch dessen Finanzierung muss unabhängig vom Wetter gesichert sein.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Eine weitere Folge: Den Bürgern Hessens ist tief in die Tasche gegriffen worden. Die hessischen Kommunen haben im bundesweiten Vergleich mit die höchste Grundsteuer. Nur in NRW ist sie höher. Nun drohen weitere Ungerechtigkeiten, weil Hessen angekündigt hat, einen eigenen Weg bei der Grundsteuer zu gehen. Aber das ist ein anderes Thema.

Die Investitionsprogramme, für die Sie sich loben, KIP I und II, sind häufig mit anderem Geld bezahlt, bezahlt vom Bund. Der SPD-Kollege Warnecke hat es Ihnen noch einmal vorgerechnet.

Für die Hessenkasse ziehen Sie Mittel der Kommunen heran, was Sie verschweigen, und auf den einmaligen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung durch die Heimatumlage wollen wir hier nicht so intensiv eingehen. Aber dieser einmalige Eingriff hat die Kommunalen Spitzenverbände gemeinsam in einer Art und Weise auf die Barrikaden getrieben, wie sie beispiellos in der Geschichte des Landes Hessen ist.

Wenn sich die finanzielle Situation der Kommunen in den letzten Jahren verbessert hat, dann vor allem aufgrund der konjunkturellen Lage, aber bestimmt nicht wegen, sondern eher trotz dieser Landesregierung.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Nein, CDU-geführte Landesregierungen waren in den letzten 20 Jahren kein Partner der Kommunen, bestenfalls ein Antreiber, der mit wenig Zuckerbrot und sehr viel Peitsche die Kommunen auf einen falschen Pfad getrieben hat. In der Krise müssen CDU und GRÜNE erkennen, dass diese alten Rezepte nicht mehr greifen. Die Rede des Kollegen Martin war ein Ausdruck davon, ich würde sagen: zum Glück für die Kommunen. Aber es steht zu befürchten, dass, sobald sich die Lage wieder bessert, CDU und GRÜNE zu ihren alten Rezepten greifen werden, die den Kommunen nicht besonders schmecken dürften.

Zur Bewältigung der ökonomischen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie muss den Kommunen kurzfristig und großzügig geholfen werden. Schritte in diese Richtung finden unsere Unterstützung und unsere Zustimmung. Da sind wir, wie Sie uns kennen, ganz unideologisch. Aber auch für Zeiten nach der Pandemie gilt: Statt Kürzungsund Sparvorgaben brauchen die hessischen Kommunen dauerhaft eine angemessenere und aufgabengerechtere Finanzausstattung. Dahin ist es wegen dieser Landesregierung noch ein weiter Weg. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)