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Rede

Jan Schalauske - Wer Klimaschutz will, darf keine Autobahnen bauen II

Jan Schalauske
Jan SchalauskeUmwelt- und KlimaschutzVerkehr

In seiner 55. Plenarsitzung am 1. Oktober 2020 diskutierte der Hessische Landtag über den Weiterbau der A49 und die Situation im Dannenröder Forst. Dazu die zweite Rede unseres stellvertretenden Vorsitzeden Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Zunächst noch einmal zu den detaillierten Diskussionen über die rechtlichen Grundlagen. Dass das Planfeststellungsverfahren gegen die Europäische Wasserrahmenrichtlinie verstößt, habe ich hier heute in meinem Redebeitrag gar nicht gesagt. Ich habe aber darauf hingewiesen, Herr Staatsminister, dass die mittelhessischen Wasserwerke darauf verweisen, dass der Trassenverlauf nicht optimal ist und dass sie Sorgen haben, dass Schäden nicht ausgeschlossen werden können, und nicht sicher sind, ob nicht am Ende eine Gefährdung für das Trinkwasser besteht. Ich finde, dass man diese Stellungnahme, die es im Übrigen auch schon vorher im Verfahren gegeben hat, mindestens einmal zur Kenntnis und auch ernst nehmen sollte.

Der zweite Punkt zu den rechtlichen Bedenken, worüber Sie leider gar nichts gesagt haben, sind die zwingenden Gründe, wonach das öffentliche Interesse angeblich den Naturschutzrichtlinien der Europäischen Union übergeordnet werden kann. Wie wir aus dem jahrelangen Engagement der Bürgerinitiativen wissen, gibt es in den Begründungen für dieses öffentliche Interesse Fehler, die sogar von den Behörden eingestanden werden. Da geht es um die Zahlen, wie viele Arbeitsplätze geschaffen werden. Dort sind Übersetzungsfehler genannt, die trotzdem zur Grundlage genommen werden. Die Zahlen, die die Verkehrsentlastung für die Region dokumentieren sollen, können gar nicht stimmen. All das hat auch Ihr Haus indirekt in Schreiben bestätigt.

(Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen bin ich der Meinung, dass man, auch wenn die Gerichte das entschieden haben, nach wie vor von legitimen rechtlichen Bedenken sprechen kann.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, das kann man nicht! – Torsten Leveringhaus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Was folgt denn daraus? – Unruhe CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Doch, das kann man. Das sollten Sie erst einmal zur Kenntnis nehmen, Herr Wagner.

Dann sagen die GRÜNEN: Wir halten die Entscheidung für falsch, man kann sie aber nicht mehr ändern. – Und dann verweisen sie auf den Vorhabenträger, nämlich den Bund. Gleichzeitig aber versuchen sie selbst – Herr Kollege Rudolph hat es Ihnen ja gesagt; nicht Sie hier in Hessen, leider, sondern Ihre Fraktion im Deutschen Bundestag, das ist ja das Problem der heutigen Diskussion –, den Vorhabenträger von dem Vorhaben, das angeblich rechtsstaatlich schon durch ist, endlich wieder abzubringen.

(Nancy Faeser und Günter Rudolph (SPD): Ja! – Gegenrufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist doch nicht stimmig. Das ist eine Doppelmoral. Wir begrüßen, was Sie im Bundestag machen. Es ist nur leider bedauerlich, dass Sie hier im Hessischen Landtag eine andere Position einnehmen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Kann man nun auf den Vorhabenträger einwirken, oder kann man es nicht? Wir würden uns wünschen, dass der Verkehrsminister und die Landtagsfraktion der GRÜNEN in ihren öffentlichen Stellungnahmen gegenüber dem Vorhabenträger deutlich machen, dass sie von diesem Vorhaben nicht überzeugt sind, weil es dem Klima schadet, weil es den Menschen schadet. Sie sollten da Haltung zeigen und Position beziehen.

Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Wenn in den letzten 40 Jahren in der Geschichte der Bundesrepublik alle grünen Fraktionen und alle grünen Parteien immer alle Entscheidungen akzeptiert hätten, die getroffen worden sind, wo zum Teil schon gebaut wurde, dann wären heute noch alle Atommeiler am Netz, dann wäre Gorleben heute ein Endlager für Atommüll. – Ich bin ausdrücklich dankbar, dass sich die GRÜNEN viele Jahre dagegen engagiert haben.

(Beifall DIE LINKE)

Sie haben die Proteste angesprochen. Da, finde ich, Frau Walther, müssen Sie sich auch noch einmal entscheiden: Sind das jetzt gewalttätige Proteste, von denen man sich distanzieren muss? Oder aber sind das Proteste, die zu Unrecht kriminalisiert werden?

(Torsten Leveringhaus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein!)

Natürlich rufen wir zu friedlichen Protesten auf,

(Zuruf Katy Walther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

und wir sind der Meinung – im Übrigen wie viele GRÜNE auch –, dass ziviler Ungehorsam ein legitimer Bestandteil friedlicher Proteste sein kann.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Distanzieren Sie sich doch mal von der Gewalt in Gießen!)

– Herr Dr. Naas, wenn Sie hier ein Bild von den Demonstranten gezeichnet haben, dann kann ich nur sagen: Dieses Bild kann ich nicht bestätigen. Ich lade Sie und alle, die das kritisch sehen, ein: Kommen Sie in den nächsten Tagen in den Wald.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Ich war da!)

Machen Sie sich ein eigenes Bild, arbeiten Sie als neutraler parlamentarischer Beobachter, und gewinnen Sie ein authentisches Bild von der Situation vor Ort.

Am Ende bleibt doch die entscheidende Frage: Gibt es GRÜNE in der Landesregierung oder im Landtag, die ihre politische Haltung einnehmen und sich dafür einsetzen wollen, dass der Vorhabenträger sein Vorhaben ändert und dass diese Autobahn nicht gebaut wird, oder ziehen die GRÜNEN den Kopf ein, lassen das Ganze an sich vorübergehen, vergießen zwar die eine oder andere Krokodilsträne, stehen aber nicht glaubwürdig zu ihren politischen Zielen?

Wir bleiben der Auffassung:

Präsident Boris Rhein:

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Jan Schalauske (DIE LINKE):

Diese Autobahn wird nicht gebraucht. Sie schadet dem Klima. Sie schadet den Menschen in der Region. Sie steht unserem Engagement gegen den Klimawandel und für eine Verkehrswende entgegen. Deswegen müssen wir das heute hier debattieren.

Deswegen: Stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall DIE LINKE)