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Rede

Jan Schalauske zum Landesentwicklungsplan

Jan SchalauskeKommunalesWirtschaft und ArbeitWohnen

In seiner 81. Plenarsitzung am 8. Juli 2021 diskutierte der Hessische Landtag über den Landesentwicklungsplan. Dazu die Rede unseres wohnungspolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sprechen heute hier über die Fünfte Verordnung zur Änderung der Verordnung über den Landesentwicklungsplan Hessen 2000. Dieser technisch anmutende Titel führt mich noch einmal zu einer Bemerkung. Man verliert sich irgendwann sehr schnell im parlamentarischen Klein-Klein. Aber mir ist eines aufgefallen: Eigentlich haben doch parlamentarische Anhörungen den Sinn und Zweck, Stimmen aus der Gesellschaft zu hören, auf der Grundlage des Gehörten Gesetze und Verordnungen zu machen, sie realitätsnäher, ausgewogener, gerechter, kurz: besser zu machen.

Dafür aber wäre es natürlich notwendig, dass man den Anzuhörenden auch wirklich Gehör schenkt und bereit ist, Entwürfe, die man hineingibt, tatsächlich am Ende zu verändern. Mein Eindruck hier nach zweieinhalb Jahren Schwarz-Grün in dieser Legislaturperiode ist: In diesen Punkten tun sich die Regierenden ziemlich schwer. Die Vorlage heute ist dafür auch ein sehr gutes Beispiel.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Jetzt könnten Sie noch einmal sagen: Na ja, in diesem Fall ist alles viel komplexer, es gab einen Vorlauf, Offenlegungen und Stellungnahmen, dann gab es Änderungen und neue Stellungnahmen, und am Ende gibt es halt diese Verordnung, die wir hier und heute beraten.

Aber das Problem ist doch: Gerade dann, wenn es einen solchen langen und umfangreichen Vorlauf gegeben hat und dann bei der Anhörung vor zwei Wochen der Eindruck entstanden ist, dass da überhaupt nichts aufgenommen worden ist, ist das doch umso verheerender. Vier Jahre lang haben Sie an diesem Entwurf herumgedoktert – mit dem Ergebnis, dass überhaupt niemand mit diesem Entwurf zufrieden ist. Das ist kein Wunder; denn das Ergebnis ist voller Mängel, und das ist kein Ausdruck von guter Planung.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will auch noch einmal, wie meine Kollegen, auf vier Punkte eingehen, die besonders deutlich geworden sind:

Erstens. Die Kommunalen Spitzenverbände haben noch einmal klargemacht, was sie auch schon seit Beginn des Prozesses gesagt haben: Das ganze Verfahren und die Art und Weise der Einbindung, der Umgang mit der Kritik, das alles lief alles andere als optimal. Das lässt sich deutlich besser machen.

Zweitens. Das möchte ich noch einmal sehr grundsätzlich sagen: Der Landesentwicklungsplan in der vorliegenden Fassung ist überhaupt nicht geeignet, den zentralen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Landesentwicklung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gerecht zu werden.

(Zuruf SPD: Richtig!)

Es war Kollege Eckert, der noch einmal darauf hingewiesen hat, dass das hier eigentlich ein Roland-Koch-Gedächtnis-Landesentwicklungsplan ist, einer aus dem Jahr 2000.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Jetzt sind wir 20 Jahre und mehrere Regierungskoalitionen später. Den zentralen Herausforderungen, die wir zu bearbeiten haben, wird die Vorlage überhaupt nicht gerecht. Das sind die ungleiche Entwicklung zwischen Stadt und Land sowie Klimawandel und Klimaschutz. Zu beiden Punkten enthält der Plan zwar das eine oder andere Lippenbekenntnis, aber kaum etwas Substanzielles.

In Sachen Klimaschutz hat der BUND Ihnen wichtige Punkte hineingeschrieben: Flächenverbrauch, Notwendigkeit von Bestandsentwicklungen, Berücksichtigung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse. In all diesen Punkten bleibt der Landesentwicklungsplan weit hinter dem zurück, was notwendig wäre, um den Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel und für eine soziale und ökologische Transformation wirksam zu unterstützen. Das ist doch ein Armutszeugnis für GRÜNE in der Landesregierung.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Das Gleiche gilt für die ungleichen Verhältnisse zwischen Stadt und Land. Dazu schreibt der Geograf Herr Mießner in der Stellungnahme:

Insgesamt zielt das Landesentwicklungsprogramm zu stark auf die Stärkung der bestehenden Wachstumspotenziale ab und befördert damit indirekt regionale Disparitäten in Hessen. Gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Bürgerinnen und Bürger … können so … nicht erreicht werden. Vielmehr sollten die Förderungen für strukturschwache Regionen deutlich stärker in den Fokus der Landesentwicklung gestellt werden.

Das ist doch ein Armutszeugnis für eine Regierung, die sich die Stärkung des ländlichen Raums auf die Fahnen geschrieben hat. Das ist doch deutlich zu wenig.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Selbst der Hessische Industrie- und Handelskammertag – übrigens völlig unverdächtig, ein linker Thinktank zu sein – schreibt:

Aus unserer Sicht geht die vorliegende Änderung des Landesentwicklungsplans kaum darauf ein, wie das bestehende Gefälle zwischen wachsenden Städten und schrumpfenden ländlichen Regionen langfristig gemindert werden soll. Es fehlen ein tragfähiger Entwicklungsgedanke und klar formulierte Entwicklungsziele.

Meine Damen und Herren, das ist ein ziemlich schlechtes Zeugnis, das Ihnen da ausgestellt wird. Ich kann mich dieser Kritik nur anschließen.

(Beifall DIE LINKE)

Drittens. Zum Schluss will ich noch einmal sagen: Natürlich ist die Frage nach der Einteilung in Grund- und Mittelzentren auch eine Frage des Geldes. Es ist deutlich gemacht worden, dass es für die Mittelzentren ein Problem ist, die Einstufung im Landesentwicklungsplan mit dem Kommunalen Finanzausgleich zu koppeln.

Viertens. Was das Problem der Kooperationen angeht, hat Ihnen die gesamte kommunale Familie deutlich gemacht, dass nicht einmal dem gesunden Menschenverstand klar ist, wer da warum mit wem kooperieren soll. Das gilt auch für die Entwicklungsachse im östlichen Hessen. Außer, dass es da eine Autobahn und eine ICE-Verbindung gibt, ist auch keinem klar geworden, was Sie damit bezwecken wollen.

Alles zusammengenommen: Dieser Landesentwicklungsplan bleibt ein Stückwerk. Er bleibt hinter den eigentlichen gesellschaftlichen Herausforderungen völlig zurück. Deswegen werden wir ihm auch nicht zustimmen.

(Beifall DIE LINKE)