Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske zur Abschaffung der Schuldenbremse

Jan Schalauske
Jan SchalauskeHaushalt und Finanzen

In seiner 62. Plenarsitzung am 10. Dezember diskutierte der Hessische Landtag über die Abschaffung der Schuldenbremse. Dazu die Rede unseres finanzpolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Es ist völlig klar: Es war richtig, dass der Staat in der Krise auf allen Ebenen viele Milliarden Euro in die Hand nimmt und genommen hat, um die Wirtschaft zu stützen, Arbeitsplätze zu retten und Existenzen zu sichern. In Hessen haben die Fraktionen der CDU – deren Mitglieder leider gerade nicht da sind – und der GRÜNEN dafür eine Kreditermächtigung in Form eines 12 Milliarden € schweren Sondervermögens eingerichtet. Sie haben die Zweidrittelmehrheit der Schuldenbremse abgeschafft.

Die Fraktionen der CDU und der GRÜNEN haben – so wurde es formuliert – einen „Anschlag auf die Grundidee der … Schuldenbremse“ unternommen. So wurde es vom Bund der Steuerzahler bezeichnet. Wir haben klar gesagt: An einem solchen Anschlag auf die Idee der Schuldenbremse beteiligen wir uns gerne.

(Beifall DIE LINKE)

Die schwarz-grüne Landesregierung musste letztlich eingestehen, dass in der Krise mit einem Kreditverbot wirklich kein Staat zu machen ist. Insofern ist der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE, den wir heute hier beraten, um den Weg zur Abschaffung der Schuldenbremse zu bereiten, letztlich die logische Konsequenz aus der schwarz-grünen Aushöhlung dieses Instruments, das schon immer nicht die Schulden, aber vor allem die Investitionen gebremst hat.

(Beifall DIE LINKE)

Die Mitglieder der Fraktionen der CDU und der GRÜNEN haben auch diese Plenarwoche wieder behauptet, eigentlich wollten sie doch an der Schuldenbremse festhalten. Schon ab dem Jahr 2024 wollen sie wieder ausgeglichene Haushalte vorlegen. Das ist das Credo des Finanzministers.

Die Frage ist aber: Welche Schäden sind Sie bereit dafür in Kauf zu nehmen? Folgt man Ihrem Tilgungsplan, ergänzt um die mangelnde Bereitschaft, für ein gerechtes Steuersystem zu sorgen, droht den Hessinnen und Hessen das, was Sie etwas verklausuliert „mittelfristige Konsolidierung“ nennen, oder das, was es in der Realität für die Hessen sein wird, nämlich eine dramatische Kürzungspolitik. Die Schuldenbremse engt also die Spielräume der öffentlichen Hand ein, erschwert soziale Maßnahmen und verhindert Investitionen in die Zukunft.

Oft wurde das Argument der Generationengerechtigkeit bemüht. Ich muss offen gestehen: Ich habe nie verstanden, was daran gerecht sein soll, wenn kommenden Generationen marode Schulen und Kindertageseinrichtungen der öffentlichen Hand hinterlassen werden. Es muss doch möglich sein, dass wir die dringend notwendigen Investitionen auch über Kredite finanzieren. Deswegen muss die Schuldenbremse nicht nur in der Krise, sondern sie muss dauerhaft für die Zukunft abgeschafft werden.

(Beifall DIE LINKE)

Sie bemühen da immer ein Bild: Da gibt es die LINKEN mit ihrer Position. – Ich will Sie daran erinnern: Mit dieser Position stehen wir nicht allein. Vor wenigen Tagen noch hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die OECD, vor einer zu schnellen Rückkehr zur Schuldenbremse gewarnt. Denn das würde die wirtschaftliche Erholung gefährden. Das hört man von der

OECD.

Noch weiter geht die Jugendorganisation der SPD. Die Jusos haben Ende November 2020 auf ihrem digitalen Bundeskongress gefordert – ich zitiere –:

Die Schuldenbremse im Grundgesetz soll gekippt werden, um mehr Investitionen, bezahlbare Wohnungen und moderne Schulen zu ermöglichen.

Die Jusos haben doch recht.

(Beifall DIE LINKE)

Die potenzielle Kanzlerkandidatin der GRÜNEN, Annalena Baerbock, plädierte Mitte November 2020 bei „Anne Will“ dafür – ich zitiere –, „noch mehr Geld in die Hand zu nehmen“. Laut Baerbock müsse die Schuldenbremse ausgesetzt werden. Es solle ein zehnjähriges Konjunkturprogramm in einer Höhe von 500 Milliarden € durchgesetzt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Das sage ich einmal in diese Richtung des Hauses: Noch vor der Corona-Pandemie plädierte sogar Michael Hüther, der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, der jeglicher sozialistischer Fantasien unverdächtig ist, für Folgendes:

Angesichts eines unübersehbar großen Investitionsbedarfs mindert die Schuldenbremse den politischen Handlungsspielraum und entbehrt einer ökonomischen Grundlage.

Dazu kann ich nur sagen: Recht hat er, der Herr Hüther.

Die Abschaffung der Schuldenbremse ist keine versponnene Idee der LINKEN, wie Sie es gerne darstellen, sondern eine breit in der Gesellschaft diskutierte und getragene Vorstellung von einer gerechten und zukunftsgewandten Haushaltspolitik. Das sollten wir vorantreiben.

(Beifall DIE LINKE)

Ich habe es vorhin schon angedeutet: Wer um jeden Preis an der Schuldenbremse festhalten will, der muss dann auch sagen, wer die Rechnung für die Programme in MilliardenEuro-Höhe bezahlen soll. Wenn alles so bleibt, wie es ist, werden die Kosten der Krise wieder auf die Masse der Bevölkerung abgewälzt werden. Wir sind der Meinung, es wäre einmal an der Zeit, wenigstens bei dieser Krise diejenigen zur Kasse zu bitten, die während der Krise noch reicher geworden sind.

Sie werden jetzt einwenden: Wenn wir die Schuldenbremse in Hessen abschaffen würden, würde das nichts bringen, weil das Grundgesetz gilt und eine Abschaffung allein in Hessen daran nichts ändern würde. – Wir sehen das ein Stück weit anders. Eine Abschaffung der Schuldenbremse in Hessen würde die gesellschaftliche Debatte befördern und könnte zu dem Anfang für das Ende der Schuldenbremse auch im Bund mit beitragen.

Der Weg zur Abschaffung der Schuldenbremse in Hessen ist nicht leicht. Das will ich eingestehen. Eine Mehrheit im Landtag reicht, um das Verfahren in Gang zu bringen. Das reicht aber nicht aus, um die Verfassung zu verändern. Im Unterschied dazu kann man dank der Fraktionen der CDU und der GRÜNEN die Schuldenbremse damit aber aussetzen. Da haben wir gerne zugestimmt.

Wir alle wissen, dafür ist eine Volksabstimmung notwendig. Nach unseren Vorstellungen könnte diese Volksabstimmung z. B. zusammen mit der Bundestagswahl durchgeführt werden. So könnte die Bundestagswahl auch eine Abstimmung über die Haushaltspolitik der öffentlichen Hand werden.

Jetzt wird man sagen: Man muss mit Verfassungsänderungen sorgfältig umgehen. Da ist schon eine erfolgt. – Das sehe ich im Übrigen auch so.

In diesem Fall kann man auch noch argumentieren: Das ist noch gar nicht so lange her. Vor knapp zehn Jahren haben zwei Drittel der Hessen für die Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung gestimmt. – Jetzt, zehn Jahre und eine sehr schwere Krise später, mit Blick auf die CoronaPandemie und ihre Folgen, wäre es doch richtig und demokratisch, die Bevölkerung erneut zu fragen, ob sich dieses Instrument in der Krise bewährt hat oder ob man es verändern muss.

Klar ist: Falls sich eine Mehrheit der Hessen für eine Abschaffung der Schuldenbremse bei einer etwaigen Volksabstimmung entscheiden würde, bräuchte es für den Übergang von der aktuellen Schuldenbremsenregelung zur alten Regelung, zu der wir zurück wollen, zusätzliche gesetzliche Regelungen. Das wäre dann ein zweiter Schritt. Daran sollte es nicht scheitern.

Wir wollen zurück zu einer Schuldenobergrenze, die sich an den staatlichen Investitionen orientiert. Ich habe es ausgeführt: Genau da hat die Schuldenbremse die größten Probleme geschaffen, nämlich einen gigantischen Investitionsstau.

Ich will zum Abschluss sagen: Die Schuldenbremse ist das Ergebnis demokratischer Willensbildung. Sie engt aber den demokratischen Entscheidungsspielraum der heutigen Generation und der kommenden Generationen ein. Unser Gesetzentwurf bietet die Chance, Ihre damalige Haltung zu revidieren. Sie könnten sich von diesem unsinnigen Gesetz verabschieden.

(Beifall DIE LINKE)